Dortmund. . In der Liga läuft es nicht rund beim BVB. Im Pokal schon. In Saarbrücken gab es unter der Woche einen souveränen BVB-Sieg. Außerdem gab es dort eine mehrheitlich überraschend wohlwollend betrachtete Pyro-Show. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen.

Zerfahrenes Spiel, Bayer weit weg, Bayern noch weiter weg, die Fohlen im Nacken und das Lazarett vor dem CL-Gruppen-Endspiel in Marseille überfüllt wie ein Freibad im Hochsommer – nach der Niederlage im Verfolger-Duell mit der Sportabteilung des Bayer-Konzerns gleicht ein Rundumblick durch den Blätterwald für den BVB-Fan einer nachdrücklichen Aufforderung, in Sack und Asche zu gehen.

Nach drei Niederlagen aus vier Liga-Partien finden einige nicht mehr viel Suppe in den Haaren, selbst „Uwe Moyela“ – mittlerweile Sky-Experte – konnte sich „nicht erinnern, wann eine Dortmunder Mannschaft zuletzt so schlecht gespielt hat". Die sicherlich ebenfalls legitime Einschätzung, dass der Tabellendritte sich dem Tabellenzweiten anfangs ohne fünf, im späteren Spielverlauf ohne sieben (bzw. nach Einwechslung des angeschlagenen Reus ohne sechs) Stammspieler, stellen musste, das Spiel über 90 Minuten lang offen gestalten konnte und am Ende nur durch einen gravierenden Abspielfehler verlor, hat natürlich deutlich weniger Nachrichtenwert. Immerhin: Obwohl sich im Sinne eines guten Verlierers zu viele Hinweise auf Personalprobleme verbitten, trägt man jenen Rechnung, indem man der Borussia lediglich eine „Mini-Krise“ attestiert. Bei gleichem Abschneiden in Vollbesetzung würden wahrscheinlich alle durchdrehen. Durchdrehen müssen jetzt – in absolut positiver Weise, versteht sich – wir Fans in Marseille, wo Borussia mit dem letzten Aufgebot um ein Überwintern in der Königsklasse kämpft.

Schizophrene Bewertung von Pyro-Shows

Was war noch passiert in der vergangenen Woche? Im Pokal passte dem BVB der „zweite Anzug“ deutlich besser, als man in Saarbrücken höchst souverän das Viertelfinale erreichte. Aus Fan-Sicht war rund um diese Partie wieder einmal der schizophrene Umgang bei der Bewertung von Pyrotechnik interessant. Während die Fackelei meist (im vergangenen Derby absolut zurecht!) hart kritisiert wird und manchmal sogar Negativ-Hysterien epochalen Ausmaßes auszulösen vermag, wurde die Pyro-Show der Saarbrücker mehrheitlich wahlweise wohlwollend ignoriert oder verklärt abgefeiert. Selbst die größten mir bekannten Kritiker der Pyromanen in den Fußballstadien fanden, dass das „schön“ war oder „schon sehr geil aussah“. Kurz vor Silvester treibt den Deutschen dann doch seine irrationale Neigung zum Leuchtraketenabschuss um, da weckt so eine Pyro-Choreo mit Feuerwerk wohl Vorfreude auf den Jahreswechsel.

Wasser auf die Mühlen der Fußballfans, die die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt haben oder sich standhaft weigern, ihnen Rechnung zu tragen. Die dürfen jedoch eines nicht vergessen: Zuschauer und auch Medien mögen hier von Fall zu Fall „Fähnlein im Wind“ spielen, die Verbände und die diesbezüglich durch die Bank populistisch positionierten Regierungspolitiker in Bund und Ländern tun dies nicht.

Pyrotechnik hat gegen Populismus keine Chance

Für sie bleibt Pyrotechnik – stets in einem Atemzug mit Gewalt oder sogar Rassismus genannt und gemeinhin als „Krawall“ eingeordnet – in jedem Fall ein Vorwand, die gewachsene Fankultur in Frage zu stellen, im schlimmsten Fall gar, sie durch Versitzplatzung schlussendlich abzuschaffen. Auch die Vereine sprechen hier eine Sprache. Pyrotechnik ist verboten und unerwünscht.

Solange sich die zündelnde Minderheit weiter in Rebellion übt, bleibt das Thema Pyrotechnik die Achillesferse der deutschen Fankultur. Würde man sich mit einem Pyro-Verzicht arrangieren, könnte man sich auf die Wahrung anderer, gemeinhin wichtigerer Bestandteile der Fankultur konzentrieren, die man mit der Fackelei (leider) gefährdet.

Zündelei ist Fankultur, Zündelei gefährdet Fankultur

Argumente für einen Verzicht wären – neben der unbestreitbaren Verletzungsgefahr - einerseits, dass man mit Pyrotechnik zwar Stimmung erzeugt, aber nicht die Mannschaft unterstützt, andererseits, dass einem weit überwiegenden Teil der Fans andere Aspekte gelebter Fankultur wichtiger sind als der Einsatz von Pyrotechnik und dem einen oder anderen zündenden Zeitgenossen hier etwas weniger Egozentrismus gut zu Gesicht stände. Die meisten Fans sind mittlerweile Gegner der Zündelei. Sie gehört zwar seit Jahrzehnten zur Fußballkultur, gefährdet diese aber massiv, seit es ein Umdenken in der Öffentlichkeit gegeben hat.

Es mag aus Sicht vieler schade sein, aber die Zeiten, in denen Pyrotechnik in irgendeiner Form Akzeptanz fand, in denen sogar Vereine und Verbände den Fußball mit entsprechendem Bild- und Videomaterial bewarben, sind wohl ein für allemal vorbei.

Der BVB rechnet in Kürze mit einer Rekord-Geldstrafe und weiteren Sanktionen durch die Verbände. Politik und Polizei, die den Fußball gerne einmal irrational zum gesellschaftlichen Problemfeld stilisieren, reiben sich bei jeder Fackel die Hände.

Und: Ohne die Pyro-Shows müssten selbst oberflächliche Zeitgenossen bei der Frage, wer oder was den Fußballsport „kaputt macht“, umdenken. Vielleicht würden einige dann mal merken, dass die Gefahr nicht von Menschen in Windbreakern, Parkas, Hoodies, Trikots oder Trainingsjacken ausgeht, sondern – um einen rund 13 Jahre alten Fernsehspot mit einem gewissen Jahrhunderttorschützen zu zitieren – von „Typen in Nadelstreifen“.

9.12.2013, Rutger Koch, Gib mich DIE KIRSCHE