Dortmund. Borussia Dortmund hat eine Woche zum Vergessen hinter sich gebracht. Strotzten der Verein und sein Umfeld vor dem Arsenal-Spiel noch vor Selbstvertrauen, stehen nun zwei Niederlagen und ein Kreuzbandriss in der Bilanz des BVB. Noch dazu muss die Fanszene lernen, auswärts ohne die Ultras auszukommen.
Dass medial schon von einer Vorentscheidung im Rennen um die Meisterschaft die Rede ist, ist genauso absurd, wie die Verabschiedung der Werkself aus Leverkusen aus diesem Rennen nach der Niederlage in Braunschweig in der Vorwoche. Fraglos wird das Spiel gegen den FC Bayern aber enorm wichtig – allerdings in erster Linie um die Verfolger auf Distanz zu halten.
Der Ausfall von Neven Subotic wiegt für den BVB enorm schwer. Sokratis Papastathopoulos ist ohne Frage ein gleichwertiger Ersatz für den serbischen Nationalspieler – doch jeder weitere Ausfall und jede Sperre würde dafür sorgen, dass mit Koray Günter oder Marian Sarr Nachwuchsspieler ohne große Erfahrung auf höchstem Niveau in die Bresche springen müssten, ein vielleicht derzeit noch zu großer Schritt. Möglich ist, dass der BVB hier in der Winterpause nachlegt und einen Spieler kauft oder leiht.
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Das Spiel in Wolfsburg war auch das erste, in dem die drei Ultragruppen The Unity, Desperados und Jubos nicht im Stadion zugegen waren. Am Freitag hatte der BVB die festgelegte Strafe verkündet, die seit dem Derby als Damoklesschwert über den Ultragruppen schwebte: Ihnen werden bis auf Weiteres die Auswärtsdauerkarten entzogen, zumindest bis zum Saisonende. Die Sanktion trifft wohl ungefähr 300 Fans, zumindest entsprach dies der Zahl an Karten, die der BVB an die VW-Betriebsmannschaft zurückschickte.
Lücken im Gästeblock erkennbar
Da die Inhaber der Auswärtsdauerkarten Ihre Karten erst vor Ort in Wolfsburg erhielten, griff die Maßnahme sehr kurzfristig. Zwar versuchte der VfL die zurückgeschickten Karten noch über den eigenen Onlineshop zu verkaufen, jedoch waren Lücken im Gästeblock erkennbar.
Die Ultragruppen haben für sich entschieden, den nationalen Auswärtsspielen in Bundesliga und Pokal komplett fern zu bleiben, auch wenn sie sicherlich auch ohne Auswärtsdauerkarten noch an Tickets gekommen wären. Die Unterstützung erfolgte geschlossen von außerhalb des Stadions, denn nach Wolfsburg war man auch ohne Zugang zum Stadion angereist.
Fehlen der Vorsänger ist spürbar
Die Konsequenz daraus ist nicht nur, dass bekannte Gesichter im Block fehlen, das zeigte sich in Wolfsburg deutlich. Auch die Anzahl an Fahnen und sonstigen Materialien nahm ohne die drei Gruppierungen merklich ab. Am spürbarsten aber war das Fehlen der beiden Vorsänger, die sonst dafür sorgen, Stimmen und Stimmung zu koordinieren. Hatte man diese Konstellation bereits in vereinzelten (boykottierten) BVB-Spielen erlebt, werden sich die Fans bei Auswärtsspielen nun vorerst dauerhaft auf diese gewohnten Stimmen aus dem Megaphon verzichten.
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Der „kalte Entzug“ in Wolfsburg funktionierte erwartungsgemäß mäßig, der Gästeblock war deutlich schwächer als sonst zu vernehmen, oft bedurfte es einer Aufforderung durch die Wolfsburg-Fans, deren Gesänge gekontert wurden. Es ist eine Herausforderung, die es aber zu meistern gilt, wenn man die Mannschaft auch weiterhin zu Erfolgen peitschen will – sei es durch Vorsänger aus anderen Gruppen oder durch Gesänge aus dem ganzen Block heraus, so wie es in der Zeit vor der Ultra-Bewegung war.
Strafe für Ultras wird von Fans kontrovers diskutiert
Die Strafe als solche wird in Fankreisen kontrovers diskutiert. Fraglos werden mit dem Entzug der Auswärtsdauerkarten praktisch nur Fans getroffen, die beim Derby waren und zu einem großen Teil auch die konspirative Anreise über Essen wählten. Jedoch haben beileibe nicht 300 Ultras beim Derby gezündelt oder auf andere Weise gegen geltende Regeln verstoßen. Stadionverbote gegen identifizierte Täter treffen an der richtigen Stelle, jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass dies das Problem nicht an der Wurzel packt. Die Ultras müssen umdenken und sich selbst hinterfragen.
Dass sie eigene Mitglieder als Teil der Gruppe nicht verpfeifen ist Teil eines sozialen Grundgedanken und auch vollkommen in Ordnung. Jedoch muss man dann auch mit der Konsequenz leben, dass die ganze Gruppe in solchen Fällen bestraft wird, weil Einzeltäter geschützt werden. Die Ultragruppen sind jetzt gefordert, intern die Übeltäter im Rahmen der Selbstreinigung auszuschließen und so an ihrem Bild zu arbeiten. Niemand will, dass die Stimmung in Dortmund wie teilweise bereits in Gelsenkirchen gegen die Ultras kippt und „Ultras raus!“-Gesänge durchs Stadion ziehen. Denn auf schöne Choreografien und eine laute Fankurve will in Dortmund sicher niemand verzichten – das wäre aber eine mögliche Konsequenz, wenn die Ultras dauerhaft fernblieben.
Julian Bräker (www.die-kirsche.com), 11.11.2013