Dortmund. Mit dem furiosen 6:1 Heimsieg über den VfB Stuttgart ging eine turbulente Woche für Borussia Dortmund zu Ende. Eine Woche zwischen Derbysieg, Fan-Krawallen und der überraschenden, vorzeitigen Vertragsverlängerung des Trainerteams rund um Jürgen Klopp.

Die Dortmunder Fanseele, sie brodelt und hüpft euphorisch zugleich, sie tanzt und wirkt dennoch verärgert. Eine exakte Wiedergabe der schwarz-gelben Gefühlwelt ist schwierig, wenn nicht nahezu unmöglich. Zu viel ist allein in den vergangenen zehn Tagen passiert. Was wird das nun also für eine Fankolumne? Eine, die sich zum x-ten Male den pyrotechnischen Ausschreitungen im Revierderby am vorletzten Samstag widmet? Die ermahnt und kritisert?

Oder eine Art Liebesgedicht an eben jenen großartigen Jürgen Klopp, der die gesamte Trainer-Klaviatur so wunderbar beherrscht, wie kaum ein anderer. Der aus dem Spiel unserer Borussia – speziell am Freitagabend in der zweiten Halbzeit - eine Ouvertüre machte und – yeah, yeah, yeah! - der unter der Woche seinen ohnehin bis 2016 laufenden Vertrag beim BVB kurzerhand bis 2018 verlängerte und sich zu einer weiteren Liebeserklärung („Wir sind alle nach wie vor ein bisschen verliebt in diesen Verein“) hinreißen ließ?

Auch interessant

Oder eine rein sportliche, die über eine Galavorstellung mit einem 6:1-Sieg über die ambitionierten Stuttgarter zu berichten weiß und einen Ausblick auf das wichtige Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Arsenal London liefert? Ganz ehrlich: Wahrscheinlich eine‚ mit ein bisschen von allem’. Eine Kolumne mit der Weisheit eines Pauschalurlaubers? Nun ja warum nicht, liebe Fans? Ich bin der Meinung, dass rund um unsere Borussia gerade zu vieles zu wichtig ist, um einzelne Elemente unserer Gefühlswelt hinten über zu werfen.

Zwischen Höhenflug und Sicherheitsdebatte

Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass die aus den Geschehnissen in Gelsenkirchen resultierenden, offenen Fragen an die Ultragruppierungen unbeantwortet bleiben. Genau so wenig dürfen wir zur bayrischen Sportauffassung kommen und Siege, wie am Freitag erlebt und genossen, als Pflichtaufgabe zwischen Derby und Champions-League verkommen lassen. Und genau so wenig dürfen wir die Treue unseres Trainergespanns rund um Jürgen Klopp und ihr Vertrauen in uns und unsere Borussia als eine Art logische Konsequenz der vergangenen Jahre ansehen. Also ja, eine Kolumne irgendwo zwischen sportlichem Höhenflug, Vereinsromantik und Sicherheitsdebatte.

Im Vorfeld der Partie am Freitag gegen Suttgart wurde seitens der Ultragruppierung „The Unity“ ein erster, wichtiger Schritt unternommen. Eine Woche vor Bekanntgabe des Strafenkatalogs seitens des Verein, gab Dortmunds größte Ultragruppierung unverblümt zu, dass mit dem Einsatz von Leuchtraketen eine Grenze überschritten wurde und „Dinge passiert sind, die nicht akzeptabel sind“. Gespannt blicken wir daher auf die Konsequenzen, die der BVB diese Woche bekannt geben möchte.

Denn eines ist auch klar: So wenig wir alle BVB-Ultras für die Geschehnisse in Gelsenkirchen verantwortlich machen dürfen, so wenig wir vergessen sollten, wie viel positives The Unity für den BVB geleistet hat, so viel mehr müssen wir unter uns Fans die Frage stellen dürfen, wieso die Dortmunder Ultragruppierungen das Bild unseres Verein rund ums Derby immer wieder in ein schlechtes Licht rücken? Denn bei aller Einsicht haben wir nicht vergessen, dass in Gelsenkirchen an die Hundert Personen - organisiert - mit Sturmhauben auf dem Kopf den Gästeblock betraten und damit ein für Borussia Dortmund unwürdiges Verhalten an den Tag legten.

Extreme Weiterentwicklung der Mannschaft

Sportlich dagegen glänzt unser Verein nicht erst seit dem Derbysieg in der Turnhalle zu Gelsenkirchen. Beim Auftritt am Freitagabend im Westfalenstadion war wieder einmal eine extreme Weiterentwicklung innerhalb der Mannschaft erkennbar. Jürgen Klopp ist inzwischen in der luxuriösen Situation auf zahlreichen Positionen – ob im offensiven Mittelfeld oder in der Innenverteidigung - ohne Qualitätsverlust rotieren zu können. Gerade im Hinblick auf das anstehende Topspiel am Mittwoch in der Königsklasse gegen Arsenal ist dies von unschätzbaren Wert. Denn genau in diesem Spiel kann der BVB einen großen Schritt in Richtung Achtelfinale unternehmen. Für dieses Ziel müssen wir am Mittwoch wieder alle an einem Strang ziehen.

Manchmal hilft der Blick über den Tellerrand, um sich selbst mal wieder bewusst zu machen, welch großartige Zeit wir gerade mit Borussia erleben. All diejenigen unter uns, die am Samstag mitfieberten, wie unsere zweite Mannschaft in der 3. Liga gegen das Kunstprodukt von RB Leipzig erfolgslos um drei Punkte kämpfte, wurde mal wieder vor Augen geführt, dass unser Sport zur Zeit in eine Richtung läuft, die wir alle so nicht gut heißen können. Unser Verein bildet dort vielleicht noch eine kleine, romantische Ausnahme. Vielleicht.

Christoff Strukamp, 4.11.2013 (www.die-kirsche.com)