Bad Ragaz. Er ist grimmig, er ist stählern, er ist ehrgeizig: Borussia Dortmunds neuer Verteidiger Sokratis Papastathopoulos ist auf dem Platz ein eisenharter Bursche. Aber sonst, sagen zumindest seine Mitspieler, soll der Grieche ein netter Kerl sein.
Diese Wohngemeinschaft gilt derzeit als die härteste in der ganzen Schweiz. Die Residenz der Profi-Fußballer von Borussia Dortmund in Bad Ragaz hat fünf Sterne, das Zimmer zwei Bewohner – und beide verbreiten auf dem Platz dank ihrer robusten Herangehensweise eines: Schrecken. Wie es da so abgeht hinter verschlossenen Türen? Hängen da Ketten an den Wänden? „Ja“, lacht Mittelfeldspieler Sven Bender, einer der Bewohner, „das Zimmer ist abgedunkelt und wir brüllen uns den ganzen Tag lang an. Schlafen können wir auch nicht, weil wir mit Schienbeinschonern und Stollenschuhen im Bett liegen und den anderen beäugen.“ Er lacht dabei. Es ist ein Witz. Ein Witz über sich und den neuen Mann: Sokratis Papastathopoulos.
Sokratis heißt in der BVB-Mannschaft einfach nur "Papa"
Man muss diesen Verteidiger nicht einmal Fußball spielen gesehen haben, um zu meinen, dass es der eigenen Gesundheit durchaus nicht abträglich ist, wenn man dessen Zorn nicht auf sich zieht. Sein Körper ist kräftig, sein Blick finster, durch den dichten Bart, den er in den vergangenen Tagen des Trainingslagers in seinem Gesicht trug, blitzt nur relativ selten ein Lächeln. Meistens verzieht der grimmige Grieche keine Miene und wirkt dabei so, als sei er stets bereit, einen fahrenden Zug vom Gleis zu grätschen.
Sokratis wird auf seinem Trikot stehen, weil die Buchstaben seines Nachnamens sonst bis auf die Ärmel gedruckt werden müssten. Papa nennen ihn die Kollegen in der Mannschaft. Für neun Millionen Euro Ablösesumme eisten die Dortmunder den 24-Jährigen, der schon beim AC Mailand unter Vertrag stand, von Werder Bremen los. Im medialen Getöse um die deutlich teureren Neuzugänge Henrikh Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang geht der griechische Nationalspieler in der Öffentlichkeit ein wenig unter. Ein Umstand, der ihm allerdings nicht unwillkommen ist. Der öffentliche Sokratis ist eher ein sparsamer Redner. Er versteht und spricht Deutsch, aber sicherer bewegt er sich im Italienischen oder Englischen. „Ich fühle mich gut hier“, sagt er, „die Mannschaft ist wie eine Familie.“
Sokratis muss sich ausgerechnet gegen Subotic und Hummels durchsetzen
In der Verteidigung ist der Mann mit dem langen Namen flexibel einsetzbar, sowohl innen als auch außen. Das war ein entscheidendes Kriterium bei der Verpflichtung. „Ich bin gekommen, um zu spielen. Kein Spieler setzt sich einfach auf die Bank. Ich werde den Konkurrenzkampf annehmen und dort spielen, wo mich der Trainer braucht“, sagt er.
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Es sind Sätze, die er mit Taten untermauert. Der gelernte Innenverteidiger stellt sich beim BVB allerdings einer der schwierigsten Aufgaben überhaupt: der Konkurrenz von Neven Subotic und Mats Hummels, einem Duo, das seit 2008, dem Beginn der Ära des Trainers Jürgen Klopp, das Herz der Dortmunder Deckung ausmacht. Nuri Sahin verschwand aus der zentralen Achse des Spiels, Shinji Kagawa ging fort, Mario Götze ebenfalls, aber diese beiden trotzten allen Angeboten. Sie scheinen wie festzementiert. Kaum vorstellbar, dass einer von beiden tatsächlich mal seinen Platz verlieren könnte. Aber wenn es jemandem gelingen könnte, dann Sokratis.
Er ist ein schonungsloser Zweikämpfer, hat ein gutes Auge, ist für einen Verteidiger erstaunlich sicher am Ball. „Der geht robust zur Sache, der kann hinten richtig aufräumen“, lobt Jürgen Klopp. Und Nuri Sahin, der ja bekanntlich wieder zurück in Dortmund ist, sagt fast liebevoll: „Über Papa brauchen wir gar nicht reden. Das ist einfach Papa.“ Wenige Wochen da, und schon irgendwie Kult dieser Sokratis.
Sokratis ist abseits des Rasen "ein sehr umgänglicher Mensch"
Sein Vertrag läuft bis 2018. Das ist eine lange Zeit. Für den Fall, dass Subotic oder Hummels früher oder später doch das Gefühl beschleicht, dass sie nach vielen Jahren beim BVB eine Veränderung anstreben wollen, wäre der Ersatzmann jedenfalls nicht weit. Dann wird es die härteste der WG in Zukunft vielleicht noch ein paar Mal geben. Aber Bender gibt Entwarnung: „Auf dem Platz ist er knüppelhart, aber ansonsten ein sehr umgänglicher Mensch.“ Beruhigend, das zu hören.