Bad Ragaz. . Innenverteidiger Mats Hummels von Borussia Dortmund spricht im großen Interview über eine Saison, in der er mit sich nicht zufrieden war - und über die Motivation, die für den BVB in der Niederlage liegt.

Mats Hummels kommt vom Mittagessen. Er schlendert auf einen schmalen Pfad über das Gelände des luxuriösen Mannschaftshotels von Borussia Dortmund in Bad Ragaz. Er liest eine Nachricht auf seinem Handy, schmunzelt in sich hinein. Dann legt er das Handy weg. Nun wird nicht mehr geschrieben, nun wird geredet.

Herr Hummels, in diesen Tagen des Trainingslagers und auch schon davor haben Sie sich in der Öffentlichkeit relativ rar gemacht. Täuscht der Eindruck?

Mats Hummels: Auf keinen Fall. Ich musste das eine oder andere wegen langfristiger Vereinbarungen machen, aber ansonsten galt: So wenig wie möglich Interviews.

Warum?

Hummels: Weil ich nicht alle drei Tage irgendwo ein Interview von mir lesen will. Dann haben die Aussagen keinen Wert mehr.

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Zum Beispiel die Aussage, dass Niederlagen zu guten Sport-Geschichten dazu gehören? So wie die vom Champions-League-Finale?

Hummels: Man braucht Misserfolge, um die Erfolge richtig einschätzen zu können. Und um nicht nachzulassen, weil man mit 24 oder 25 Jahren vielleicht schon das Gefühl hat, all das erreicht zu haben, was man sich immer erhofft hat.

Wäre diese Gefahr beim BVB gegeben gewesen?

Hummels: Mit einem Champions-League-Sieg, den beiden Meistertiteln und dem DFB-Pokalsieg – ja.

Sie gelten als Rückgrat dieser Dortmunder Mannschaft. Was bedeutet Ihnen Verantwortung?

Hummels: Es ist mir wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört, dass ich mich nicht verstecke im Spiel. Wenn ich merke, dass es in der Mannschaft nicht funktioniert, dann möchte ich die Situation zum Guten verändern. Das muss man machen, wenn man so lange im Verein ist wie ich und in den vergangenen Jahren immer gespielt hat. Und ich mache es gerne.

Woher kommt dieses Gefühl, das tun zu müssen?

Hummels: Ich bin Wettkampfmensch. Ich habe schon als Kind aus allem einen Wettkampf gemacht und den versucht zu gewinnen. Nicht mit unfairen, aber sonst mit allen Mitteln.

Ärgert es Sie, wenn Kollegen das Bedürfnis weniger verspüren?

Hummels: Überhaupt nicht. Ich glaube, dass es mit elf Leuten, die auf Teufel komm raus versuchen, etwas zu verändern, nicht funktionieren würde. Es ist immer wichtig, eine gute Mischung zu haben: Spieler, die auf dem Platz etwas extrovertierter sind, und andere, die das weniger in sich tragen.

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In der vergangenen Saison wirkte es manchmal, als wollten Sie den Ball vors Tor flanken und dort selbst verwandeln. . .

Hummels: Ja, das stimmt. Ich habe mir manchmal zu viel aufgeladen. Ich merkte: Es läuft nicht so von allein wie in den Jahren zuvor. Die Saison war lang, wegen der EM war die Pause unglaublich kurz, es war unmöglich, das Niveau zu halten.

Und Sie wollten alles auf einmal?

Hummels: In so einer Situation ist es eigentlich der richtige Weg, die vermeintlich banalen Dinge zu machen: Defensivaufgaben erledigen, einfache Pässe spielen. Ich habe aber versucht, über die besonderen Momente wieder zu meinem Spiel zu finden. Das war falsch, weil die Sicherheit fehlte. Das führte zu ein paar Fehlern.

Demnach sind Sie selbst mit sich unzufrieden gewesen?

Hummels: Mit meinen Leistungen in der vergangenen Saison war ich nicht zufrieden. Das war weit unter dem, was ich mir vorstelle, und weit unter dem, was ich realistisch betrachtet zeigen muss. Alleine schon die Anzahl der Patzer.

So wie der gegen Real Madrid im Halbfinal-Hinspiel?

Hummels: Das sind Dinger, die für mich unerträglich sind. Dann will ich mich am liebsten selbst bestrafen. Die nächste Saison soll eine ganz andere werden.

Wie sorgen Sie dafür?

Hummels: Ich nehme jedes Testspiel, jede Trainingseinheit so ernst wie ein Spiel. Es sind auf diesem Niveau viele kleine Faktoren, die dazu führen können, dass man besser oder schlechter spielt. Eine Larifari-Einstellung hat da keinen Platz. Ich versuche, mich bis zum 1. August auf das bestmögliche Niveau zu hieven.

Um was zu erreichen?

Hummels: Eine bessere Bundesligasaison als die vergangene. Platz zwei ist ja in Ordnung, aber die Art und Weise hat uns nicht gefallen. Viele unnötige Niederlagen, viele Gegentore, das wollen wir abstellen.

Wie weit sind Sie als Mannschaft auf diesem Weg?

Hummels: Auf einem sehr guten, weil alle wissen, dass wir nur erfolgreichen Fußball spielen können, wenn sich die gesamte Mannschaft dem Offensiv- und dem Defensivspiel verschreibt. Das haben die Bayern letztes Jahr herausragend gemacht, das haben wir in den beiden Jahren davor herausragend gemacht. Es braucht keiner wie in der vergangenen Saison meinen, dass wir die Spiele mit ein paar Offensivkabinettstückchen gewinnen. Wir wollen wieder nach jedem Spiel das Gefühl haben, alles für den Sieg getan zu haben.

So denkt BVB-Verteidiger Hummels über den FC Bayern München 

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Wie sehr verfolgen Sie den großen Konkurrenten Bayern München?

Hummels: Gespannt, aber ohne Wertung. Es ist interessant, weil alles neu ist, ein prominenter ausländischer Trainer, ein neues Spielsystem.

Sie haben ihren einstigen Mitspieler Mario Götze für seinen Wechsel zu den Bayern in diesem Sommer kritisiert. Warum?

Hummels: Dazu gibt es nichts mehr zu sagen.

Kann denn Dortmunds Neuzugang Henrikh Mkhitaryan Götzes Abgang auffangen?

Hummels: Ich bin überrascht, dass wir es geschafft haben, ausnahmslos richtig gute Jungs zu holen. Ein bisschen geht unter, was Sokratis macht, weil der einfach fantastisch ist in der Verteidigung. Und Micki und Auba sind richtig, richtig gut. Ohne die Erwartungen jetzt zu hoch schrauben zu wollen glaube ich, dass wir unsere Verluste mehr als kompensieren konnten.

Was zeichnet Mkhitaryan aus?

Hummels: Er erinnert mich an Shinji Kagawa.