Bad Ragaz. Im Jux-Spiel gegen eine Mannschaft von Fernseh-Moderator Oliver Pocher verletzte sich Sebastian Kehl, Kapitän des Fußball-Vize-Meisters Borussia Dortmund. Zum Interview im Mannschaftshotel erscheint er daher leicht angeschlagen, aber zuversichtlich.
Sie verpassen die laut Jürgen Klopp „wichtigste Woche der Vorbereitung“. Ist das ein großes Problem?
Sebastian Kehl: Geärgert hat es mich schon, aber ich kann es ja nicht ändern. Ich denke, dass ich in den nächsten Wochen so viel trainieren kann, dass ich ein sehr gutes Niveau erreiche und wieder angreifen kann.
Nach dem verlorenen Champions-League-Finale waren Sie den Tränen nahe. Wie waren die Tage danach?
Kehl: Die Bedeutung einer Niederlage in einem solchen Spiel ist einfach gravierend. Es war eine leidvolle Erfahrung und es war gut, dass es danach in den Urlaub ging und ich die Gelegenheit hatte, mich komplett von diesem Erlebnis freizumachen. Ich habe ein, zwei Wochen gebraucht, um das zu verarbeiten.
Ist das verlorene Endspiel auch im Kreise der Mannschaft noch einmal thematisiert worden?
Kehl: Nein, jeder musste es selbst verarbeiten und es ist jetzt auch kein Thema mehr.
Können Sie sich darüber freuen, dieses Finale in Wembley immerhin erreicht zu haben?
Kehl: Der zweite Platz ist natürlich eine große Anerkennung für die tolle Leistung der Mannschaft. Wir haben viel erreicht und die Spiele gegen Malaga und Madrid waren einfach unglaublich. Das habe ich selbstverständlich genossen und das nimmt uns auch keiner.
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Aber?
Kehl: Aber trotzdem werden sich nur wenige in fünf Jahren an den Finalisten von 2013 erinnern. Ich habe auch 2002 im UEFA-Cup-Finale in Rotterdam gestanden – und 2002 im WM-Finale gegen Brasilien – beide jedoch leider nicht gewonnen. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob man ein Endspiel gewinnt oder verliert. Als älterer Spieler ist mir das vielleicht etwas bewusster. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend.
Wie groß ist die Vorfreude auf die neue Saison?
Kehl: Wir haben alle Lust auf das, was uns erwartet. Als der Trainer bei seiner Antrittsrede gesagt hat, dass er tierisch Bock auf Fußball hat, konnte man in den Gesichtern der Spieler sehen, dass es ihnen auch so geht.
Sie kämpfen wie in der vergangenen Saison vornehmlich mit Sven Bender um einen Platz im defensiven Mittelfeld. Ist Konkurrenz etwas, das einen beschäftigt?
Kehl: Ja, natürlich gehört der Konkurrenzkampf dazu. Aber es ist nicht so als wäre das in jedem Moment Thema. Wir haben einen wirklich guten Teamgedanken. Und nicht erst die letzte Saison hat gezeigt, dass jeder gebraucht wird, weil es unterschiedliche Phasen in einer Saison gibt oder verletzungsbedingte Ausfälle. Der Kader ist in seiner Breite nicht überdimensioniert und es weiß jeder, dass er wichtig für die Mannschaft ist. Es wird irgendwann eine erste Elf geben, aber die Jungs, die hinten dran stehen, sind ganz nah dran.
Kehl schließt Engagement im Ausland nicht aus
Sie haben beim BVB noch einen Vertrag bis zum Ende dieser Saison. Sie sind dann 34 Jahre alt. Haben Sie noch Träume, die Sie sich erfüllen wollen?
Kehl: Ich bin kein Träumer. Manche Dinge kann man nicht haben, andere kommen vielleicht noch. Ich freue mich auf das, was jetzt vor mir liegt. Ich werde sicher noch die Möglichkeit haben, mir den einen oder anderen Wunsch zu erfüllen. Aber erst einmal versuche ich, meine sportlichen Wünsche mit Borussia Dortmund zu erfüllen.
Wollen Sie bis zum Karriereende beim BVB bleiben?
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Kehl: Ich bin ein so offener Mensch, dass ich mir vieles vorstellen kann. In meinem Leben haben ich mir zwar alles immer hart erarbeitet, aber auch erkannt, dass sich Dinge durch Glück und Zufälle ergeben können. Es gibt viele andere spannende Aufgaben im Leben, die auf mich zukommen werden, das werde ich in dem Moment entscheiden, wenn sie mir begegnen. Ich will nicht sagen, ich mache nie mehr etwas anderes. Es kann aber auch passieren, dass ich bei Borussia Dortmund alt und grau werde.
Gibt es Signale, Sie nach der Karriere an den Verein zu binden?
Kehl: Ja, wir haben uns darüber schon mal lose ausgetauscht, aber im Moment bin ich noch Spieler und in dieser Rolle versuche ich mich zu 100 Prozent einzubringen. Wenn man absehen kann, dass sich das ändert, dann wird man zueinander finden und sich austauschen inwieweit eine andere Möglichkeit besteht.
Sie haben mal gesagt, dass Sie das Ausland reizen würde. Oder ginge das wegen Ihrer Familie nicht?
Kehl: Sie würde nicht der limitierende Faktor sein. Ob es nun für mich noch mal eintreffen sollte oder nicht: eine neue Sprache zu lernen, ein anderes Land kennenzulernen, seinen Horizont zu erweitern empfinde ich als etwas Aufregendes und Spannendes. Aus den alten Mustern zu entfliehen, kann auch mal ganz schön sein.