Dortmund. . “So wechseln zu können, ist wahnsinniger Luxus“, meint Jürgen Klopp nach dem Bundesliga-Heimsieg gegen Nürnberg. Der BVB-Trainer spricht über seine fünf Sechser Ilkay Gündogan, Sebastian Kehl, Nuri Sahin, Sven Bender und Moritz Leitner, die allesamt gegen Nürnberg zum Einsatz kamen - der eine mehr, der andere weniger.
Beim Nürnberger Trainerduo mit Michael Wiesinger und Armin Reutershahn ist Wiesinger für die Außenrepräsentation zuständig. Nach der in Dortmund mit 0:3 verlustig gegangenen Partie absolvierte er deshalb geduldig den Interviewmarathon. Es gibt ja immer etwas zu plaudern, es öffnen sich ja selbst dann noch Interpretationsspielräume im Bundesligaballsaal, wenn das Ergebnis schon die richtigen Worte gefunden zu haben scheint. 0:3 bei der unaufgeregt überlegenen Borussia, beim Doppelmeister mit dem Talenteschuppen: Was sagt uns das? Es sagt: Der 1. FC wurde vom BVB standesgemäß eingetütet.
Wiesinger trug eine lustige Skimütze, weil auch das Wetter in frostiger Stimmung war, und erklärte: "Das 3:0 hat ein bisschen meinen Eindruck verwischt. Das war ein Tor zu hoch. Bis dahin hatten wir uns gut verkauft." Bis zur 77. Minute zumindest muss der Kollege Jürgen Klopp es ähnlich empfunden haben. Erst dann nämlich hatte der BVB-Trainer Nuri Sahin eingewechselt, den Akteur, der Dortmund 2011 als König verließ und der nach seiner Rückkehr nur noch zum Hofstaat gehört. Unter strategischen Gesichtspunkten, erläuterte Klopp später, wäre ein Heimdebüt von Sahin zu einem früheren Zeitpunkt durchaus angebracht gewesen. Gegen die tief und am Mann stehenden Nürnberger hätte der die Spezialbegabung abrufen und mit extralangen, schnurgeraden und präzisen Pässen für Unheil sorgen und die wirklich beruhigende Führung eher einleiten können. Überlegungen psychologischer Natur haben den Wechsel jedoch hinausgezögert.
Klopp: "Vorne drei, hinten null, alles gut"
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"Eigentlich", befand der Trainer, "kann Nuri die Bälle perfekt spielen, die wir gebraucht hätten." Was aber wäre gewesen, wenn diese beiden Treffer von Jakub Blaszczykowski durch Elfmeter in der 18. und durch Einschieber in der 21. Minute gekontert worden wären? Was wäre gewesen, wenn Sahin den Rasen betreten und der Wind sich dann gegen die Schwarzgelben gedreht hätte? Dann hätten sich Interpretationsspielräume geöffnet, in die Klopp gar nicht hineinschauen mag. So ist alles glatt gelaufen. Sahin spielte noch ein wenig mit, in der 88. Minute ballerte Robert Lewandowski das 3:0, und der Trainer konnte verkünden: "Vorne drei, hinten null, alles gut."
Gut, nicht vollkommen. Für Vollkommenheit steht die Drei in vielen Religionen. Im Fußball steht sie nur für die Klarheit des Resultates. "Wir haben nicht das Gefühl, ein perfektes Fußballspiel gemacht, aber wir haben das Gefühl, hochverdient gewonnen zu haben", sagte Klopp und wirkte satt zufrieden. Wegen der Drei vor der Null, wegen der drei Punkte, die den BVB auf Augenhöhe mit Bayer Leverkusen gebracht haben, dem nächsten Gegner und widerborstigsten Kontrahenten im Kampf um die Champions-League-Plätze. Und weil am Ende alle Mitglieder der Fünferbande von der Sechs dosiert im Einsatz gewesen waren.
BVB hat "richtig Qualität"
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"Wahnsinniger Luxus" sei es, "so wechseln zu können, mit Bender, Sahin und Leitner", schwärmte Klopp nach dem Erfolg gegen die Biedermänner, die in Halbzeit eins zwei Großchancen durch Tomas Pekhart und Markus Feulner verzeichneten und ansonsten so lange froh und munter waren, wie es lediglich 2:0 hieß. Ein Ausdruck von wahnsinnigem Luxus ist es aber natürlich auch, wenn ein Trainer sich gegen die als richtig erkannte strategische Maßnahme entscheiden kann. Der Sechser Sebastian Kehl bot die gewohnt bissig-souveräne Leistung des Erfahrenen, der Sechser Ilkay Gündogan hatte 147 Ballkontakte, Bundesligahöchstwert, der Pass, den der spezialbegabte Sechser Sahin spielen kann, resultierte daraus aber nicht. Und doch schwelgt Borussia Dortmund im puren Luxus. "Wir wissen schon dass das richtig Qualität ist", bekannte Klopp. Und Qualität, wenn sie in Menschen steckt, wird eben am besten durch ein Psychologenhändchen ans Tageslicht gebracht.