Dortmund. . Borussia Dortmund zeigte beim 5:0 gegen Borussia Mönchengladbach, was in Zukunft möglich sein. Der ehemalige Gladbacher Marco Reus legte einen grandiosen Auftritt hin und erzielte zwei Tore. Die Gladbacher erkannten, was sie verloren haben.
Er steht dort in Gelb, schmal und blass, und sein Blick geht hinüber zur Treppe, über die gerade Roman Weidenfeller mit Freundin in der Nacht verschwindet. Wie in Wellen rollen Fragen an Marco Reus heran, Fragen aus einem Pulk von Journalisten, der Antworten haben möchte, die Reus nicht wirklich liefern kann. Wie soll ein Künstler sein Werk erklären, das sehr viel auf Intuition, Kreativität, Bauchgefühl gründet? Ein scheuer Künstler zumal, ein Künstler, der eher das leise Wort liebt und in diesem Moment sehr gerne den Weg aus dem Scheinwerferlicht nehmen und Roman Weidenfeller folgen würde.
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Marco Reus hat ein großartiges Kunst-Stück geschaffen, hier im Dortmunder Stadion, in dessen Untergeschoss er nun bei den Reportern angelangt ist. Auf dem Rasen hat er die Massen begeistert, hat seine neue Mannschaft Borussia Dortmund zu einem 5:0-Sieg gegen seine alte Mannschaft Borussia Mönchengladbach geführt, hat zwei fabelhafte Tore erzielt und zur Bewertung seiner Leistung werden, wie das häufig in diesem Geschäft der Fall ist, martialische Begriffe herangezogen. Reus sei „eine Granate“, urteilte sein Mitspieler Neven Subotic nach dem Abpfiff, das Boulevardblatt wird am anderen Tag von der „Rakete Reus“ schreiben.
Fabelhafter Volltreffer zum 1:0
Dabei ist doch ein Künstler am Werk. Einer, der auch seinen Eingebungen folgt. Einmal wählte er den linken Fuß zum Abschluss, einmal den rechten, und es entstanden Tore, wie man sie schöner nicht malen kann. Es war eine Pointe beim ersten Treffer, dass die Vorlage von Patrick Herrmann kam, seinem ehemaligen Zuspieler in Gladbach, der jetzt, da Reus gegangen ist, verzweifelt jemanden sucht, der es versteht, mit ihm zu kombinieren. Reus zog mit Herrmanns Ball davon und schob erst Roel Brouwers, dann Marc-Andre ter Stegen die Kugel durch die Beine. Soto Dominguez blieb ein Schicksal wie seinen Mannschaftskameraden erspart. Er rutschte weg, als der Dortmunder auf ihn zustrebte.
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Reus wickelte die ganze Aktion in einer Hochgeschwindigkeit ab, der das Auge kaum folgen konnte. Manches Detail erschloss sich für den Zuschauer erst bei der Betrachtung der Zeitlupe. Der fabelhafte Volltreffer zum 1:0, der den BVB nach schleppendem Beginn auf die Straße des Erfolges brachte, war – wie sich zu aller Überraschung herausstellte – noch nicht einmal der Höhepunkt des Abends.
„Keiner wusste, wo der Ball hinfliegen wird, außer Marco“, staunte Jürgen Klopp über Reus’ zweites Tor, ein Tor aus dem Nichts. Diesem Schuss von der Strafraumkante über den Schlussmann hinweg in den weit entfernten Torwinkel lag Phantasie zu Grunde, aber auch Kalkül. Der Künstler entschied sich im Bruchteil einer Sekunde zu seinem Versuch, „obwohl es im Training nie geklappt hat“, bezog aber zugleich sein Wissen aus Mönchengladbacher Zeiten mit ein: „Ich habe lange mit ter Stegen zusammengespielt und weiß, wo er ungefähr steht“. Jürgen Klopp fand für den Treffer seines 17,2-Millionen-Einkaufs ein einziges Wort: „Weltklasse.“ Derart hoch benotet, stellt sich die Frage, in welcher Kategorie Reus landen soll, wenn eintritt, was Klopp ankündigt: „Er wird irgendwann unser Spiel gefressen haben, und dann wird er noch stärker.“
Reus bewegte sich in einem Spannungsfeld der Gefühle
Der Nationalspieler führte den Dortmundern verlockend vor Augen, was in Zukunft möglich sein kann. Den Gladbachern machte er schmerzhaft deutlich, was sie verloren haben. Dabei bewegte sich Reus in einem Spannungsfeld der Gefühle. Nach seinem ersten Tor verzichtete er „aus Respekt“ auf jeden Jubel, nach dem zweiten Treffer hob er spontan den Arm, hielt sich dann aber wieder zurück. Seine Reaktion erinnerte ein wenig an Angela Merkels Auftritt in Dortmund, der Kanzlerin fiel auch erst mit Verspätung ein, dass sie in ihrer Rolle besser neutral sein sollte. „Ich hatte drei tolle Jahre in Gladbach, die mich sehr geprägt haben“, sagte Reus.
Da stand er immer noch unten im Gang bei den Medienleuten, Weidenfeller war schon lange weg, aber aus der Spielerkabine wummerte Musik. Einer war noch dort, Mario Götze, sein bester Kumpel. Der kam dann, um ihn abzuholen. „Laber’ nicht ‘rum“, sagte Götze zu dem Künstler, der doch sowieso lieber schweigen wollte. Da endlich durfte Reus die Treppe nach draußen nehmen.