Dortmund. Spontan verlegte Meistertrainer Jürgen Klopp den Zapfenstreich auf zwei Uhr. Am Morgen erschienen alle Spieler dann pünktlich zum gemeinsamen Frühstück. Seit Sonntag bereiten sich die Dortmunder nun auf das Pokalspiel gegen den FC Bayern München in Berlin vor.
Es ist ein Ritual und am Meistersamstag gab es dieses vielleicht zum letzten Mal: Wenn das Tagwerk am frühen Abend geschafft ist, fährt BVB-Mediendirektor Josef Schneck, der im Sommer in den Ruhestand geht, seinen Trainer Jürgen Klopp von der Mixed-Zone einmal um den halben Signal Iduna Park auf die Vip-Parkplätze an der Westtribüne. Für beide ist es immer ein Moment des entspannten Gesprächs, der Einkehr und der Ruhe, an die zweieinhalb Stunden vorher niemand denken konnte.
Abpfiff im Signal Iduna Park, der BVB ist zum achten Mal Deutscher Meister. Ein Stadion feiert und die Mannschaft tritt langsam den Weg auf die Westtribüne an, um den Lohn für eine anstrengende wie erfolgreiche Saison entgegenzunehmen. Die Meisterprofis entern langsam die Westtribüne, marschieren in Block 27, färben den „Schnitzelblock“ mit den Vips richtig schön gelb ein. Stadionsprecher Norbert Dickel begrüßt jeden Spieler, jeden Physio, jeden Trainer per Stadion-Mikro. Es wird der schönste Lauf-Weg der Saison. Von Ligapräsident Reinhard Rauball gibt es eine Umarmung, von Bundesliga-Geschäftsführer Christian Seifert die Meistermedaille um den Hals. Unten, auf dem Rasen, brechen die Ordner-Dämme, die Fans von der Südtribüne stürmen den Rasen. Sie rennen zum Freiburger Fanblock, packen Titelrasen ein und bauen Minuten später ein Tor ab.
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„Wir hätten gerne noch ein offizielles Meisterfoto gemacht. Und eine Ehrenrunde gedreht. Aber um die haben sich die Fans selbst gebracht“, wird Jürgen Klopp später sagen.
Die Spieler beobachten den Platzsturm durchaus belustigt. Und um Punkt 17.32 Uhr geht noch mal so richtig die Post ab. Reinhard Rauball übergibt die Schale. Kapitän Sebastian Kehl ist erst mal besonders zärtlich: Ein Kuss, dann reckt er die Trophäe in die Dortmunder Luft. Das gute Ding macht die Runde. Lukasz Piszczek, Toni da Silva, Shinji Kagawa und schließlich Reinhard Rauball, der die Schale als Präsident des alten und neuen Meisters in die Hände nimmt. Kevin Großkreutz macht derweil den Gotthilf Fischer und ist Vorsinger für den großen Dortmunder Meisterchor auf dem Rasen und auf der Süd. Die BVB-Spieler tanzen, feiern und marschieren über die Nordtribüne in die Katakomben der Osttribüne und in ihre Kabine. Patrick Owomoyela läuft auf Krücken. „Schneller als auf dem Rasen“, lästert ein Mitspieler. Florian Kringe, der den BVB im Sommer verlässt, trägt stolz die Schale. „Bambule, Randale, Dortmund hat die Schale“, grüßt eine schwarzgelbe Fangruppe ihr Team. Die Fans haben Meisterrasen in den Bierbechern und stimmen anschließend „An Tagen wie diesem“ von den Toten Hosen an - die BVB-Meisterhymne. Während die Mannschaft in ihren vier Kabinen-Wänden moderat feiert, geht Jürgen Klopp zur Pressekonferenz. Und dort ist die Meisterstimmung plötzlich gedämpft. Ein älterer Mann ist im Meistertrubel auf den Rängen kollabiert. Notärzte kümmern sich um ihn, tragen ihn in einen wartenden Rettungswagen. Die letzte Bundesliga-Konferenz wird für Mediendirektor Josef Schneck eine seiner schwersten: „Wir wünschen dem Herrn alle gute Besserung.“
Unten, in den Stadion-Katakomben, bekommen die feiernden Massen nichts von dieser Dramatik mit. Die Spieler, frisch geduscht, traben durch die verschlungenen Gänge ihres Stadions langsam zurück in den Vip-Bereich auf der Westtribüne. Ab neun Uhr ist Feier im „View“ im Dortmunder U. Mit Zapfenstreich um ein Uhr. Jürgen Klopp verlängerte ihn spontan auf zwei Uhr. Am Sonntagmorgen waren alle Spieler pünktlich beim gemeinsamen Frühstück.
„Wir haben nächsten Samstag noch was vor. Wir wollen Historisches erreichen“, sagt Kapitän Sebastian Kehl mit Blick auf das Double. Teammanager Fritz Lünschermann, der vor einem Jahr nach der Meisterfeier 2011 neben der Schale in seinem Bett aufwachte, hat sich erneut das gute Stück gesichert. Den großen Koffer mit der Schale packt er ins Auto. „Und wieder ein Jahr polieren“, sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Fast gleichzeitig mit Jürgen Klopp und Josef Schneck kommt Minuten später Franz Beckenbauer aus dem Sky-TV-Studio und steigt in das wartende Auto. „Ich hätte die Schale gerne wieder mit nach München genommen“, sagt der Bayern-Ehrenpräsident und Fußball-Kaiser. „Aber jetzt freue ich mich auf das Pokalfinale.“
BVB feiert die Meisterschale