Dortmund. Schon wieder Schalenfeiertag: Der Traum von einer Ära für Borussia Dortmund mit dem Führungstrio Hans-Joachim Watzke, Jürgen Klopp, Sportdirektor Michael Zorc und dieser Mannschaft war kein Hirngespinst. Aber eine Ära braucht eben auch Demut. Ein Kommentar.

Schalenfeiertag in Dortmund. Schon wieder Schalenfeiertag. Und ganz nebenbei hat der BVB mit einem abschließenden, eigentlich doch völlig bedeutungslosen und doch wieder einmal beeindruckenden 4:0-Sieg über den SC Freiburg auch noch einen Rekord gebrochen. Einen weiteren Rekord. 79 Punkte hatte der beste Meister der Bundesligageschichte bisher am Ende einer Saison. Die Schwarzgelben holten 81. Natürlich. Dieser Klub, diese Mannschaft, ist hungrig. Hungrig nach Erfolgen. Ja, gierig. Und doch ist Borussia Dortmund auch der etwas andere Deutsche Meister, der etwas andere Schon-wieder-Deutsche-Meister.

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Der Begriff Demut taucht in den riesigen Sprechblasen, die über der Bundesliga schweben, selten auf. Demut. Kann diese Demut nicht auch schaden? Bedroht diese Demut nicht massiv das kompakte Selbstbewusstsein, das wir brauchen, um in dem Becken bestehen zu können, in dem sich Haie, Haie, so weit das Auge reicht, Haie tummeln? Demut bedeutet aber nicht nur auf den Fußball bezogen schlicht: nicht überzuschnappen im Erfolgsfall. Und Hans-Joachim Watzke, Borussia Dortmunds Geschäftsführer, verfügt zwar nicht über das Urheberrecht für die Begriffseinschleusung in die Riesenblasen, doch er verwendet ihn gern, er verwendet ihn häufig. Wir werden weiterhin Demut zeigen. Wir müssen demütig bleiben.

BVB stand 2005 mit einem Bein über dem Abgrund

Wenn der Erfolg nicht nur einmal in einer rauschhaften und die Nation verblüffenden Weise eingefahren wurde, wenn er sich eingenistet hat, wenn er sich erst sesshaft gemacht hat, dann wird es allerdings immer schwieriger mit der Demut. Dann will man diesen Erfolg behalten, dann will man nicht mehr, dass er herumvagabundiert. Beispiele dafür gibt es viele. Ein Beispiel dafür lässt sich in der Historie des BVB finden, das alle anderen Beispiele überstrahlt. Im frühen Jahr 2005 noch stand der Traditionsklub mit einem Bein über dem Abgrund, in dem die Insolvenz lauerte. Er stand vor dem finanziellen und damit vor dem sportlichen Aus. Drei Meisterschaften zwischen 1995 und 2002, die Trophäe in der Champions League und der Weltpokal 1997 waren zu teuer, viel zu teuer erkauft worden. Weil es an Demut mangelte.

Die Schwarzgelben haben aus der von Eitelkeit befeuerten Beinahe-Katastrophe gelernt. Der Titel 2011, dieser rauschhaft eingefahrene, dieser verblüffende Titel, hat keinen Kaufwahn ausgelöst. Der BVB wollte nicht mit allen zur Verfügung stehenden oder zusammen gepumpten Mitteln die Schale verteidigen. In die Saison 2011/2012 gestartet ist der neue und alte Deutsche Meister deshalb nicht als Favorit. Schließlich hatte der FC Bayern München die Muskeln spielen lassen. Er war über den Markt spaziert und hatte hier und da zugegriffen, im Hochpreissegment, da, wo Qualität erwartet werden kann.

Talent- und Leidenschaftsfußball

Dortmund dagegen verlor Nuri Sahin an das königliche Ensemble von Real Madrid. Ausgerechnet Sahin, den Ur-Dortmunder, den Führungskopf, den herausragenden Akteur der Titelspielzeit nach dem großen Umbruch. Und doch machten die Borussen – nicht ohne zwischenzeitlich in Täler zu geraten, nicht makellos, sondern auch kämpferisch – umsichtig und klug und mit Herz da weiter, wo sie aufgehört hatten. Mit dieser immer noch sehr, sehr jungen Mannschaft. Mit diesem Talent- und Leidenschaftsfußball, den sich all die Fans wünschen müssen, die von Erfolg allein einfach nicht satt werden.

Dass dem BVB bundesweit, ja, weltweit wieder Respekt entgegen gebracht wird, hat auch mit diesem Fußball zu tun, den Jürgen Klopp inszenieren, den der Trainer auf den Weg bringen kann. Schwarzgelb ist attraktiv, weil Schwarzgelb auch am vorletzten Spieltag, auch an einem Spieltag, an dem die Meisterschaft schon gesichert und der Gegner ein bereits ausgerufener Absteiger ist, nicht in Lethargie verfällt. Weil all diese Jungs und Männer, auch all diese Jungs und Männer aus den Reihen eineinhalb oder zwei, Lust auf Fußball haben, Lust auf Offensive, Lust auf einen weiteren Erfolg in dieser Gemeinschaft.

Dortmund ist zum Titel geeilt

Lethargie, Nachlässigkeit gegenüber dem 1. FC Kaiserslautern, dem Absteiger, hätte allerdings auch bedeutet: Geringschätzung. Und diese Art der subtilen Demütigung des Gegners, die im Fußball unter der Maske des Schonens für höhere Aufgaben weit verbreitet ist, kommt im Werterepertoire von Jürgen Klopp nicht vor. Der BVB ist also konsequent ehrlich zum zweiten, zum noch schwieriger zu erobernden Titel geeilt. Und er ist auch konsequent ehrlich schon in der Vorrunde aus der Champions League am Mangel an Erfahrung gescheitert.

Egal, was die Bayern reden: Der Traum von einer Ära für Borussia Dortmund mit dem Führungstrio Hans-Joachim Watzke, Jürgen Klopp, Sportdirektor Michael Zorc und dieser Mannschaft war dennoch kein Hirngespinst. Die nächste Entwicklungsstufe ist erreicht. Aber eine Ära braucht eben auch Demut. Und naturgemäß braucht sie: Zeit.