Dortmund. Meister Borussia Dortmund ist bemüht, die verschenkten Punkte gegen Stuttgart mit positiven Gedanken zu versehen. Obwohl die Spieler und Trainer Jürgen Klopp unzufrieden waren, ist der Verein von der eigenen Stabilität überzeugt.

Die Stimme klingt ein wenig rau, beinah verkatert. Hans-Joachim Watzke hat wenig geschlafen, mindestens in der Nacht zu Samstag. Immer wieder gingen dem BVB-Boss die Bilder durch den Kopf: die letzte Flanke, der finale Fehler, der Ausgleich des VfB Stuttgart zum 4:4 in letzter Sekunde. Die Springflut aus Adrenalin, die am Freitagabend in Gestalt eines unvergesslichen Fußballspiels speziell durch Dortmund, aber genau so mitreißend durch den Rest der Bundesliga-Republik gerauscht war, ist zwei Tage später ein wenig abgeebbt. Zurück bleiben Fragen.

Wie konnte es dazu kommen, dass Borussia Dortmund zweimal wie der sichere Sieger aussah und es am Ende doch nicht war? Wie konnte die beste Abwehr der Liga in nur acht Minuten so viele Gegentore kassieren wie sonst in einem halben Dutzend Spielen? Die zweifelsfrei entscheidende Frage aber lautet: Was bedeutet all das - mal abgesehen von einem auf drei Punkte zusammengeschrumpften Vorsprung - für das Duell um den Titel mit dem Verfolger FC Bayern München? In neun Tagen schon treffen beide Teams in Dortmund aufeinander. Es sind die Tage, in denen die Meisterschaft vorentschieden wird. Tage, in die der BVB die Erlebnisse von Freitag mitnimmt. Ob er sie hinter sich herschleppt wie einen Sack Schrauben oder ob sie ihn hineintragen, bleibt abzuwarten.

Klopp und die Spieler gaben sich wortkarg

Reglos lagen manche der Spieler am Freitagabend auf dem Rasen, unfähig auch nur irgendeine Bewegung zu vollführen. Wortkarg und mit nach unten gezogenen Mundwinkeln stapften die meisten später von dannen, Trainer Jürgen Klopp versuchte sich zum Abschied vom Ort des Wahnsinns an einem Lächeln, scheiterte aber.

Er rief sich das fast ähnlich denkwürdige Spiel gegen den FC Schalke 04 ganz am Anfang seiner Tätigkeit in Dortmund ins Gedächtnis. 0:3 stand’s zur Halbzeit, weitere Schalker Treffer waren gut möglich, aber Dortmund drehte das Spiel zum 3:3. „Rückblickend war das damals der Beginn von etwas ganz Wunderbarem. Vielleicht ist das ja mit diesem Spiel hier ähnlich.“

Watzke sah Bayern am Fernseher gewinnen

An eine Langzeitwirkung dieser späten Enttäuschung gegen mutige, entschlossene und unnachgiebige Stuttgarter glaubt in Dortmund niemand. Das wäre ja auch fatal. „Natürlich war das von der Dramaturgie her unglücklich für uns“, sagt Hans-Joachim Watzke, „aber am nächsten Tag sieht man wieder klarer und weiß, dass dieses Unentschieden kein Beinbruch ist und dass wir aus den elf Rückrundenspielen neun Siege und zwei Unentschieden geholt haben.“ Erstaunliche Werte, ebenso erstaunlich ist aber, dass Bayern mehr denn je in Schlagdistanz lauert. Watzke saß vor dem heimischen Fernseher, als München in Nürnberg antrat. „Die Bayern haben gerade eine Serie und in Nürnberg ist passiert, was immer in solchen Serien passiert: Sie gewinnen, zwar zäh, aber sie gewinnen. Aber sie werden auch wieder Punkte abgeben. Die einzige Konstante ist, dass du in der Liga nicht 15 Spiele hintereinander gewinnst.“

Gegen Wolfsburg soll die Serie fortgesetzt werden

Aber 22 Spiele in Folge ungeschlagen, das geht offenbar, das ist die Marke, die der BVB nun erreicht hat. Sie sei für die Zukunft nicht bedroht von diesem späten Wirkungstreffer. „Diese ganze Hobby-Psychologie“, sagt Watzke, „ist doch Müll. Wir bleiben stabil. Wir sind in keiner Weise irgendwelchem Druck ausgesetzt.“ Acht Tage liegen zwischen dem jüngsten und dem kommenden Spiel in Wolfsburg. Genug Zeit, sich zu sammeln. Genug Zeit auch, um ein bisschen Schlaf nachzuholen.

Die Bilder sind verschwunden aus Watzkes Kopf. Sagt er. „Ich merke das bei mir selbst: Dieses Spiel hat doch heute schon keine Bedeutung mehr für mich. Das ist abgehakt, das ist erledigt, das spielt gar keine Rolle.“