Dortmund. . Die Beobachter im Stadion waren sich einig, dass Lucas Barrios am Samstag nach dem Spiel leise Abschied nahm. Abschied von der Südtribüne, Abschied von der Borussia und Abschied von der Bundesliga überhaupt.

„Reisende soll man nicht aufhalten“, sagt bekanntlich der Volksmund, und doch ist es schade, dass dieser Handelsreisende in Sachen Fußball offenbar nicht länger bleiben will.

Lautstarke „Lucas“-Rufe schon bei seiner Einwechslung zeigen, welchen Stellenwert sich der gebürtige Argentinier beim BVB und seinen Anhängern erworben hat. Daraus sprachen jede Menge Respekt und Dankbarkeit für den Mann, der seinen 19 Toren in der Debüt-Saison weitere 16 folgen ließ, mit denen der einstige „Welttorjäger“ als bester Schütze seines Teams großen Anteil an der Sensations-Meisterschaft hatte. Darf man so einen überhaupt gehen lassen?

Nicht um Platz gekämpft

So schwer es fällt, ich glaube, man darf nicht nur, man muss sogar. Barrios ist nicht damit klargekommen, dass Robert Lewandowski ihm den Rang als „Platzhirsch“ im Sturm der Meistermannschaft abgelaufen hat. Mal abgesehen von seinem Kurzauftritt gegen Hoffenheim hatte man bei seinen Einwechslungen nicht zwingend das Gefühl, dass da einer entschlossen um seinen verlorenen Stammplatz kämpft.

Dass man das Schicksal Ersatzbank auch anders angehen kann, zeigt aktuell das Beispiel Jakub Blaszczykowski. Der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft war alles andere als zufrieden mit seinem Status im BVB-Team, auch er äußerte sein Missfallen darüber. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, sportlich seine Chance zu suchen und - Stand jetzt - eindrucksvoll zu nutzen. So geht es eben auch! Sich dem Trainer so aufzudrängen, dass er einen gar nicht draußen lassen kann, ist nämlich auch eine Variante.

Auch wenn im Fall Barrios die Vorzeichen angesichts nur einer freien Planstelle auf seiner Position schlechter standen als bei Kuba, ist es dennoch schade, dass sich der paraguayische Nationalspieler dieser Herausforderung nicht stellen mochte.

Finanziell lukrativ

Für Borussia Dortmund wäre ein Weggang vermutlich finanziell lukrativ, sportlich indes eine Schwächung. Solange Robert Lewandowski sich so stabil präsentiert wie bisher, gibt es keine Probleme. Allerdings ist auch Lewandowski nicht davor gefeit, in eine Formkrise zu geraten oder mal verletzungsbedingt auszufallen. In dieser Situation wäre der Verein mit Barrios sicher besser als dran als ohne den treffsicheren Stürmer.

Dennoch hat die sportliche Leitung sicher gute Gründe, auf einen unzufriedenen Spieler zu verzichten, vom dem die latente Gefahr ausgeht, mit seiner schlechten Stimmung Teile der Mannschaft anzustecken. Und bisher hat der BVB noch jeden Ausfall in beeindruckender Weise weggesteckt, unabhängig davon, wie wichtig der Spieler vorher zu sein schien. Als Neven Subotic das Gesicht eingeschlagen wurde, sprang Felipe Santana derart bravourös ein, als ob er nie etwas anderes getan hätte, als neben Mats Hummels zu verteidigen.

Renaissance von Shinji Kagawa

Als Sven Bender übel aus dem Geschehen getreten wurde, wurde das weggesteckt, als sei „Manni“ nur einer von vielen. Mario Götzes Ausfall fällt glücklicherweise genau in eine Phase, in der sich Kuba endlich dazu entschlossen zu haben scheint, dauerhaft Leistungsträger zu sein. Und er fällt zusammen mit der erfreulichen Renaissance von Shinji Kagawa, der endlich wieder in bestechender Form ist und seine Leistungen aus der furiosen Anfangsphase in Dortmund teilweise sogar noch übertrifft. Diese Mannschaft, egal in welcher Zusammenstellung, ist auf dem besten Wege, erneut eine große Saison zu spielen.

Schade, dass Lucas Barrios nach „nur“ zweieinhalb Jahren in Schwarz-Gelb eben nicht so in Dortmund verwurzelt ist, dass er daran unbedingt teilhaben möchte. Vielleicht noch mal auf dem großen Wagen durch die Stadt gefahren zu werden. Oder, auch das ist ja durchaus drin, zu erleben, wie 50.000 Dortmunder friedlich in die Hauptstadt einfallen und ein Pokalfinale in Berlin zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Wenn es so kommt, ist es schade, dass wir das allem Anschein nach ohne Lucas Barrios tun werden. Aber unvermeidbar, denn Reisende soll man nicht aufhalten. Alles Gute, Lucas - und Danke für die schönen Momente!

Uli Vonstein (www.gibmich-diekirsche.de), 30. Januar 2012