Dortmund. Trotz schwächender Verletzungen, offensichtlicher Anpassungsprobleme und kaum erklärbarer Konzentrationsschwierigkeiten hat der BVB Platz zwei erobert - und ist deshalb erster Herausforderer des FC Bayern. Ein Kommentar.
Es sind nicht alle Kölner als Verlierer in die Domstadt zurückgekehrt. Zumindest die Fans des 1. FC haben einiges gewonnen beim 0:5-Debakel in Dortmund, einiges an Sympathie. Sie hätten nämlich die 90 Minuten währende Löschung ihres Klubs aus dem Vereinsregister auch anders aufnehmen können als mit Ironie, mit „Oh, wie ist das schön“-Gesängen und der lauten Forderung: „Wir wollen die Mannschaft sehen“.
Dass ihr Klub seine kleine Erfolgsserie bei den Borussen mit einem Ausflug ins Reich der Finsternis beendet hat, ist den Fans aber natürlich nicht entgangen. Sie sind nur nicht mit ernsthafter Aggression gegen die Spieler und Trainer Stale Solbakken ins Feld gezogen. Bedeuten muss das über die Partie hinaus gar nichts. BVB-Trainer Jürgen Klopp weiß das und hat seinem Kollegen deshalb gewünscht, er möge in Ruhe seine Arbeit verrichten können.
Diese Ruhe, die in Dortmund nach Jahren der Turbulenzen gehütet und verteidigt wird wie ein Heiliger Gral. Nach dem 1:3 bei Olympiakos Piräus in der Champions League waren ja auch auf die schwarzgelbe Mannschaft schon Schatten des Zweifels gefallen. Es wurde nach Ursachen für den Leistungsabsturz gesucht. Es wurde analysiert, spekuliert,verurteilt. Es wurde aus dem Speziellen, dieser einen Niederlage, das Allgemeine abgeleitet. Der BVB? Der funktioniert nicht mehr.
Klopp schenkt der Substanz seiner Mannschaft Vertrauen
Mit der Köln-Löschung hat der Meister sich zurückgemeldet. Und er hat sich zurückgemeldet mit fast exakt dem Personal in der ersten Elf, das in Griechenland so wirkte, als wolle es den Streik der einheimischen Bevölkerung durch eigene Arbeitsniederlegung unterstützen. Hätte eine Momentaufnahme wie diese im Fußball tatsächlich Gültigkeit: Klopp hätte den Radierer ansetzen und fast alle Namenszüge, die auf dem Aufstellungsbogen von Piräus verzeichnet waren, unkenntlich machen müssen.
Stattdessen hat der Trainer nicht der Momentaufnahme, sondern der Substanz seiner Mannschaft Vertrauen geschenkt. Und diese Substanz ist so groß, dass trotz zwischenzeitlich schwächender Verletzungen, trotz offensichtlicher Anpassungsprobleme, trotz kaum erklärbarer Konzentrationsschwierigkeiten Platz zwei erobert werden konnte. Das adelt Borussia Dortmund zum ersten Herausforderer des FC Bayern München. Der hat sich in Hannover zwar bereits Saisonniederlage zwei eingehandelt, verfügt aber dennoch ebenfalls über eine gewisse Substanz.