Bremen. Meister Borussia Dortmund beeindruckte in Bremen. Schon ernennen die Bayern den BVB zum einzigen Konkurrenten um Rang eins. Und der BVB ist auf der Jagd auf den verloren gegangenen Spitzenplatz.
Vielleicht muss man mit Bayern München beginnen, um ermessen zu können, was da an diesem Spieltag bei Borussia Dortmund passiert ist.
Karl-Heinz Rummenigge hat jedenfalls gut 24 Stunden nach dem 2:0-Sieg der Borussen in Bremen keine Sekunde überlegt, als er auf die Frage antworten sollte, ob ihm denn überhaupt noch eine Mannschaft einfalle, die seine Bayern in dieser Saison auf dem Weg zum Titel gefährden könne: „Ja, Borussia Dortmund“, sagte Münchens Vorstandschef, und das unmittelbar nach dem 4:0 seines Teams über Hertha BSC. Man darf also getrost davon ausgehen, dass der BVB mit seinem Sieg in Bremen mächtig Eindruck gemacht hat: auf die Bayern, und auf sich selbst. Der Meister ist zurück bei seiner Jagd auf den verloren gegangenen Spitzenplatz.
Ob er denn überhaupt weg war, daran haben sich zuletzt die Geister geschieden. Unbestritten zeigte die ein oder andere Formkurve nach unten, etwa bei Shinji Kagawa, Kevin Großkreutz oder Neven Subotic. Es ging um sinkende Kreativität, um verschwenderischen Umgang mit Chancen und, was Trainer Jürgen Klopp schon mal grantig werden lässt, um verloren gegangene Leichtigkeit. Probleme also überall? Vielleicht muss der BVB auch nur erfahren, dass die Ansprüche nach einer Meisterschaft automatisch wachsen und man wenig dagegen tun kann.
Man kann wohl nur versuchen, damit umzugehen. Nach dem Sieg in Bremen stimmen Bilanz und äußerlicher Eindruck wieder. Probleme also passé? „Wir hatten nie welche“, sagte Hans-Joachim Watzke. „Aber ab und zu“, ergänzte Borussias Geschäftsführer, „sollte man so ein Spiel gewinnen, um das nach außen dokumentieren zu können.“
Lehrgeld gezahlt
In Bremen war’s bestimmt kein Sieg der Leichtigkeit, aber um mal die Kirche im Dorf zu lassen: Wer gewinnt dort schon mit spielerischer Leichtigkeit? Vielleicht war es genau die Art von Sieg, die Borussia benötigt hat. Nach dem Platzverweis gegen Ivan Perisic unmittelbar nach der Pause rannte, kämpfte und ackerte die Mannschaft zu zehnt mit Leidenschaft gegen die permanent, aber permanent falsch anrennenden Bremer, um ihre 1:0-Führung durch Perisic über die Zeit zu retten. „Das war richtig geil“, jubelte Neven Subotic hinterher, „ich hatte unheimlich Bock zu grätschen und mich in die Schüsse zu hauen. Das haben wir gebraucht, und ich liebe das.“
Dass aus dem 1:0 ein 2:0 wurde: Man lässt das am besten Patrick Owomoyela mit einem Satz erzählen. Monatelang verletzt, immer wieder zurück- und in Bremen von seinem Coach für den verletzten Lukasz Piszczek ins Spiel geworfen. Erst wacklig, dann der Borusse mit den meisten gewonnenen Zweikämpfen und schließlich gegen seinen Ex-Verein der Torschütze zum 2:0: „Das sind Geschichten, die so nur der Fußball schreibt.“ Was soll man da noch anfügen? Vielleicht, dass Owomoyela anschließend sehr klug und sehr bescheiden darauf verzichtete, irgendwelche Ansprüche zu stellen: „Wenn der Lukasz am Mittwoch wieder fit ist, dann hat der Trainer gute Argumente, ihn zu bringen.“
Tja, der Mittwoch. Dann spielt der BVB in der Champions League in Griechenland bei Olympiakos Piräus, und nachdem in der Bundesliga selbst die Bayern ihren Respekt vor dem Meister bekunden, wäre es an der Zeit, in der Königsklasse nicht länger Lehrgeld zu bezahlen. Das hat Dortmund zuletzt mit dem 0:3 bei Olympique Marseille überreichlich getan, und jetzt spielt die Borussia um die letzte Chance, nicht vorzeitig aussichtslos zurück zu fallen.
Sportlich muss man sich nach dem Auftritt in Bremen die geringsten Sorgen machen. Eher scheint der drohende Generalstreik im krisengeschüttelten Griechenland den Verein zu beunruhigen. Da nun kommt Werder Bremen zurück ins Spiel. Mit hanseatischer Gelassenheit gab Trainer Thomas Schaaf den Borussen auf den Weg: „Ihr werdet hinkommen, ihr werdet spielen. Und irgendwie kommt ihr auch zurück.“ In München scheint man das durchaus als Drohung aufzufassen.