Dortmund. Borussia Dortmund verliert 0:3 bei Olympique Marseille – auch weil die Spielanlage des Meisters modern ist. „Wir dürfen das Spiel dadurch unterbrechen, dass wir den Ball ins Aus dreschen“, sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp düster.
Sogar nach dem Schlusspfiff von Marseille hatten Dortmunder Probleme. Etwas verwirrt und sehr besorgt waren Reinhard Rauball und Hans-Joachim Watzke in den verwinkelten Gängen des Stade Velodrome unterwegs. Sie suchten die Mannschaft, der von Gastgeber Olympique das Nervenkostüm zerrissen und eine schonungslose 0:3-Niederlage zugefügt worden war. Erst als ein französischer Muskelberg den Weg zu den Hilfsbedürftigen wies, wirkten der Präsident und der Geschäftsführer etwas entspannter. Und nicht viel später verkündete Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp auch noch beruhigend, dass die Niederlage pur bereits schlimm genug gewesen sei, man wolle unter ihr nicht auch noch „leiden“.
Klopp meinte das so: Durch die Niederlage gegen das konterstarke Trüppchen von Trainer Didier Deschamps hat sich in der Tabelle der Gruppe F in der Champions League für den Deutschen Meister eine prekäre Situation ergeben. Marseille hat sechs Zähler auf dem Konto, der FC Arsenal vier, Dortmund einen. In London ist das Punkten ein Herkulesakt. Siege in der Heimpartie gegen Olympique und in den beiden restlichen Begegnungen gegen die Punkte-Nuller von Piräus sind also quasi zur Pflicht geworden.
Räume für Dortmunder Krise öffnen sich
Unter der Niederlage zu leiden, würde allerdings darüber hinaus bedeuten: Das kurz vor dem Auftritt am Mittelmeer durch einen Erfolg in der Bundesliga bei Mainz 05 gerade wieder rekonstruierte Selbstbewusstsein schrumpft zusammen. Es öffnen sich die Räume für das, was am meisten zu fürchten ist: eine Krise. Dabei war es einfach wieder nur dumm gelaufen. Wie schon bei der Punkteverteilung an Hannover und an die Hertha in der Liga. Vor Tor eins durch Andre Ayew rutschte Neven Subotic aus. Vor Tor zwei durch Loic Remy fällte Mats Hummels eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. Und das für den Ausgang nicht mehr relevante Tor drei fiel durch Elfmeter, vollstreckt von Ayew.
Über Subotic hat Klopp seine Hände gehalten. Der Innenverteidiger selbst diagnostizierte bei sich zwar eine Dysfunktion bei der Zusammenarbeit von Hirn und Füßen. Koordination mangelhaft. Fallen garantiert. Sein Trainer aber verkündete: „Das war gut gespielt. Selbst dann, wenn Neven nicht ausgerutscht wäre.“ Hummels dagegen hat Klopps gedämpften Zorn auf sich gezogen. Der Zweit-Innenverteidiger wollte per Kopf zurück auf Torhüter Roman Weidenfeller spielen. Spielen. Was übersetzt bedeutet: Gefahr intelligent bereinigen, die Chance zum rasanten Gegenangriff einleiten.
Für den Trainer drückte sich darin ein zu konsequentes Festhalten am modernen Fußball aus und zu wenig rustikale Schlichtheit. „Auch wir dürfen das Spiel dadurch unterbrechen, dass wir den Ball ins Aus dreschen“, sagte Klopp düster. Einen gleichwertigen Ersatz hat er auf der Bank. Felipe Santana könnte entweder für Subotic oder für Hummels einspringen. Und der Trainer-Zorn traf zwar Hummels, weil der in der besten BVB-Phase den Mechanismus zur Selbstzerstörung in Gang gesetzt hatte. Subotic aber demonstrierte beim Aufbau aus der Defensive heraus lediglich, wie weit er Bälle schlagen kann, nicht: wie genau. Und unter anderem das erzeugte eine Dysfunktionalität im gesamten BVB-Spiel.
BVB verliert 0:3
Probleme finden sich aber überall. Das Sechser-Duo Kehl und Sven Bender steht für Sicherheit, nicht für Inspiration in der Vorwärtsbewegung. Alleinstürmer Robert Lewandowski beult nicht nur selten Netze aus, in Marseille konnte er auch keine Verbindung zu den Kollegen herstellen. Shinji Kagawa füllte das Zentrum hinter der Spitze nicht mit Ideen, sondern mit Fragezeichen. Mario Götze holte sich berechtigtes Trainerlob ab („nichtsdestotrotz hat Mario ein klasse Spiel gemacht“) und tat nichtsdestotrotz bei Top- Gelegenheiten nichts für die Trefferausbeute.
BVB-Sitzung am Samstag gegen Augsburg
Und doch hatte der BVB trotz all der Dellen im Spiel mehr Ballbesitzzeit, 11:4-Eckbälle und 16:8-Torschüsse vorzuweisen. Darin, dass nur das 0:3-Resultat (Deschamps: „Ich denke, das ist ein bisschen hart für Dortmund“) die große Besorgnis auf der Führungsebene ausgelöst haben konnte, verbirgt sich die Hoffnung auf schnelle Besserung. Nach der Landung in der Heimat zog Klopp seine Mannschaft zur Sitzung zusammen. Wichtiger aber dürfte die Sitzung am Samstag sein, die therapeutische: Das Spiel gegen den Aufsteiger Augsburg wird nämlich zeigen, ob die Borussen nur verloren haben oder auch darunter leiden.