Dortmund. Mit dem 4:0 gegen Frankfurt springt der BVB an die Tabellenspitze, die Euphorie in Dortmund ist groß – Trainer Edin Terzic aber bremst.
Edin Terzic klang bemerkenswert geschäftsmäßig, als er im Presseraum des Dortmunder Stadions Platz genommen hatte: „Ich bin zufrieden mit der Leistung und dem Ergebnis, aber es bleibt nur ein Schritt“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund und wirkte dabei, als hätte er gerade einen Arbeitssieg zum Saisonstart erlebt, einen der Hoffnung macht auf eine ordentliche Saison.
Der Auftritt des BVB-Trainers stand in deutlichem Kontrast zu dem, was sich draußen abgespielt hatte, auf dem Rasen wie auf den Rängen, wo sich eine Gefühlsexplosion nach der anderen abgespielt hatte, wo die meisten der 81.365 Zuschauer ihr Lieblings-Liedgut präsentierten: erst „Deutscher Meister wird nur der BVB“ im Klang von Yellow Submarine, dann „Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia!“ auf die altbekannte Pippi-Langstrumpf-Melodie.
BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl erklärt die Leistungsexplosion von Donyell Malen
Und das passte deutlich besser zu dem, was sich an diesem späten Samstagnachmittag in Dortmund abgespielt hatte: Einen 4:0 (3:0)-Sieg gegen Eintracht Frankfurt zeigte die Anzeigetafel an, ein angesichts des Spielverlaufs zu deutlicher Sieg – was den Dortmundern aber herzlich egal war an diesem Tag. Sie hatten die Tabellenführung erobert, fünf Spieltage vor Schluss, haben es nun tatsächlich in eigener Hand, am Saisonende ganz oben zu stehen – und das nur eine Woche, nachdem sie noch als die Deppen der Nation verspottet worden waren, nachdem sie beim VfB Stuttgart nach 2:0-Führung nur 3:3 gespielt hatten, trotz 50-minütiger Überzahl – und so wieder einmal nicht ausnutzten, dass der FC Bayern beim 1:1 gegen die TSG Hoffenheim gestolpert war.
Auch deswegen war die Anspannung gewaltig vor dieser Partie. Erst recht, nachdem die Bayern zuvor am Nachmittag bei Mainz 05 ein weiteres Mal gepatzt hatten. „Das war nicht ganz einfach“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. „Du kommst mit dem Bus an, bekommst das Ergebnis aus Mainz mit und weißt, dass du jetzt liefern musst – sonst bist du wieder in so einer komischen Rechtfertigungssituation.“
Hochkonzentrierter Auftritt des BVB gegen Eintracht Frankfurt
Rechtfertigen musste sich aber an diesem Samstag niemand in Dortmund, zumindest niemand in Schwarz-Gelb. Anstatt im Angesicht der großen Chance wieder einmal weiche Knie zu bekommen, boten die BVB-Profis einen hochkonzentrierten und äußerst effizienten Auftritt. Jude Bellingham nutzte gleich die erste Torchance zum 1:0 (19.), Donyell Malen wenig später die zweite zum 2:0 (24.). Wer nach Zeichen Dortmunder Entschlossenheit suchte, fand sie in der Entstehung dieses Treffers, als sich der 1,80 Meter große Karim Adeyemi in eine Höhe von 2,70 Metern wuchtete und den Ball in Malens Laufweg köpfte.
Noch vor der Pause ließ Mats Hummels das 3:0 folgen (42.), der immer stärker aufdrehende Malen machte noch seinen zweiten Treffer (65.) – sein sechstes Tor in den jüngsten fünf Spielen. Es war exakt die Reaktion, die sich die Verantwortlichen erträumt hatten mit den Impulsen, die sie im Laufe der Woche gesetzt hatten. Am Montag hatten sie sich zusammengesetzt und beschlossen, dass es nun an der Zeit sei, klar und unmissverständlich die Meisterschaft als Ziel auszugeben.
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Das taten sie am Dienstag nach außen durch Sebastian Kehl („Wir wollen Deutscher Meister werden“) wie nach innen bei einer Teamsitzung. Da fielen deutliche Worte, auch die Spieler gingen nicht gerade schonend miteinander um. „Wir sind eine sehr große Mannschaft mit sehr vielen starken Charakteren“, sagte Torhüter Gregor Kobel. „Da kann es manchmal schwieriger sein – aber das gehört dazu.“ Es wurde aber nicht nur kritisiert – die Bosse vermittelten eindringlich, wie spektakulär es sein kann, nach dem Saisonende mit einer Meisterschale in der Hand im Laster um den vollbesetzten Borsigplatz zu fahren. Die Spieler schienen verstanden zu haben, zumindest gegen Frankfurt.
BVB am Freitag beim VfL Bochum
Aber es gehört ja zu den Lehren dieser verrückten Spielzeit, dass eine Woche später alles wieder ganz anders aussehen kann. Deswegen auch die Zurückhaltung bei Trainer Edin Terzic. „Ich will nicht zu viel Lob hören, wir sind noch lange nicht fertig“, sagte der 40-Jährige. Aus den Jägern sind die Gejagten geworden, das macht den Druck nicht geringer – auch wenn sie das in Dortmund beiseite schieben. „Wir müssen weiter solche Spiele abliefern, hart dafür arbeiten, solche Spiele zu gewinnen, daran hat sich nichts geändert“, sagt Kehl. „Wir wissen, wie schwer es schon am Freitag in Bochum wird.“ Die restlichen Spieltage seien nicht minder herausfordernd. Aber: „Natürlich ist das Tabellenbild heute besser, als sich letzte Woche in den Arsch kneifen zu müssen.“