Stuttgart. Borussia Dortmund erlebt am Samstag ein Fiasko beim VfB Stuttgart. In Überzahl verspielt der BVB einen sicheren Sieg. Sebastian Kehl rechnet ab.
Unter dem grellen Licht des Stuttgarter Presseraums konnte Edin Terzic seine Emotionen nicht verbergen. Der 40 Jahre alte Trainer von Borussia Dortmund war fassungslos, wütend über ein Verhalten, was eigentlich schon überwunden schien.
BVB-Frust nach Einbruch beim VfB Stuttgart: "Das toppt heute alles"
Genauer gesagt fühlte sich Terzic zurückerinnert an einen heißen Spätsommer-Tag im August, als der BVB auf kläglichste Weise eine 2:0-Führung gegen Aufsteiger Werder Bremen in der Nachspielzeit aus der Hand gab und im eigenen Stadion noch mit 2:3 verlor. „Man denkt, man hat schon alles gesehen“, meinte Terzic. „Aber das toppt heute alles.“
Der BVB führte wieder mit 2:0, diesmal gegen den abstiegsbedrohten VfB Stuttgart. Er spielte nach dem Platzverweis für Konstantinos Mavropanos rund eine Stunde in Überzahl. Er schoss gar den vermeintlichen Siegtreffer zum 3:2 in der Nachspielzeit. Ein paar Minuten später allerdings fühlten sich die Dortmunder, als hätten sie gerade verloren.
BVB-Trainer Edin Terzic nach 3:3 in Stuttgart fassungslos - "Unerklärlich"
Dieses turbulente 3:3 (2:0) am Samstagnachmittag bot jede Menge Emotionen. Sebastien Haller (26.) und Donyell Malen (33.) hatten in der ersten Halbzeit nicht überzeugende, aber effektive Dortmunder in Führung gebracht, Gelb-Rot gegen Mavropanos (39.) ließ den Vizemeister zur Pause schon wie den sicheren Sieger aussehen. Aber der BVB lud Stuttgart herzlich ein, zurück in die Partie zu kommen. Der eingewechselte Tanguy Coulibaly (78.) und Josha Vagnoman (84.) glichen in der Schlussphase aus. Giovanni Reyna ließ wiederum die mitgereisten Fans in Schwarz und Gelb jubeln (90.+2) – doch Silas rettete den Schwaben in der siebten Minute der Nachspielzeit ein Remis.
In den Katakomben des Stuttgarter Stadions tigerte Sebastian Kehl später auf und ab. Der BVB-Sportdirektor musste sich erst einmal sammeln, bevor er sich den Interviews stellte, vor seiner ersten Antwort nahm er sich eine lange Bedenkzeit. „Ich habe einfach nur komplettes Unverständnis über diese zweite Halbzeit“, meinte er. „Es ist eine große Enttäuschung, Frust, eine gewisse Aggressivität, die ich gerade nach dem Spiel verspürt habe. Ich muss das jetzt erstmal sacken lassen. Wir haben uns viel kaputtgemacht. Obwohl wir das 3:2 machen, noch mal in so eine Situation laufen, in der wir nicht kompakt stehen und individuelle Fehler machen – das ist nicht zu erklären.“
BVB kassiert vier Gegentore in Überzahl
Dann nannte Kehl die Zahl der Gegentore gegen die drittschwächste Offensive der Liga, die mit einem Hauch besserer Chancenverwertung dem BVB mehr als zwei Punkte hätte klauen können: „Wir haben in der zweiten Halbzeit vier Tore kassiert – das muss man erst mal schaffen gegen zehn Leute.“
Viermal war der Ball zumindest im Netz, dreimal zählte ein Tor – einmal nicht. Da war Serhou Guirassy seinem Bewacher Soumalia Coulibaly entwischt und lupfte über Torwart Gregor Kobel hinweg ins Tor (52.). Der Anschluss, dachten alle. Videoassistent Tobias Welz deckte aber auf, dass Guirassys Schulter hauchzart im Abseits gewesen war. Es war der Beginn einer abenteuerlichen zweiten Halbzeit, die in der Nachspielzeit ihren Höhepunkt fand.
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Vor allem der Ausgleich beschäftigte den BVB, er war ja eine Reihe von eklatanten Fehlern. Der 19 Jahre alte Coulibaly, der für den erkrankten Mats Hummels zur Pause in die Partie kam, trat bei seinem Bundesliga-Debüt über den Ball, „aber es wäre absolut falsch, ihn jetzt zum Sündenbock zu machen“, stellte Trainer Terzic klar. Zuvor presste Dortmund mangelhaft, Raphael Guerreiro verteidigte zu ungestüm – und Marco Reus, der zunächst wieder auf der Bank Platz nehmen musste, verweigerte die Rückwärtsbewegung. Zuvor dribbelte schon Stuttgarts Coulibaly beim 2:2-Ausgleich allein die halbe, zu passive Dortmunder Abwehr aus.
BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl "einfach nur sauer"
Defensivverhalten, Körpersprache, Abstimmung – nichts passte mehr in der zweiten Halbzeit, die nicht nur an das Bremen-Spiel, sondern auch an das desolate Pokal-Aus bei RB Leipzig (0:2) vor anderthalb Wochen erinnerte. Daher konnte die Dortmunder nicht mal trösten, dass auch Bayern München beim 1:1 gegen die TSG Hoffenheim Punkte liegen ließ. „Ich ärgere mich brutal über mich selbst und weniger über das, was in München passiert ist“, sagte Kehl. In diesem Moment sei er nicht „so nicht so strategisch und analytisch, sondern einfach nur sauer.“
Das muss sich in den kommenden Tagen ändern. Es gibt einiges aufzuarbeiten.