Dortmund. Beim BVB wackeln alte Gewissheiten - und dies mitten im Schlussakt der Bundesliga-Saison. Eine Belastungsprobe für das Mannschaftsgefüge.
Es geht etwas vor sich bei Borussia Dortmund, zaghaft, aber doch kontinuierlich verschiebt sich ein über Jahre gefestigtes BVB-Gebilde. Alte Gewissheiten zählen nicht mehr, neue Führungskräfte treten hervor, bereits Abgeschriebene nehmen eine zentrale Rolle ein. Und all das, während die Schwarz-Gelben die Chance haben, erstmals seit über zehn Jahren endlich wieder die silberne Meisterschale in Empfang zu nehmen.
BVB am Samstag gegen den VfB Stuttgart
Eine Belastungsprobe für das Mannschaftsgefüge im Schlussakt dieser Saison, in dem Ausrutscher vermieden werden müssen. Vor allem gegen Abstiegskandidaten: Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) tritt die Borussia beim Tabellensechzehnten VfB Stuttgart an.
Grundsätzlich hat die Hierarchie innerhalb einer Mannschaft immer etwas Gefühliges, etwas schwer Greifbares. Es gibt Erfahrene, Formstarke, Talente, natürliche Autoritäten, die Kapitäne. Gehören letztere nicht mehr zu den unangefochtenen Leistungsträgern, kann an ihrem Status gerüttelt werden. Das Gefüge droht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Wie in Dortmund.
Der erste Kapitän, Marco Reus, 33, kann seinen Mitspielern nicht mehr immer den Erwartungen entsprechend helfen. Manchmal wird er früher runtergenommen und donnert Wasserflaschen auf den Boden, manchmal sitzt er gleich draußen. Eine ungewohnte Situation für einen, der schon jetzt zu den Legenden des Klubs gehört.
Der zweite Kapitän, Mats Hummels, 34, saß im Jahr 2023 noch viel, viel häufiger als Reus auf der Bank. Erst jetzt ist er wieder gefragt, weil in Stuttgart Nico Schlotterbeck (Muskelfaserriss) und wohl auch Niklas Süle (Probleme am hinteren Oberschenkel) verletzt fehlen werden.
Der dritte Kapitän, Jude Bellingham, 19, wird den Klub im Sommer aller Voraussicht nach verlassen. Derzeit kommt er mit seinem bandagierten linken Knie nicht an vergangene große Auftritte heran.
Andere drängen daher nach vorne. Neuzugang Schlotterbeck (derzeit verletzt) hat sich zum Abwehrchef entwickelt, Emre Can hat sich im Mittelfeldzentrum zu einem heimlichen Kapitän geackert, Julian Brandt überzeugt so nachhaltig wie noch nie. Karim Adeyemi, wie Schlotterbeck erst seit dieser Spielzeit dabei, deutet seine beeindruckende Rasanz, gemischt mit jugendlicher Frechheit an.
Ein BVB-Vertrag für Julian Brandt als Signal
Da geht etwas vor sich. Als weiteres Indiz kann dafür herangezogen werden, dass Reus und Hummels noch keine Unterschrift unter einen weiterführenden Vertrag gesetzt haben, während der Kontrakt von Brandt bereits verlängert und die Entscheidung verkündet wurde, obwohl gar keine akute Not bestand. Der Nationalspieler war ohnehin bis 2024 an den BVB gebunden, jetzt soll er bis 2026 „Borussia Dortmunds sportliche Zukunft als Führungsspieler weiter mitgestalten“, sagt Sportdirektor Sebastian Kehl.
Die Hierarchie verschiebt sich. Zudem enden weitere Verträge im Sommer, der Status eines Raphael Guerreiros, immerhin Topvorlagengeber, bleibt bislang ungeklärt. Ein Problem?
Dies mache nichts mit ihm und der Mannschaft, sagt Trainer Edin Terzic. „Das Verhältnis mit mir ist unabhängig von Vertragslaufzeiten und Gehältern. Wir gehen offen und ehrlich miteinander um.“ Es gebe Spieler mit auslaufenden Verträgen, die regelmäßig in der Startelf stünden. „Es gibt Spieler, die haben langfristige Verträge und die sitzen auf der Bank oder teilweise auf der Tribüne. Wir versuchen die Form, die Trainingsleistung und natürlich das, was der Gegner von uns fordert, zu berücksichtigen. Alle anderen Themen interessieren uns nicht.“
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Durch einen Sieg in Stuttgart und einen Ausrutscher des FC Bayern im zeitgleichen Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim könnte die Zwei-Punkte-Lücke übersprungen werden. Sieben Bundesliga-Spieltage werden noch angepfiffen, es gehe darum, sagt Terzic, dass seine Spieler die Ausgangsposition nutzen und hungrig in die letzten Spiele gehen, „um am Ende gemeinsam eine tolle Geschichte zu erleben“.
BVB: Marco Reus mehr als ein Jahrzehnt in Dortmund
Für die einen wäre es die erste „tolle Geschichte“ in Dortmund, andere haben schon so viel mit diesem Klub erlebt. Marco Reus hat sein erstes Tor im schwarz-gelben Trikot gegen den VfB Stuttgart bereits 2013 erzielt. Damals reifte Julian Brandt noch in der Jugend des VfL Wolfsburg. Karim Adeyemi besuchte gerade erst die weiterführende Schule. Zehn Jahre später gehört Reus immer noch zum Dortmunder Kader. Allein das ist bemerkenswert. Trotzdem gilt es nicht als sicher, dass er als Kapitän in Stuttgart in der Startelf stehen wird.
Da geht etwas vor sich.