Dortmund. . Karim Adeyemi erlebte ein Hoch beim BVB, dann warf ihn eine Verletzung zurück. Im Interview zeigt sich der Nationalspieler sehr offen.

Im Hintergrund entdeckt man auf einem Bild die volle Südtribüne, vorne sitzt Karim Adeyemi in einem Besprechungsraum des Trainingsgeländes von Borussia Dortmund. Der 21-Jährige gehörte zu den Aufsteigern im BVB-Jahr 2023, ehe ihn eine Muskelverletzung stoppte. Nun arbeitet er daran, rechtzeitig für das Topspiel am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegen den FC Bayern in seiner Heimat München fit zu werden und nimmt sich vorher die Zeit für ein Gespräch über die Meisterschaft, die Armut seiner Eltern und darüber, wie es sich anfühlt, beim Rekordmeister aussortiert zu werden.

Herr Adeyemi, es herrscht wieder Euphorie in Dortmund. Wie fühlt sich das an?

Karim Adeyemi: Es ist schön, wie sich die Fans freuen, dass wir auf dem ersten Platz stehen. Aber wir wissen, dass es noch mehr braucht, um in der Zukunft einmal Meister zu werden. Und ich will natürlich mit dem BVB Meister werden. Das ist mein Ziel.

Kann der BVB den FC Bayern diesmal verdrängen?

Karim Adeyemi: Ich habe von Anfang an gesagt, da können Sie jeden fragen, dass ich der Mannschaft vertraue. Ich möchte unbedingt oben stehen, wir können das schaffen. Aber natürlich wissen wir, wo wir herkommen und dass wir im Dezember noch neun Punkte Rückstand hatten.

Hinten die schwarz-gelbe Südtribüne, vorne BVB-Profi Karim Adeyemi mit Reporter Marian Laske.
Hinten die schwarz-gelbe Südtribüne, vorne BVB-Profi Karim Adeyemi mit Reporter Marian Laske. © Rottmann

Jetzt reisen Sie mit der Borussia in Ihre Heimat München. Oft fehlte dem BVB in der Vergangenheit der Mut.

Karim Adeyemi: Diesmal wollen wir gewinnen, gegen große Gegner müssen wir in unsere Stärken vertrauen. Wenn wir einen guten Tag haben und die ganze Mannschaft fokussiert ist, können wir jeden Gegner schlagen. Aber reden bringt da wenig, du musst es auf dem Platz zeigen.

Sie sind in München aufgewachsen, ihr Vater stammt aus Nigeria, ihre Mutter aus Rumänien. Wie haben Sie Ihre Kindheit verbracht?

Karim Adeyemi: Damals habe ich unsere Lebensverhältnisse nicht hinterfragt. Aber nun, da ich älter geworden bin und mir meine Eltern erzählen, wie wir gelebt haben, da fällt mir auf, dass es schwierig war.

Das heißt?

Karim Adeyemi: Ich habe meinen Vater fast nie gesehen, er hat nahezu 24 Stunden am Tag gearbeitet. Er war Chauffeur bei einem arabischen Konsulat, musste immer erreichbar sein. Nur am Wochenende hat er meine Spiele besucht. Meine Mutter hatte mehrere Jobs, ich habe das früher nicht realisiert. Ich habe ihr gesagt: ,Dieser Schuh schaut schön aus.‘ Und sie hat gesagt: ,Gib mir zwei Wochen.‘ Mir war dann nicht bewusst, dass sie noch mal in zwei Jobs mehr geschuftet hat, um mir diesen Schuh zu kaufen. Wenn ich darüber jetzt nachdenke, dann kommt Herzschmerz auf. Ich möchte meiner Familie etwas zurückgeben.

Wie sind Ihre Verbindungen in die Heimat Ihres Vaters?

Karim Adeyemi: Im Winterurlaub bin ich nach Nigeria gereist, dort leben viele Cousins und Cousinen von mir. Nigeria hat im Vergleich zu Deutschland große Probleme. Nicht jeder hat ein Zuhause, es geht ums Überleben. Wenn ich hierhin zurückkomme, dann weiß ich, was ich an Deutschland habe.

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Hilft es Ihnen, diese zwei Welten zu kennen?

Karim Adeyemi: Was heißt helfen? Meine Eltern haben mir Werte wie Demut immer mitgegeben, sie wissen, wie es ist, nichts auf dem Tisch zu haben. Beide haben so gelebt, so krass das klingt. Mein Vater ist eigenständig, seit er 13 Jahre alt ist, meine Mutter musste früh für sich kämpfen. Ich bin froh, solche Eltern zu haben, die mich nicht immer auf Händen getragen haben, sondern mir gezeigt haben, wie die echte Welt aussieht.

Zurück zu Ihrer sportlichen Situation. Wie war das Gefühl, als Sie sich mitten in ihrer bislang besten Phase in Dortmund einen Muskelfaserriss zugezogen haben?

Karim Adeyemi: Zunächst fiel es mir schwer, mich damit abzufinden, dass ich raus bin. Es war bitter. Aber ich bin generell ein Typ, der auch Rückschläge schnell annimmt und versucht, die positiven Dinge zu betrachten. Ich konnte es nicht mehr ändern und musste daran arbeiten, so schnell wie möglich wieder zurückzukommen.

2023 wirken Sie stärker, gefestigter, besser. Warum?

Karim Adeyemi: Ich hatte mir für das neue Jahr Vorsätze aufgeschrieben und habe versucht, diese zu erreichen. Das ist mir erstmal gut gelungen. Wenn man auf so einem Niveau konstant überzeugend spielen möchte, ist es wichtig, körperlich, aber auch im Kopf fit zu sein. Ich habe an beiden Sachen gearbeitet.

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Karim Adeyemi über sein BVB-Hoch: Ein Mentaltrainer hat geholfen

Wie haben Sie das gemacht?

Karim Adeyemi: Ich habe mit einem Mentaltrainer versucht, noch mal stärker im Kopf zu werden und mich auf jedes Spiel richtig vorzubereiten. Das hat mir geholfen, wie man gesehen hat.

Was erwartet Trainer Edin Terzic von Ihnen?

Karim Adeyemi: Er redet grundsätzlich viel mit uns, er redet mit sehr viel Herz, er ist immer ehrlich. Wir haben uns in der Vorbereitung ausgetauscht. Er möchte, dass ich meine Stärken ausspiele, mein Tempo. Ich soll das machen, was ich während der ersten sechs Monate bei Borussia Dortmund nicht so gemacht habe, wie ich es hätte machen können, weil ich mit dem Kopf unterbewusst vielleicht noch woanders war. Ich war irgendwie wahrscheinlich nicht bereit, aber das habe ich abgelegt. Und ich habe nie daran gezweifelt, dass Dortmund die richtige Adresse für mich ist.

Im Umfeld konnte man bereits Kritik an Ihnen wahrnehmen. Wie haben Sie das erlebt?

Karim Adeyemi: Wenn es gut läuft, meinen alle Leute, dass ich zurecht hierhin gekommen bin. Wenn es nicht läuft, sagen sie etwas anderes. Wenn ich ein Fan wäre, würde ich mich anders verhalten, ich würde zu den Spielern stehen. In guten wie in schlechten Zeiten.

Karim Adeyemi erklärt sein BVB-Hoch:
Karim Adeyemi erklärt sein BVB-Hoch: "Ich habe mit einem Mentaltrainer versucht, noch mal stärker im Kopf zu werden." © Rottmann

Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?

Karim Adeyemi: Es ist nun mal so, dass nicht jeder jeden Spieler mag. Das Wichtigste ist, dass man als Mannschaft funktioniert. Ich bin froh, hier zu spielen.

Wie kamen Sie zum Fußball?

Karim Adeyemi: Über meinen Vater, ich habe schon früh beim TSV Forstenried vor den Ball getreten. Dann ist die Liebe zum Fußball entstanden, ich habe eigentlich nichts anderes mehr gemacht. Die Schule war eher Nebensache, würde ich sagen. (lacht) Ich hatte Glück, dass das in meinem Fall gut ausgegangen ist.

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BVB-Profi Karim Adeyemi: "Ich war als Kind sehr, sehr aufgedreht"

Ihr erster Trainer in Forstenried hat Sie in dieser Zeitung mal als ruhig beschrieben. Andere bezeichnen Sie als Lausbuben. Was stimmt?

Karim Adeyemi: Ich würde sagen: Lausbub. Ich war als Kind sehr, sehr aufgedreht, ich hatte zu viel Energie. Bei Hallenturnieren bin ich immer irgendwohin gelaufen, ich konnte nicht ruhig sitzen. Aber über die Jahre hat sich das gelegt, ich bin ruhiger geworden.

Und in der Kabine?

Karim Adeyemi: Na ja, ich stehe auf Späße. Ich mag es, mit den Leuten zu lachen.

Sie wurden in der Jugend beim FC Bayern aussortiert. Hat das geschmerzt?

Karim Adeyemi: Ich war erst elf Jahre alt, das hat wehgetan für mich als kleinen Münchener. Das war schlimm. Aber ich habe es dann schnell nach Unterhaching geschafft, die haben mich dort super aufgenommen.

Es heißt, Sie seien beim FC Bayern zu undiszipliniert gewesen.

Karim Adeyemi: Ich war ein Kind, ich habe keine schlimmen Sachen gemacht. Ich war sehr jung, kindisch, verspielt, das würde ich nicht als undiszipliniert bezeichnen. Das Gute: Mit Unterhaching wurden wir in der Jugend schnell besser als Bayern. Es kam Rivalität auf, wir konnten sie besiegen.

Karim Adeyemi über seine neue BVB-Heimat: "Mir fehlen die Berge"

Zeigt Ihre Karriere, dass man auch über Umwege nach oben kommen kann?

Karim Adeyemi: Man muss nicht in so jungen Jahren schon beim FC Bayern spielen. Es ist wichtig, in der U14 oder U15 den Schritt ins Nachwuchsleistungszentrum zu schaffen. Aber nicht mal da muss man unbedingt bei einem Topverein sein. Wichtig ist, dass man sich wohlfühlt.

Salto kann er auch, wenn er für den BVB trifft: Karim Adeyemi.
Salto kann er auch, wenn er für den BVB trifft: Karim Adeyemi. © firo

Ist der Wohlfühlfaktor für Sie entscheidend?

Karim Adeyemi: Absolut, deswegen spiele ich in Dortmund. Die Stadt ist sicher anders als München. Mir fehlen die Berge. Aber ich fühle mich in meinem Zuhause, im Verein und in der Kabine wohl. Das passt.

Schon in jungen Jahren wurde viel Geld für Sie ausgegeben. Belastet das?

Karim Adeyemi: Ich habe von anderen Spielern gehört, dass sie Druck aufgrund einer hohen Ablösesumme verspüren. Bei mir ist das anders, ich bleibe sehr entspannt. Ich sage mir immer: ,Es kommt so, wie es kommen soll.‘ Ich habe ja selbst reflektiert, dass das erste halbe Jahr in Dortmund enttäuschend verlief. Schlimmer wird es nicht mehr werden.