Dortmund. Mittelfeldspieler Emre Can hat sich bei Borussia Dortmund einen Stammplatz erkämpft. Der 29-Jährige glänzt zwar selten, ist aber wichtig.

Es gab viele Fragen damals, im Sommer 2020, als Emre Can von Juventus Turin zu Borussia Dortmund wechselte. Enthält der Leihvertrag eine Kaufoption (Antwort: ja), wie hoch wäre dann die Ablöse (25 Millionen Euro) und wie hoch ist eigentlich die Leihgebühr (eine Million). Man wusste all dies recht präzise, weil Juventus nach italienischem Börsenrecht all diese Zahlen offenlegen musste.

Der BVB widmete sich derweil einer ganz anderen Frage: Wie spricht man den Nachnamen des neuen Mannes eigentlich aus? Schan? Dschan? Tschan? Oder doch Kan? „Einfach Emre“, antwortete der Defensiv-Allrounder lächelnd in einem kurzen Videoclip, und der Klub machte daraus sofort einen Hashtag, einen Slogan für die Internetwelt: #einfachemre.

Es gab nur ein Problem: Allzu oft spielte Emre einfach nicht gut. Und so wurde der Hashtag schnell zum Vehikel für Spott. Wann immer Can ein Gegentor verschuldete, einen Ball verlor, einen Zweikampf nicht für sich entscheiden konnte, twitterte schnell jemand: #einfachemre.

Can hat sich beim BVB endlich festgespielt

Can und Dortmund, das klickte nicht so richtig. Dank seiner Vielseitigkeit lief der 29-Jährige zwar immer wieder auf, mal in der Innenverteidigung, mal rechts hinten, mal im Mittelfeld. Aber der Führungsspieler, der er hätte sein sollen, wurde er nie, weil sich nie ein fester Platz für ihn fand. Auch in der ersten Jahreshälfte stand er nur zweimal in der Bundesliga-Startelf.

BVB-Trainer Edin Terzic (links) mit Emre Can.
BVB-Trainer Edin Terzic (links) mit Emre Can. © Getty Images | Getty Images

Wenn der BVB aber am Samstag bei Werder Bremen antritt (15.30 Uhr/Sky), dann wird Can mit ziemlicher Sicherheit dabei sein. Endlich, endlich hat er sich festgespielt und nachdem er zum Jahresauftakt gegen den FC Augsburg angeschlagen fehlte, stand er in den folgenden vier Partien stets in der Startelf. „Er macht es momentan herausragend gut“, lobt Edin Terzic. „Ein selbstbewusster und fitter Emre Can hilft jeder Mannschaft.“

In der Champions League als kompromissloser Abräumer

Selbstbewusst und fit ist Can aktuell, sein Aufschwung hat aber auch mit Trainer Terzic zu tun, der seine Formation auf die Stärken des Nationalspielers zuschnitt. In der Champions League hatte das schon in der Hinrunde mehrfach gut funktioniert, da gab Can gegen spielstarke Mannschaften wie Manchester City einen kompromisslosen Abräumer im Zentrum. Und in der Winterpause entschied sich das Trainerteam, auch in der Bundesliga das Zentrum besser abzudichten.

Fortan lief der BVB in einer 4-1-4-1-Formation auf, in der Can eine zentrale Rolle zukam: als alleiniger Abräumer vor der Viererkette und hinter zwei Spielern, die bei allem Offensivdrang auch defensiv denken. „Die Rolle, die er einnimmt, die defensive Absicherung vor den Innenverteidigern, war in den letzten Wochen extrem wichtig“, lobt Terzic. „Dazu hat er ein Tempo, mit dem er uns immer wieder helfen kann.“

Borussia Dortmund hat den Kampfgeist wiederentdeckt

Doch nicht nur die neue Formation macht Can stark, auch er selbst hat einen Schritt nach vorne gemacht. Er ist im besten Sinne einfach Emre, er spielt, was er kann. Das war auch schon anders, zu oft wollte der Defensivspieler zu viel. Da versuchte er auch offensiv, das Spiel zu prägen und hinterließ Lücken im Mittelfeldzentrum. Da versuchte er sich an Dribblings, Übersteigern und sonstigen Kabinettstückchen und verlor die Bälle.

Aktuell konzentriert er sich auf seine Defensivaufgaben, er hält seine Position, er räumt im Mittelfeld ab. Und im Spielaufbau, den er entweder im Mittelfeldzentrum oder aus tieferer Position zwischen den Innenverteidigern initiiert, agiert Can ähnlich klar: Lieber den einfachen flachen Pass als den spektakulären Diagonalball, lieber kein Risiko eines Ballverlusts eingehen.

In starker Form: Emre Can.
In starker Form: Emre Can. © AFP | AFP

Und damit steht er durchaus stellvertretend für eine Mannschaft, die neben der Kunst inzwischen auch die Freude am Kämpfen für sich entdeckt hat. Gezaubert wird ja trotzdem noch – wie am Mittwoch beim 2:1-Sieg gegen den VfL Bochum im DFB-Pokal-Achtelfinale, als Can den Abschlag von Bochum-Torhüter Manuel Riemann annahm und aus 50 Metern ins leere Tor traf.

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Can spielt simpel und doch effektiv

Ob er die Flugkurve des Balles wirklich genau so gewollt hatten, darüber stritten später die Gelehrten: „Emre trifft den Ball sehr, sehr gut“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl, doch die Mehrheitsmeinung vertrat eher Torhüter Gregor Kobel: „Er hat ihn nicht optimal getroffen, aber er hatte eine gute Richtung, schön gerade, und es war etwas Glück, dass der Verteidiger nicht herankam.“ Egal, der Ertrag stimmte – und genau das macht den Spieler Can aktuell aus. Er glänzt selten, aber er ist wichtig, weil er ackert und abräumt, weil er simpel und doch effektiv spielt. Einfach Emre eben.