Bochum. Borussia Dortmund zeigt beim Sieg im Pokal-Achtelfinale in Bochum lange vermisste Tugenden. Die Mentalitätsdebatte ruht, nun will der BVB mehr.
Es war schon weit nach 23 Uhr, als Thomas Letsch zu einem der wenigen Bochumer Evergreens ansetzen wollte, die nicht aus der Feder von Herbert Grönemeyer stammen. Wie nach jedem Heimspiel des VfL Bochum sollte der Trainer erklären, warum seine Mannschaft im Ruhrstadion so viel stärker, selbstbewusster und offensiver zu Werke geht als in fremden Arenen. Und was passieren müsse, dass sich das schnellstmöglich ändert. Gut, vielleicht noch nicht beim FC Bayern am Samstag (15.30 Uhr/Sky), aber eben bald.
Statt die Antwort aus dem Effeff herunterzubeten, brachte Letsch die kleine Einschränkung zum Schmunzeln. „Warum nicht in München?“, fragte der 54-Jährige und bekam nach dem Rückpass zum Reporter Unterstützung durch Edin Terzic. „Das frage ich mich auch“, gestand Borussia Dortmunds Trainer mit seinem verschmitzten Edin-Terzic-Grinsen.
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Eine Szene, die einiges über Terzics derzeitigen Gemütszustand verriet. Einerseits freute sich der 40-Jährige über den Einzug seiner Mannschaft ins Viertelfinale des DFB-Pokals, das die Dortmunder beim 2:1 (1:0) gegen den VfL Bochum hart ergrätschen mussten.
Andererseits kann der BVB langsam, aber bestimmt das Wir-schauen-nur-auf-uns-selbst-Mantra ablegen. Die Dortmunder hoffen nun nicht mehr nur auf einen Bochumer Überraschungserfolg bei den Bayern, sondern sagen das auch offen.
„Unser Selbstvertrauen ist gewachsen. Dafür haben wir in der Winterpause hart gearbeitet“, befand Sportdirektor Sebastian Kehl.
BVB lässt sich auch beim VfL Bochum nicht beirren
Der Sieg in Bochum war nun ja schon der fünfte nach der Winterpause. Und es war wieder einer, der auf diese Weise im alten Jahr möglicherweise nicht zustande gekommen wäre. Wie auch schon diejenigen in der Liga in Mainz sowie gegen Augsburg und Freiburg. In allen drei Partien mussten sich die Dortmunder mit allem, was sie außer ihrem Spielwitz und Talent haben, wehren. Rückstände und -schläge verarbeiten. „Wir haben heute den Kampf angenommen“, lobte Terzic wieder.
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Im prickelnden Pokal-Duell beim VfL waren das die Minuten nach der Halbzeitpause, in die der BVB dank Emre Cans (45.+1) Kunstschuss aus 50 Metern mit einer Führung gegangen war. Bochums Torwart Manuel Riemann wählte statt eines Klärungsversuches Richtung Tribüne einen ungünstigen Befreiungsschlag in die Mitte, direkt zu Can, der von der Mittellinie traf.
Doch nach Wiederanpfiff wackelte der BVB plötzlich – und Bochums Christopher Antwi-Adjei wirbelte. Zweimal jedoch fand er an diesem Abend in Gregor Kobel seinen Meister. Seine Mitspieler „brauchen sich nicht bedanken“, kommentierte der Schweizer Torwart. „Das ist mein Job.“ Der VfL schaffte trotzdem kurz darauf den Ausgleich, weil Schiedsrichter Tobias Stieler zur Verwunderung aller Dortmunder nach Ansicht der Videobilder bei seiner Handelfmeter-Entscheidung blieb. Jamie Bynoe-Gittens war an seinen angelegten Arm geschossen worden, dabei stand der junge Engländer jedoch wohl außerhalb des Sechzehners. Kevin Stöger verwandelte den fälligen Strafstoß sicher (64.). Der eingewechselte Marco Reus schob aber nur sechs Minuten später zum Siegtreffer ein.
BVB-Sportdirektor Kehl mit Ankündigung
Die BVB-Profis lösten damit zum wiederholten Male keine Mentalitätsdebatte aus, die es nach einer Partie gegen einen aufmüpfigen Gegner, auf einem ramponierten Platz und unter einer hitzigen Flutlicht-Kulisse so des Öfteren gegeben hatte. Im Februar 2023 setzt der BVB mehr auf Kampf als Kunst, wenn es denn nötig ist – vermutlich auch am Samstag bei Werder Bremen (15.30 Uhr/Sky). „Wir sind zum richtigen Zeitpunkt in Fahrt gekommen, stehen kompakter und belohnen uns für viele Dinge“, lobte Kehl. Die Serie von fünf Erfolgen gebe weiteren Schwung, Rhythmus und Überzeugung. Weshalb Kehl ankündigte: „Wir sind in allen drei Wettbewerben voll dabei. Mit uns ist zu rechnen.“ Wörter, die mit einem M beginnen, können statt auf entalität auch auf eisterschaft enden.