Dortmund. Anthony Modeste soll beim BVB die Rolle von Sebastien Haller übernehmen. Doch ist er dafür der Richtige? Unsere Datenanalyse liefert Aufklärung.
Es dürfte ein besonderer Tag für Anthony Modeste werden, gegen Werder Bremen am Samstag (15.30 Uhr/Sky) wird er wohl sein Heimdebüt für Borussia Dortmund feiern. Beim 3:1-Sieg gegen den SC Freiburg am vergangenen Freitag hatte er nach gerade einmal drei Trainingstagen mit seiner neuen Mannschaft schon in der BVB-Startaufstellung gestanden - nun ist die Hoffnung in Dortmund groß, dass nach einer weiteren Woche die Abstimmung mit den neuen Kollegen schon deutlich besser funktioniert.
BVB-Zugang Anthony Modeste - ein klassischer Noteinkauf
Der 35-jährige Modeste war ein klassischer Noteinkauf: Weil Sebastien Haller wegen eines bösartigen Hodentumors lange ausfällt, suchte der BVB kurzfristig Ersatz. Wie Haller sollte der neue Mann ein großer, wuchtiger Mittelstürmer sein, der stark in der Luft ist, aber auch mit dem Fuß den Ball zu behandeln weiß. Man fand Modeste und löste ihn für rund fünf Millionen Euro beim 1. FC Köln aus.
Allerdings: Obwohl Modeste ins Suchprofil passt, ist er ein anderer Stürmertyp als Haller - und erst recht als der im Sommer abgewanderte Erling Haaland. Das zeigt die Datenanalyse unseres Kooperationspartners CreateFootball. Modeste bringt viele Stärken eines klassischen Bundesligaspielers ein: Sein Torabschluss ist überdurchschnittlich gut, seine Strafraumpositionierung ebenso - und für ihn sprach seine reichhaltige Bundesliga-Erfahrung. Vor allem außerhalb des Strafraums ist der 34-Jährige allerdings selten anspielbar, offenbart außerdem Probleme in der Verarbeitung von Bällen, wenn der Gegnerdruck hoch ist, wenn er also von Gegenspielern bedrängt wird. Zudem fehlt ihm die Erfahrung auf internationaler Ebene, speziell in der Champions League.
Anthony Modeste ist ein klassischer Vollstrecker
Modeste ist ein klassischer Poacher, wie die Engländer einen Vollstrecker im Strafraum nennen: Er positioniert sich überaus clever in den gefährlichen Bereichen und kommt aus kurzen Distanzen aussichtsreich zum Abschluss - im Durchschnitt aus 11,8 Metern. Zudem ist er einer der stärksten Kopfballspieler der Bundesliga, weil er ein exzellentes Timing hat und es versteht, im richtigen Moment vom Gegenspieler abzusetzen. Im Mittelfeld mit dem Rücken zum Tor hat er allerdings Probleme, den Ball fest zu machen. In diesen Spielphasen sucht er das schnelle Ablegen auf die Nebenleute. Er ist also kein klassischer Zielspieler wie Haller, aber auch kein mobiler Stürmer mit vielen Tiefenläufen wie Haaland - sondern eben ein Poacher: ein Spieler, der sich dem Gegnerdruck entzieht, wenig am Spiel teilnimmt und aus guter Position den Abschluss nimmt.
Kategorie | Modeste Köln, 21/22 | Haaland BVB, 21/22 | Haller Ajax, 21/22 |
Tore | 0,65 | 0,97 | 0,69 |
Vorlage | 0,1 | 0,31 | 0,2 |
Expected Goals | 0,5 | 0,77 | 0,74 |
Expected Goals pro Schuss | 0,16 | 0,23 | 0,26 |
Chancenverwertung | 26% | 37% | 27% |
Schüsse (% Genauigkeit) | 3,1 (46%) | 3,3 (49%) | 2,9 (47%) |
Ballaktionen im Strafraum | 4,4 | 5,5 | 6,8 |
Luftzweikämpfe (% Erfolgsquote) | 6,9 (51%) | 3,5 (56%) | 6,6 (54%) |
Erhaltene Pässe | 9,5 | 14,5 | 15,2 |
Alle Daten pro 90 Minuten in der Bundesliga
Was also lässt sich aus diesen Zahlen lesen? Modeste hat seinen Fitnesszustand im vergangenen Jahr enorm verbessert, spielte in 32 von 34 Ligaspielen. Haaland kam in dieser Zeit nur auf 24 Einsätze. Der neue BVB-Stürmer gleicht Haller mehr als Haaland, ist aber nicht der Zielspieler im Mittelfeld, der Bälle herausragend festmacht - gerade unter Gegnerdruck leidet seine Performance.
Es bleibt offen, wie Modeste im Strafraum Freiräume gegen tiefstehende Gegner findet, die numerisch in der Überzahl sind. Köln spielte oft mit einer Doppelspitze, anders als Dortmund, wo er meist alleiniger Stürmer sein dürfte - und der Franzose ist nicht der Spieler, der Gegenspieler bindet, sondern er versucht, sich stetig dem Gegnerdruck zu entziehen.
BVB muss die Kopfballstärke von Anthony Modeste nutzen
In der vergangenen Saison bestritt Haaland nur rund halb so viele Luftduelle wie Modeste - weil der BVB erheblich weniger Flanken schlug als der 1. FC Köln. Nur die Absteiger und Borussia Mönchengladbach hatten noch weniger Hereingaben als Dortmund. Dies muss sich mit Modeste ändern, seine Kopfballstärke (9 Kopfballtore) muss eingebunden werden. Vor allem die rechte Seite um Thomas Meunier (3.4 Flanken mit hoher Präzision von knapp 40%) ist gefragt, den neuen Stürmer mit Hereingaben zu füttern.
Neuer BVB-Stürmer Anthony Modeste weniger eingebunden als Haller und Haaland
Interessant ist, dass Modeste in der vergangenen Saison erheblich weniger ins Spiel eingebunden war als Haller und Haaland. Beim BVB mit seinem wesentlich höheren Ballbesitzanteil und dem offensiveren Spiel sollte die Anzahl der Ballaktionen und damit auch sein Impact weiter steigen. In Freiburg war dies allerdings noch nicht der Fall, er wurde nur zehnmal angespielt.