Dortmund. Der FC Bayern dominiert die Bundesliga seit Jahren - und die Lücke wird größer. Es gibt viele Ideen, wie dies geändert werden kann. Hier überprüfen wir vier Thesen.
Schon der Blick auf den Personalaufwand, der sich in den Finanzkennzahlen der Deutschen Fußball-Liga findet, verrät, warum die Bundesliga an der Spitze derart ins Ungleichgewicht gerutscht ist. Borussia Dortmund überweist an seine Profis jährlich etwa 215 Millionen Euro. Der FC Bayern fast 340 Millionen, wodurch sich in der Münchener Kabine folgerichtig qualifizierteres Spitzenpersonal versammelt.
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Die Folge: Neun Meisterschaften in Serie hat der Rekordmeister gewonnen. Vieles spricht dafür, dass nach dieser Saison die zehnte dazukommt, selbst wenn sich das Topspiel am Samstag (18.30 Uhr/Sky und live in unserem Ticker) in Dortmund nach Titelkampf anfühlt. Im Moment beträgt der Rückstand des BVB auf die Bayern einen Punkt. Insgesamt klafft zwischen den Schwergewichten des deutschen Fußballs eine Millionen-Lücke.
Der Sportökonom Daniel Weimar nennt in diesem Zusammenhang das Matthäus-Prinzip, was nichts mit dem bekannten Fußballer zu tun hat, sondern auf ein Gleichnis im Matthäusevangelium in der Bibel anspielt. „Der, der viel hat, kann darauf aufbauen. Der Vorsprung baut sich so immer weiter aus“, sagt Weimar dieser Redaktion.
Wie sollen die Münchener dann aber eingeholt werden? Wir überprüfen vier Thesen.
Das TV-Geld umverteilen
Ab der Saison 2021/22 schüttet die DFL im Schnitt rund 1,1 Milliarden Euro an die 36 Profiklubs aus. Zuletzt wurde der Verteilungsschlüssel etwas angepasst, doch weiterhin bleibt es so, dass die erfolgreichsten Vereine am meisten bekommen. Was automatisch dazu führt, dass der FC Bayern mehr einnimmt als seine Konkurrenten. Kritiker wollen daran rütteln. „Das Geld würde sicher nicht reichen, um an der Hierarchie des FC Bayern zu kratzen, der ja auch noch enorme Einnahmen aus der Champions League generiert“, sagt Weimar.
Ähnlich positioniert sich DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. „Wenn Sie dem FC Bayern die gesamten Fernseherlöse wegnehmen, die er in Deutschland bekommt – etwa 100 Millionen Euro –, und dieses Geld auf die anderen 17 Erstligisten verteilen, was würde passieren?“, fragt Seifert in der Süddeutschen Zeitung und liefert die Antwort gleich mit. „Dann machen die Bayern statt 650 Millionen Euro noch 550 Millionen Euro Umsatz, und alle anderen haben je knapp sechs Millionen mehr.“ Ohnehin sei eine Verteilung in dieser Form rein theoretisch, meint Daniel Weimar. „Sie wird in einem System der offenen Ligen wie der DFL und dem DFB am Konsens scheitern.“
Die 50+1-Regel abschaffen
Kaum ein Vorschlag birgt so viel Zündstoff. Für Daniel Weimar hätte diese Idee jedoch das größte Potenzial, an der Bundesliga-Hierarchie zu rütteln. „Investoren würden neues Geld in den Markt spülen, das vielleicht andere Vereine als der FC Bayern zur Verfügung hätten“, sagt Weimar. Dies könne langfristig für Spannung sorgen. Wie es die englische Premier League zeigt, dort rangeln etwa Manchester City und der FC Chelsea durch Investoren um den Titel mit. Für einen Geldgeber lohne es sich, zu investieren, sagt Weimar, weil der Bekanntheitshebel enorm sei, genauso wie die Netzwerkeffekte.
Allerdings verteidigt vor allem die organisierte Fanszene die 50+1-Regel in Deutschland. Sie besagt, dass die Mehrheit der Anteile eines Vereins immer in den Händen der Mitglieder liegen soll. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt, die, das zeigt beispielsweise Paris Saint-Germain, aus Staaten kommen können, die Menschenrechte verletzen. Ausnahmen bestehen in Deutschland, wenn Gönner oder Sponsoren einen Klub seit mindestens 20 Jahren unterstützen. Etwa Dietmar Hopp bei der TSG Hoffenheim. Für das Bundeskartellamt sind diese Ausnahmen jedoch nicht wettbewerbskonform, die Regel muss überarbeitet werden.
Dass die 50+1-Regel deswegen kippt, glaubt Daniel Weimar trotzdem nicht. Denn dies wäre eine Bedrohung für die Vereine, weil andere Klubs aus unteren Spielklassen durch Investoren nachrücken könnten. Nicht nur der FC Bayern möchte seinen Status verteidigen.
Mehr Risiko wagen
Schon andere Klubs haben sich verhoben, als sie versuchten, mit dem FC Bayern mitzuhalten. Ein Beispiel: Werder Bremen dümpelt mittlerweile in Liga zwei umher. Dortmund und Leipzig rüsten ihre Kader zwar auf, halten dabei aber Grenzen ein. Der BVB steht dadurch häufig vor der Schwierigkeit, Leistungsträger ersetzen zu müssen. Im vergangenen Sommer wechselte Jadon Sancho zu Manchester United. Nach dieser Saison könnte Stürmerstar Erling Haaland das Ruhrgebiet verlassen und ein Loch hinterlassen.
RB Leipzig hätte theoretisch das Potenzial, größere Transfers zu tägigen, wenn der Getränkehersteller im Hintergrund mehr Geld zur Verfügung stellen würde. Aber „Leipzig benötigt gar nicht unbedingt die Meisterschaft als Mehrwert“, sagt Weimar. Deswegen lohne sich das Risiko nicht.
Eine Super-Liga gründen
Die Hierarchie in der Bundesliga würde durcheinandergewirbelt werden, wenn der FC Bayern Deutschlands höchste Spielklasse verlassen würde, um sich nur noch mit den Besten in Europa zu messen. Das Problem: Vermutlich würde Borussia Dortmund ebenfalls versuchen, sich in die neue Super-Liga zu verabschieden. Außerdem würde der Rekordmeister der Bundesliga als Zugpferd fehlen.
„Die Frage ist, wollen wir überhaupt einen schwächeren FC Bayern? Die Stadien sind gegen Bayern immer voll, die Münchener können die Champions League gewinnen“, sagt Daniel Weimar. „Und die Duelle sind ja spannend, auch wenn meistens der FC Bayern gewinnt.“