Dortmund/Leverkusen. Der BVB erleidet den nächsten Rückschlag, tabellarisch ist der Effekt des Trainerwechsels verpufft. Die Rückrunde wird gefährlich. Ein Kommentar.

Viel Zeit zur Besinnung und zur Analyse bleibt dieses Mal nicht: Am Dienstag hat Borussia Dortmund bei Bayer Leverkusen die Bundesliga-Hinrunde beendet, am Freitag beginnt bei Borussia Mönchengladbach schon die Rückrunde. Wegen der Corona-Pandemie, wegen des späten Saisonstarts ist der Terminkalender deutlich dichter als gewohnt.

Eine Analyse zum BVB viele wenig schmeichelhaft aus

Den Dortmundern ist es vielleicht sogar ganz recht, dass es sofort weitergeht, dass nicht viel Zeit bleibt, die Hinrunde öffentlich aufzudröseln. Denn die Analyse kann in Sachen BVB nicht besonders schmeichelhaft ausfallen.

Nach der ersten Saisonhälfte lügt die Tabelle nicht mehr. Und die Tabelle sagt: Der Abstand zur Spitze ist groß – und sollte Union Berlin am Mittwochabend gewinnen, rutscht der BVB aus den Champions-League-Rängen.

Edin Terzic: Die schlechteste Startbilanz seit Thomas Doll

Dann stünde man wieder da, wo man schon einmal stand – am 11. Spieltag nämlich, als man 1:5 gegen den VfB Stuttgart verloren hatte und Trainer Lucien Favre gehen musste. Blickt man nur auf die Zahlen, muss man nun, sechs Spieltage später, feststellen: Der Effekt des Trainerwechsels ist verpufft. Edin Terzic, der neue Mann, hat von seinen ersten sechs Bundesligaspielen drei gewonnen, zwei verloren und eins unentschieden gespielt – das enttäuschende 1:1 gegen Mainz 05 am Samstag. Das ist, sagen die Statistiker, die schlechteste Startbilanz eines BVB-Trainers seit Thomas Doll 2007.

Wankelmütigkeit ist die einzige Konstante beim BVB

Fair sind solche Vergleiche natürlich nicht. Denn es ist ja einerseits erkennbar, dass Terzic dieser Mannschaft neuen Schwung verliehen hat, das zeigten die Siege gegen den VfL Wolfsburg und vor allem bei RB Leipzig zum Jahresbeginn. Aber Wankelmütigkeit bleibt eben die beständigste Eigenschaft dieser Mannschaft, und das wiederum zeigt, wie kompliziert die Aufgabe ist, die Terzic übernommen hat – weil sich diese hochbegabte Mannschaft immer wieder selbst im Wege steht. Wer dachte, man könne ihr nur dadurch mehr Energie, mehr Leidenschaft injizieren, indem man einen energischen, leidenschaftlichen Trainer an die Seite stellt, der muss inzwischen erkennen: So einfach geht es eben nicht.

Der Druck auf die Mannschaft steigt

Terzic ließ am Dienstagabend in ungewohnter Klarheit durchblicken, woran es dem BVB derzeit mangelt: „Qualität ist immer das Produkt aus Talent und Mentalität“, sagte er. Talent mag den Dortmundern niemand absprechen – hinter die Mentalität aber wurde schon oft ein Fragezeichen gesetzt, dieses Mal vom Trainer selbst. Und das mit einigem Recht – so sehr wie die BVB-Profis nach dem 0:1 darf sich eine Spitzenmannschaft nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Nun steigt der Druck. Die Tabellenspitze, stets das Dortmunder Sehnsuchtsziel, ist durch den erneuten Rückschlag in weite Ferne gerückt. Statt nach oben sollte der BVB dringend nach unten gucken, denn nicht nur Berlin kann am Mittwoch vorbeiziehen: Wolfsburg ist nun punktgleich, Frankfurt könnte gleichziehen, Mönchengladbach ist bis auf einen Zähler herangerückt.

Und ausgerechnet bei der Borussia muss der BVB als nächstes antreten – und ist zum Siegen verdammt. Sonst nämlich geriete das Minimalziel Champions-League-Qualifikation in ernste Gefahr. Zugleich würden die Zweifel am Geist, an der Haltung der Mannschaft immer größer – und das wäre eine brandgefährliche Konstellation für die Rückrunde.