Dortmund. Der offene Brief des BVB ist zwar nachvollziehbar, hat aber einen faden Beigeschmack. Ein Kommentar.

Plötzlich ist da wieder diese Angst, zweitrangig zu werden. Wenn Großeltern ihre Enkelkinder nicht mehr sehen dürfen, wenn Geschäfte schließen müssen und Existenzen auf dem Spiel stehen, wenn das immer näher kommt – dann ist wieder vieles wichtiger als der Profifußball.

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Insofern ist der offene Brief von Borussia Dortmund an seine Fans nachvollziehbar. Als BVB trage man die Beschlüsse der Politik und werde wie bereits im Frühjahr versuchen, „diejenigen zu unterstützen, die es – zum Teil deutlich – härter getroffen hat als uns und die unsere Hilfe nun bitter nötig haben: Amateurvereine, Gastronomen, Kleinunternehmer, unverschuldet in Not Geratene“. Und natürlich der Appell an die Anhänger doch bitte alle Regeln einzuhalten. Weiter heißt es, es schmerze ja nichts mehr, „als ohne Euch zu sein. Denn ohne Euch kein Wir!“ Darf es noch ein wenig mehr Anbiederung an die Fans sein?

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Bundesliga und Fans haben sich immer weiter entfremdet

Die Bundesliga, nicht nur der BVB, hat sie bitter nötig. Die Einschaltquoten in Sportschau und Sportstudio gingen zuletzt zurück, wenig ist trostloser als der Anblick leerer Betonklötze, in denen Fußball gespielt werden muss, um die Klubs am Leben zu halten. Eine Länderspielpause und durch Risikogebiete jettende Fußballer zeigen gut auf, wie weit entfernt doch die Profis von der Lebenswirklichkeit jener sind, die den Nordsee-Familienurlaub absagen mussten. Das Verhältnis zwischen Profitum und Basis ist angespannt, immer wieder wird von Entfremdung gesprochen.

Die Bundesliga genießt das Privileg, überhaupt spielen zu dürfen, während die Kunst- und Kulturbranche ums Überleben kämpft, weil sie alle Veranstaltungen im November absagen musste. Im Gegensatz zur Fußball-Bundesliga gibt es hier aber keine TV-Millionen, die weiter auf das Konto der Vereine fließen. Statt nachzutreten wäre ein wenig Demut angebracht.

BVB kommt seiner Verantwortung nicht nach

Vor allem dann, wenn stichhaltige Argumente fehlen. „In unseren Stadien war jeder Zuschauer diszipliniert, es hat sich an der frischen Luft niemand angesteckt.“ Der Profifußball sei nachweislich kein Treiber der Pandemie. Das Robert-Koch-Institut allerdings verweist darauf, dass inzwischen aufgrund der hohen Zahlen drei von vier Infektionen gar nicht mehr nachverfolgt werden könnten. Zu beantworten, ob sich Zuschauer im Stadion anstecken würden, käme angesichts der hohen Dunkelziffer also einem Stochern im Nebel gleich.

Weiter schreibt der BVB: „Gerade vor diesem Hintergrund ist es schwierig zu akzeptieren, dass Fakten nicht zählen.“ Ein fataler Satz, eben weil die Lage alles andere als eindeutig ist. Und weil damit – sicherlich unabsichtlich – eine bestimmte Klientel bedient wird: Wir gegen die Politik da oben, die nach Lust und Laune harte Maßnahmen durchsetzt. Statt dieser, besonders bei den Kritikern der verschärften Corona-Regeln beliebten Denkweise entgegenzutreten, befeuert der Klub sie noch. Von einem Verein mit solch erheblicher gesellschaftlicher Verantwortung wäre mehr zu erwarten gewesen.