Dortmund. Mindestabstände, feste Einlasszeiten, freie Reihen - für die 10.000 BVB-Fans wird beim ligaspiel gegen Gladbach vieles anders sein als gewohnt.

Carsten Cramer ist ein positiv denkender Mensch, und deswegen war auch die erste Reaktion eine positive: „Wir haben uns tierisch gefreut, dass es einen ersten Schritt in Richtung Normalität gibt“, sagt der Marketing-Geschäftsführer von Borussia Dortmund über jenen Moment am vergangenen Dienstag, als der BVB erfuhr, dass er das Bundesliga-Auftaktspiel gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag (18.30 Uhr/Sky) vor Zuschauern spielen darf. „Aber wir haben auch sofort gespürt, welche Verantwortung und welche Verpflichtung das bedeutet“, fährt Cramer im Gespräch mit dieser Redaktion fort. Denn der BVB wird eine der größten Veranstaltungen ausrichten, die es in Deutschland seit März gegeben hat, seit die Corona-Pandemie das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen brachte.

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Jetzt aber hat die Politik die Tür geöffnet für die Rückkehr von Fans in die Stadien, offiziell als sechs Wochen dauernden Probebetrieb. „Wir haben einen Vertrauensbeweis erhalten und den müssen wir rechtfertigen“, sagt Cramer. „Jetzt arbeiten wir rund um die Uhr mit voller Konzentration. Darauf haben wir Bock, darauf sind wir eingestellt.“

DIE VORBEREITUNG

Natürlich war der Klub vorbereitet, seit Monaten arbeitet eine Arbeitsgruppe an Konzepten für die Rückkehr von Zuschauern. Etliche Szenarien wurden durchdacht, mal mit mehr, mal mit weniger Zuschauern. Seit Dienstag nun wissen die Dortmunder endlich konkret, wann und wie es wieder losgeht – und vor allem: Wieviele Fans denn das Stadion betreten dürfen. Die Politik aus Bund und Land hatte einen Rahmen von maximal 20 Prozent Auslastung vorgegeben, die Stadt Dortmund und das örtliche Gesundheitsamt setzten allerdings eine Grenze von 10.000 Zuschauern – deutlich weniger als die rund 16.000, die theoretisch erlaubt wären. Beim BVB akzeptiert man das ohne Murren, die Zusammenarbeit mit den Behörden wird explizit gelobt.

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Jetzt aber muss es schnell gehen. „Seit Dienstag wissen wir, wie groß die zugelassene Kapazität sein wird. Deshalb haben wir auch am Dienstag erst begonnen die zu sperrenden Sitze entsprechend zu markieren“, erzählt Christian Hockenjos im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Direktor Organisation des BVB ist mit seiner Abteilung zuständig für die konkrete Umsetzung der Beschlüsse und Regeln und hat deswegen einige arbeitsreiche Tage hinter und auch vor sich. „Momentan werden rund 40.000 Aufkleber angebracht“, sagt er. „Die Leute haben auch alle auf diesen Tag hingearbeitet, dafür gebrannt und jetzt in Nachtschichten möglich gemacht, dass hoffentlich alles klappt“, ergänzt Cramer. „Man möge uns verzeihen, wenn es vor dem Hintergrund, dass es keinerlei Blaupausen gibt, nicht zur Perfektion reicht.“

Bei BVB gegen Gladbach bleibt jede zweite Reihe frei

Immerhin: Einiges konnte im Stadion schon vor Dienstag vorbereitet werden: „Wir haben viel Plexiglas verbaut, wir haben die Südtribüne bestuhlt, wir haben Abstandsmarkierungen gesetzt“, sagt Hockenjos. „Im Außenbereich haben wir nicht mit Spray gearbeitet, denn es kann ja sein, dass im nächsten oder übernächsten Heimspiel schon andere Regelungen gelten. Dann wären diese Markierungen obsolet, aber das Spray würde ein halbes Jahr lang halten. Deswegen werden wir dort mit Klebestreifen arbeiten.“

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Außerdem müssen Hockenjos und seine Leute die 10.000 Menschen bestmöglich im Stadion verteilen. „Wir definieren Regeln, und auf dieser Basis müssen die Ticketing-Mitarbeiter im digitalen Stadionplan Plätze sperren oder entsperren“, erklärt er. „Bei uns folgt aus dem Mindestabstand von 1,50 Metern, dass jede zweite Reihe freibleibt und zwischen besetzten Plätzen auch immer zwei freie Plätze bleiben.“ Dabei muss es nicht nur einzelne Plätze geben, in Teilen des Stadions werden auch zwei Plätze nebeneinander belegt – nämlich dort, wo unter der Tribüne die Umlaufebene größer ist und die Zuschauer deswegen mehr Platz haben, bevor sie ihre Plätze erreichen.

DIE TICKET-VERTEILUNG

Vorher aber steht die Frage: Wer darf überhaupt hinein ins Stadion? In Dortmund hat der BVB früh klargestellt: Wenn die Stadiontore wieder geöffnet werden, haben die 55.000 bisherigen Dauerkarteninhaber Vorrang. Gegen Gladbach allerdings ist der Kreis der potenziellen Abnehmer kleiner, weil die Stadt Dortmund weitere Auflagen gemacht hat: 75 Prozent der Besucher sollen aus der Stadt Dortmund kommen, die übrigen aus Nordrhein-Westfalen – damit es die Gesundheitsämter im Fall der Fälle leichter haben, Infektionsketten zu verfolgen. Aber: Allein in Dortmund hat der BVB etwa 15.000 Dauerkarten verkauft, die Nachfrage dürfte das Angebot also deutlich überschreiten – und dann wird gelost.

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Aber das kennt man ja in Dortmund. „Wir haben das so gemacht wie bei Pokalfinals“, sagt Cramer. Wir haben gemeinsam mit Fanvertretern einen Verteilungsschlüssel erarbeitet, der jetzt aber nur für Dauerkarteninhaber, für Fanklubs und für die Sponsoren- und Hospitalitykarten gilt.“ Letztere machen etwa ein Zehntel der Zuschauer aus und sollen sich bei den kommenden Spielen abwechseln.

„Sponsoren und Hospitality-Gäste sind für uns ökonomisch von enormer Bedeutung“, erklärt Cramer. „Komplett ohne Zuschauer entgehen uns pro Spiel 3,5 bis 4 Millionen Euro. Jetzt schöpfen wir ein Achtel der normalen Kapazität aus, werden aber deutlich mehr als ein Achtel der üblichen Einnahmen erzielen, nämlich Einnahmen im siebenstelligen Bereich. Das verschafft uns massiv Luft und das erreichen wir über das Kontingent für Sponsoren und Hospitality-Kontingent.“ Ansonsten habe man nämlich „sehr faire Preise gewählt“: 15 Euro kostet die billigste Sitzplatzkarte auf der Südtribüne, 55 Euro die teuerste auf dem Unterrang.

DER SPIELTAG

Wer am Ende ein Ticket erhält, bekommt dieses zugesandt und muss es am Samstag ausgedruckt mitbringen – samt Lichtbildausweis, aus dem die Anschrift hervorgeht. Denn es darf nur die Person ins Stadion, deren Name auf dem Ticket steht. Und auch ansonsten ist vieles anders als bei einem normalen Bundesligaspiel. Ganz gegen die sonstigen Gepflogenheiten appelliert der BVB an seine Fans, nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr, sondern mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß zu kommen.

Zeiten, in denen das Dortmunder Stadion leer bleibt, sind bald vorbei.
Zeiten, in denen das Dortmunder Stadion leer bleibt, sind bald vorbei. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services

Außerdem gibt es feste Zeitfenster zum Einlass: Zwischen 16 und 17 Uhr darf jeder das Stadion betreten, danach gibt es viertelstündige Zeitfenster für jeweils 2000 Zuschauer. Wer zur ersten Gruppe gehört, sitzt näher am Ausgang und darf auch als erstes wieder gehen – auf Anweisung der Ordner werden die Reihen nach und nach geleert. „Es hat am Samstag in der Roten Erde mit 300 Zuschauern sehr gut geklappt“, sagt Hockenjos über den Testlauf beim Regionalliga-Spiel der U23. „Und deswegen sind wir hoffnungsfroh, dass es auch gegen Gladbach mit deutlich mehr Zuschauern funktionieren wird.“

Dazu aber ist der Klub auf die Disziplin der Zuschauer angewiesen. „Verteilt euch über die zweieinhalb Stunden Anreisezeit, verteilt euch auf die 70 Eingänge, lasst es langsam angehen“, appelliert Cramer daher. „Achtet nach dem Spiel darauf, dass nicht alle gleichzeitig rausgehen, hört auf das Ordnungspersonal, das das Stadion Reihe für Reihe entleeren wird. Habt Verständnis dafür, dass es kein alkoholhaltiges Bier gibt, weil das womöglich enthemmt und dazu führt, dass der Mindestabstand nicht eingehalten wird. Habt Verständnis dafür, dass wir kein großes gastronomisches Angebot an den Kiosks vorhalten. Seid so nett, dass ihr nicht alle in der Halbzeit losrennt und euch eine Bratwurst holt. Geht nicht zu vielen Menschen gleichzeitig auf die Toilette.“

Die BVB-Ultras bleiben draußen

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Kurz: Stellt euch darauf ein, dass vieles anders ist als bei einem normalen Bundesligaspiel. „Für Fans wird es ein anderes Erlebnis“, weiß auch Cramer. „Natürlich würden wir uns auch wünschen, dass es diese Einschränkungen nicht gibt, aber wir leben eben in einer Pandemie und das Spiel am Samstag ist eine erste Chance, ein Stück in Richtung Normalität zu kommen.“

Die Ultragruppen allerdings wollen diesen Schritt noch nicht mitgehen. „Auch wenn die Einhaltung von Sicherheitsabständen und der Verzicht auf Stehplätze sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen aus epidemiologischer Sicht wohl unverzichtbar sind, hat das alles natürlich kaum etwas mit der Fankultur zu tun, wie wir sie ausleben“, teilt das Bündnis Südtribüne auf seiner Internetseite mit. „Das Bündnis habe entschieden, „dass wir erst in organisierter Form ins Stadion zurückkehren werden, wenn wir in gewohnter Art und Weise mit allen gemeinsam singen, jubeln und den Gegner bepöbeln können“.

Der personelle Aufwand für den BVB ist kaum geringer

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Marketing-Geschäftsführer Cramer zeigt Verständnis: „Wir hatten einen sehr offenen Umgang miteinander und verstehen, dass das für viele Menschen nicht das Fußball-Erlebnis ist, von dem man träumt“, sagt er. „Wir freuen uns aber, dass dennoch viele Bock haben, zu kommen.“

Vieles ist anders, der personelle Aufwand für den Klub aber ist kaum geringer als bei einem normalen Bundesligaspiel mit 81.365 Zuschauern: „Wir haben im Cateringbereich weniger Personal, weil das Angebot eingeschränkt ist“, sagt Hockenjos. „Aber beim Ordnungsdienst ist es fast wie bei einem normalen Spiel – nur mit anderen Aufgaben. Es geht weniger um Kontrollen beim Einlass oder darum, Scharmützel zwischen Fans zu unterbinden, sondern vor allem um die Kontrolle der Hygieneregeln.“