Dortmund. Eigentlich galt der Abschied von Guerreiro beim BVB als besiegelt, dann blieb er doch – und verlängerte sogar. Nun erklärt er den Umschwung.

Und dann kommt er doch noch: Die meisten der Profis von Borussia Dortmund haben das Stadion längst verlassen nach dem 3:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg, aber Raphael Guerreiro hat sich Zeit gelassen in der Kabine, hat sich in aller Ruhe fertig gemacht – und mit seinen Kindern Sacha und Ana, beide im Kindergartenalter, gespielt, gelacht und geschäkert.

Der Portugiese fühlt sich sichtlich wohl in Dortmund, das wird er später im Gespräch auch noch einmal bekräftigen – und das alleine ist schon eine erstaunliche Entwicklung in dieser jungen Saison.

Denn eigentlich war Raphael Guerreiro ja schon so gut wie weg. Die Gespräche über eine Vertragsverlängerung waren gescheitert. BVB-Trainer Lucien Favre plante nicht mehr mit dem Europameister von 2016, der wiederum liebäugelte mit einem Wechsel zum französischen Meister Paris Saint-Germain – und Sportdirektor Michael Zorc freute sich auf eine hübsche Ablösesumme.

Zusammenarbeit lief selten störungsfrei

Sportlich hatte sich der variabel einsetzbare Linksfuß in seinen drei Jahren in Dortmund zwar als durchaus wertvoller Bestandteil des Kaders erwiesen, doch selten war die Zusammenarbeit störungsfrei gelaufen. Hinter vorgehaltener Hand warf man ihm in Dortmund einen unprofessionellen Lebenswandel vor und führte darauf auch seine vielen Muskelverletzungen zurück.

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Doch es kam anders: Das erhoffte Angebot aus Paris blieb aus, Guerreiro musste bleiben – und verlängerte seinen im Sommer auslaufenden Vertrag im Oktober sogar bis 2023. „Das war eine Herzensentscheidung“, erklärt er. „Ich bin sehr gerne in Dortmund. Meine Kinder fühlen sich hier auch wohl, sie sprechen deutsch. Wir haben uns sehr gut an das Leben hier gewöhnt.“

BVB-Trainer Favre sah Guerreiro zunächst im Mittelfeld

Und auch Trainer Favre ist inzwischen froh, dass der Portugiese geblieben ist. Er hat Guerreiro zuletzt immer wieder als Linksverteidiger eingesetzt, auf jener Position also, die er auch in der portugiesischen Nationalmannschaft bekleidet. Favres Vorgänger sahen den flinken, ballsicheren Techniker eher im Mittelfeld, Favre aber sieht es inzwischen anders – auch mangels Alternativen: Neuzugang Nico Schulz überzeugt noch nicht, Achraf Hakimi schwächelt in der Defensive und wird meist anderswo gebraucht, Marcel Schmelzer spielt schon länger keine Rolle mehr.

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Guerreiro mag zwar nicht so schnell, nicht so dynamisch sein wie Hakimi oder Schulz. Dafür kann er dank seiner Technik, seiner Passsicherheit und der guten Ballbehandlung auch knifflige Pressingsituationen gut auflösen, auch unter großer Bedrängnis findet er den Weg nach vorne – und am gegnerischen Strafraum weiß er sich auch in engen Räumen durchzusetzen.

Die Formkurve geht klar nach oben.Guerreiro arbeitet nun deutlich professioneller, so ist zu hören, er hat sich einen Physiotherapeuten genommen und auch viele andere Tipps und Empfehlungen des Klubs umgesetzt. Sieben Saisonspiele hat er inzwischen bestritten, gegen Wolfsburg erzielte er seinen zweiten Treffer – so kann und soll es weitergehen, auch am Dienstagabend in der Champions League gegen Inter Mailand (21 Uhr/DAZN).

BVB muss gegen Inter Mailand Wiedergutmachung betreiben

„Es ist immer leichter, ins nächste Spiel zu gehen, wenn man gewonnen hat“, sagt der 25-Jährige – wohl wissend, dass es nach dem 0:2 im Hinspiel einiges wiedergutzumachen gilt. „Wir müssen viele Dinge ändern“, meint Guerreiro. „Wir hatten viel Ballbesitz, aber keine Chancen. Wir haben gespielt, sie haben abgewartet und uns ausgekontert.“ Sein Rezept: „Wir müssen offensiver und torgefährlicher sein.“ Das klingt einfacher, als es gegen den italienischen Tabellenzweiten ist – mit einem Guerreiro in Topform allerdings dürfte auch Inter seine Schwierigkeiten haben.