Hamburg. Auch Leon Goretzka fehlt Deutschland im EM-Qualispiel gegen die Niederlande. Bundestrainer Löw nennt zwei Kandidaten für die offene Position.

Überraschungen schätzt Joachim Löw überhaupt nicht. Der Bundestrainer ist ein Freund langfristiger Planungen, gerade auch in Personalfragen. Allein deswegen bereitet es ihm erkennbar Frust, was er am Donnerstag verkünden muss: Leon Goretzka fehlt im EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande am Freitag und wohl auch in Nordirland am Montag (beide 20.45 Uhr/RTL), im Training hat er sich eine leichte Einblutung im Oberschenkel zugezogen – jener Muskel, der ihm schon in den vergangenen Wochen Probleme bereitete.

Löw wollte Leon Goretzka für die Startelf nominieren

Für Löw auch deswegen ärgerlich, weil er für den früheren Bochumer und Schalker eine besondere Rolle vorgesehen hatte: Goretzka sollte den anderen Ex-Schalker Leroy Sané ersetzen, der mit einem Kreuzband-Teilanriss noch monatelang ausfällt. So zumindest klingt es durch, als Löw mit hörbarem Bedauern in der Stimme sagt: „Jetzt heißt es für uns, in eine andere Richtung zu denken.“

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Schon einmal, beim 3:2-Sieg gegen die Niederlande im Hinspiel, hatte Löw den gelernten Mittelfeldspieler Goretzka als Rechtsaußen aufgestellt, er schätzt dessen dynamische Läufe in die Tiefe ebenso wie das Gespür dafür, wann er sich zurück ins Mittelfeld fallen lassen sollte. Daraus wird nun nichts – und schon geht es von vorne los mit der Frage, die in Hamburg wieder und wieder diskutiert wurde: Wie ersetzt man einen wie Sané?

Der Tempodribbler von Manchester City ist das Gesicht des Umbruchs, der nach der verkorksten Weltmeisterschaft 2018 vollzogen wurde. Für das Turnier hatte ihn Löw gar nicht nominiert, weil er keinen Platz für den Ausnahme-Dribbler fand. „Aber nach der WM hat er sich bei uns zu einem sehr wertvollen Spieler entwickelt“, sagt der Bundestrainer. „All seine Spiele waren geprägt von viel Freude, Einsatz und von unglaublicher Schnelligkeit und Torgefahr.“

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Sanés endgültiger Durchbruch in der Nationalmannschaft kam ausgerechnet in den beiden zurückliegenden Spielen gegen die Niederlande in der Nations League (2:2) und der EM-Qualifikation (3:2), als er jeweils ein Tor schoss. Seitdem ist der 23-Jährige für Löw unverzichtbar: „Leroy ist unheimlich gut in Eins-gegen-eins- oder Zwei-gegen-eins-Situationen“, sagt Marco Reus. „Er schafft viele Räume mit seiner Schnelligkeit und Torgefahr und ist deswegen sehr wichtig für die Mannschaft.“

Sané bildete mit Reus und Gnabry einen Dreiersturm mit Tempo und Tricks

Gemeinsam mit Serge Gnabry bildeten Reus und Sané in den zurückliegenden Spielen gegen Weißrussland (2:0) und Estland (8:0) einen Dreiersturm, der mit Tempo, Tricks und vielen, vielen Positionswechseln den Gegner von einer Verlegenheit in die nächste stürzte.

Am System mit drei Angreifern will Löw festhalten, das macht er am Donnerstag unmissverständlich klar. Denn so kommt jene Tiefe ins Spiel, die 2018 so vermisst wurde, als die Mannschaft am eigenen Ballbesitzspiel erstickte. Das Spielsystem, die Raumaufteilung – all das sei ohnehin wichtiger als die Frage, welcher Spieler am Ende welchen Platz einnimmt, betont der Bundestrainer in einem spontanen Impulsreferat: „Wir stellen nicht um, weil ein Spieler fehlt.“

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Von Kai Schiller und Sebastian Weßling

Als möglichen Sané-Ersatz nennt er zwei Spieler: Julian Brandt oder Timo Werner. „Julian macht im Training einen sehr guten Eindruck“, sagt der Bundestrainer über den Neuzugang von Borussia Dortmund. „Genau wie in Dortmund immer dann, wenn er ins Spiel gekommen ist. Er hat mir auch bestätigt, dass er sehr viel Spaß in Dortmund hat.“ Werner kann fünf Tore in drei Ligaspielen und das entsprechende Selbstbewusstsein in die Waagschale werfen. Tendenz: Das größere Tempo gibt am Ende den Ausschlag für den Leipziger Werner – wenn nicht wieder eine unangenehme Überraschung alle Planungen über den Haufen wirft.