Hamburg. Das DFB-Team erlebt einen Umbruch mit neuen Anführern: Freitag gegen die Niederlande werden Qualitäten von Marco Reus und Niklas Süle benötigt.

Niklas Süle blickt einmal hinüber zu Marco Reus. „Ich beantworte die Frage, okay?“, fragt er. „Mach“, sagt Reus. Süle erzählt also darüber, wie gut die Stimmung bei der Nationalmannschaft ist, und als er fertig ist, sagt Reus. „Gute Antwort, Niklas.“ Er grinst, als er das sagt. Denn natürlich ist es nicht so, dass Reus seinen Kollegen Süle auf offener Bühne herumkommandiert. Dabei hat Reus durchaus den Anspruch, ein Führungsspieler in der Nationalmannschaft zu sein, er wird auch von Bundestrainer Joachim Löw ausdrücklich dazu ermuntert. Aber: Für Süle gilt das auch.

Freitag trifft das DFB-Team auf die Niederlande

Es sind zwei sehr unterschiedliche und auf den ersten Blick untypische Anführer, die am Mittwochmittag nebeneinander im Millerntor-Stadion sitzen. Und das verrät einiges über den Zustand der Nationalmannschaft vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande am Freitag (20.45 Uhr/RTL). Vor noch gar nicht allzu langer Zeit nämlich wäre niemand auf die Idee gekommen, einen Marco Reus mit nur 41 Länderspielen zum Anführer zu ernennen. Oder gar einen Niklas Süle mit gerade einmal 20 Partien. Führungsspieler – dieses Wort wurde im deutschen Fußball mit Ehrfurcht geraunt, diesen Titel musste man sich verdienen durch tapferes Bestehen in glorreichen Schlachten, durch Titelgewinne und vor allem: durch viele, viele Einsätze.

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Bundestrainer Joachim Löw aber war das schon immer eher egal. Er wird den Abwehrspieler Süle und den Angreifer Reus nicht nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in die Startelf berufen, er wird sie auch mit Führungsaufgaben betreuen. Denn erstens haben sich die Zeiten geändert, zweitens sind Süle und Reus starke Persönlichkeiten – und drittens sind ja auch nicht mehr allzu viele Kollegen dabei, die auf wesentlich mehr Einsätze kommen.

Reus verpasste die WM 2014 und die EM 2016 wegen Verletzungen

Die deutsche Nationalmannschaft ist im Umbruch, eingeleitet nach der verkorksten WM 2018 und im vergangenen Herbst noch einmal forciert durch den Rauswurf der Weltmeister Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller. Reus, obwohl schon 30 Jahre alt, ist eines der Gesichter dieses Umbruchs, erst jetzt schwingt er sich zur prägenden Figur im DFB-Team auf – nachdem ihn in der Vergangenheit geradezu aberwitziges Verletzungspech verfolgte. Nur deswegen kommt ja eine angesichts seines Alters und seiner überbordenden Fähigkeiten lächerlich geringe Zahl von 41 Länderspielen zustande, nur deshalb verpasste er die Weltmeisterschaft 2014 und die Europameisterschaft 2016.

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Jetzt will er nicht nur dabei sein, jetzt will er vorangehen, „so wie im Verein auch“. Bei Borussia Dortmund ist Reus Kapitän, in der Nationalmannschaft will er „den jungen Spielern, wenn sie Fragen haben, zur Seite zu stehen und ihnen helfen. Ich bin auch mal frisch zur Nationalmannschaft gekommen, da kennt man viele Sachen noch nicht.“

Süle zählt in der Abwehr mit 20 Einsätzen für den Erfahrensten

Süle dagegen kennt sich mittlerweile ganz gut aus beim DFB, in der Abwehr zählt er mit 24 Jahren und 20 Einsätzen zu den Erfahrensten – und nach dem Abschied von Hummels und Boateng hat Löw ihm die Rolle des Abwehrchefs übertragen. Vom Erscheinungsbild kommt der 1,95-Meter-Hüne deutlich imposanter daher als der im Vergleich schmächtige Reus. Verbal aber ist er zurückhaltender, auf dem Platz und daneben: „Ich kann mich mit Sicherheit in vielen Dingen noch weiterentwickeln und muss mich weiterentwickeln“, findet er. „In der Kommunikation neben dem Platz bin ich sehr stark, auf dem Platz fehlt mir das noch ein bisschen. Deswegen sehe ich schon Dinge, in denen ich mich weiterentwickeln muss, um ein richtiger Abwehrchef zu sein.“

Und was ist mit der fehlenden Erfahrung? „Erfahrung ist auch nicht alles“, antwortet der 24-Jährige. „Wir haben zuletzt auch mit Spielern, die erst zwei oder drei Länderspiele haben, gegen die Niederlande bestanden.“ Damals bereitete Reus den 3:2-Siegtreffer vor – auch das gehört bisweilen zu den Aufgaben eines Anführers.