Seattle. Die BVB-Stürmer sorgen zwar für Torgefahr, doch Kopfbälle sind nicht ihre Stärke. Rom-Star Schick bleibt deshalb eine Option.

Es brauchte Antizipation, es brauchte Spielwitz und es brauchte eine gehörige Portion Gefühl im Fuß für diese Aktion: 1:0 stand es für Borussia Dortmund im Testspiel gegen den MLS-Klub Seattle Sounders, da erlief BVB-Stürmer Paco Alcacer einen fatalen Fehlpass von Sounders-Torhüter Bryan Meredith. Alcacer machte ein paar kurze Schritte – und lupfte den Ball aus 20 Metern über den hilflosen Meredith hinweg zum 2:0 ins Tor (50.). Besser hätte man es nicht machen können.

Und trotzdem musste sich Trainer Lucien Favre nach dem 3:1 (1:0)-Sieg im CenturyLink Field von Seattle fragen lassen, ob er sich nicht noch einen Stürmer wünsche. Favre sagte weder ja noch nein, seine Antwort blieb recht indifferent – und passte damit gut zum diffusen Bild, das der Klub in dieser Frage abgibt.

Ein körperlich großer Spieler könnte dem BVB helfen

Einerseits waren sie beim deutschen Vizemeister in der vergangenen Saison ja sehr zufrieden mit ihrer Offensive: „Wir haben viele Tore mit teils spektakulären Aktionen geschossen“, findet Favre. Andererseits ahnen sie aber, dass ihnen ein zusätzliches Puzzleteil im Angriff gut tun könnte: „In gewissen Situationen wäre es natürlich einfacher, wenn man einen großen Spieler vorne drin hätte, der auch mal einen langen Ball verarbeiten kann“, sagt etwa Torhüter Roman Bürki.

Denn Alcacer und Mario Götze, die sich die Aufgabe im Sturmzentrum in der vergangenen Saison teilten, bringen bei all ihren vorhandenen Qualitäten einen entscheidenden Nachteil mit: Sie sind alles andere als groß. Götze misst 1,76 Meter, Alcacer ist noch einen Zentimeter kleiner. Kopfballduelle sind ihre Sache nicht, gegen Seattle war es Götze, der das Gegentor nach einem Eckball nicht verhindern konnte.

Kein Interesse an Mandzukic beim BVB

Braucht man also noch einen richtigen Brecher für das Sturmzentrum? Einen, mit dem man auch mal den simplen Dreisatz Flanke-Kopfball-Tor umsetzen kann, anstatt stets die spielerisch komplexe Lösung zu suchen? Die Klubbosse sind tendenziell dafür, eine solche Alternative hinzuzunehmen. Favre ist tendenziell dagegen, er fürchtet, dass ein großer, breit gebauter Stürmer den Spielfluss bremst, den er mit kleinen, wendigen Angreifern wie Alcacer und Götze aufziehen kann.

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Wobei: Kategorisch ist die Haltung des Trainers nicht, seine Ansichten sind von einer gewissen Wankelmütigkeit – weshalb sich auch die Meinungslage im Klub in schöner Regelmäßigkeit ändert. Sicher ist nur: Mario Mandzukic, medial immer wieder recht hartnäckig ins Spiel gebracht, möchte der BVB nach Informationen dieser Redaktion ebenso wenig verpflichten wie Moise Kean, seinen hochveranlagten Mannschaftskollegen bei Juventus Turin. Auch weil beide Lösungen nicht ganz billig wären, auch weil derzeit eher Personal ab- statt aufgebaut werden muss: 34 Profis stehen in Dortmund unter Vertrag.

Das Kaderpuzzle beim BVB geht weiter

Wahrscheinlicher ist daher, dass einer wie Patrik Schick, der 1,87 Meter große und doch wendige Stürmer vom Serie-A-Klub AS Rom mit Kaufoption geliehen wird. Auch dafür müssten erst Spieler abgegeben werden – das aber könnte schon bald passieren: Weil Daniel Ginczek, Angreifer des VfL Wolfsburg, nach einer Rücken-OP lange auszufallen droht, geht man in Dortmund davon aus, dass die Wolfsburger nun ihre Bemühungen um Maximilian Philipp noch einmal forcieren. Der 25-Jährige ist wechselwillig, als Ablösesumme stehen etwa 20 Millionen Euro im Raum.

Dann könnte auch ein neuer Stürmer kommen. Bis es so weit ist, behilft sich Favre mit dem, was ihm sein Kader bietet – gegen Seattle setzte er auch Neuzugang Thorgan Hazard im Sturmzentrum ein. „Er kann überall spielen, auch ganz vorne“, sagt der Trainer. Aber: Hazard ist noch einmal einen Zentimeter kleiner als Alcacer.