München. Beim 0:5 in München bekam der BVB eine Lehrstunde erteilt. Nun geht die Sorge um, dass der Glaube an die große Titel-Chance schwindet.

Immerhin ging nicht alles schief: Thomas Delaney war zur Dopingprobe ausgewählt, und nun saß der Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund im Münchener Stadion und mühte sich, dem Körper genug Urin abzupressen, um den Kontrolleur zufriedenzustellen. Erst nach 22 Uhr war es geschafft, der Däne wurde schnellstmöglich zum Flughafen gebracht und erreichte noch den Flieger mit seinen Mannschaftskollegen, der so eben abheben konnte, bevor das Nachtflugverbot griff.

Reus: „Wir haben verdient verloren, auch in der Höhe“

Es war eine der ganz wenigen gelungenen Aktionen der Dortmunder an diesem doch recht verkorksten Samstagabend, die zuvor eine brutale Lehrstunde erteilt bekommen hatten: 0:5 (0:4) gegen den FC Bayern München – und niemand wollte BVB-Kapitän Marco Reus widersprechen, als der feststellte: „Wir haben verdient verloren, auch in der Höhe.“

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Die Bayern waren von Beginn an hellwach, aggressiv und bissig. Die Dortmunder dagegen, mit zwei Punkten Vorsprung in das Spitzenspiel gegangen, ließen nie auch nur ansatzweise das Selbstvertrauen eines Tabellenführers erkennen. „Wir haben heute alles vermissen lassen, was eine Spitzenmannschaft ausmacht“, sagte ein sichtlich konsternierter Sportdirektor Michael Zorc. „Ich hatte das Gefühl, dass wir dieser Konstellation mental nicht gewachsen waren. Wir haben Fehler gemacht, die manche Spieler zuletzt in der A-Jugend gemacht haben.“

BVB wie eine Junioren-Auswahl

Tatsächlich wirkten die Gäste über weite Phasen des Spiels wie eine Junioren-Auswahl, die auf eine abgezockte Herrenmannschaft trifft. „Wir waren heute in allen Bereichen unterlegen“, urteilte Reus. „Sowohl taktisch als auch von der Griffigkeit, vom Zweikampfverhalten waren wir meilenweit vom Niveau der Bayern entfernt.“ Läuferisch, kämpferisch und spielerisch sowieso – in allen Aspekten des Fußballspiels waren die Münchener drückend überlegen.

Und auch Trainer Lucien Favre lag mit seiner Aufstellung daneben: In Abwesenheit der verletzten Paco Alcácer und Raphael Guerreiro entschied er sich für maximales Tempo in der Offensive, beorderte Reus in den Sturm, Mahmoud Dahoud dahinter, Jacob Bruun Larsen auf den Flügel – und Mario Götze auf die Bank. Und tatsächlich hatte Dahoud in der Anfangsphase nach einem Konter die große Chance auf die Führung (6.). Doch sein Pfostenschuss sollte die letzte Dortmunder Torchance bleiben. Reus hing als Stürmer in der Luft und fehlte als Ideengeber im Mittelfeld. „Jeder weiß, dass das nicht meine Lieblingsposition ist und ich da nicht spielen möchte“, ließ der Kapitän klar erkennen, was er davon hielt.

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„Wer das Ergebnis an der Aufstellung oder der Formation festmacht, hat keine Ahnung vom Fußball“, schimpfte dagegen Zorc, als er auf die Taktik angesprochen wurde. „Heute hätten wir 11-0-0 spielen können und hätten trotzdem 0:5 verloren.“ Zu absurd passivem Abwehrverhalten kamen eklatante individuelle Aussetzer: So konnte Mats Hummels einen Eckball zum 1:0 einköpfen (10.) und Robert Lewandowski nach kapitalem Fehlpass des indisponierten Dan-Axel Zagadou auf 2:0 erhöhen (17.). Noch vor der Pause hatten Javi Martinez (41.) und Serge Gnabry (43.) zwei weitere Treffer beigetragen, kurz vor Schluss stellte Lewandowski auf 5:0 (89.).

Die Ernüchterung war groß beim BVB, nachdem man sich auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister gewähnt hatte. „Wir reden immer davon, dass wir konkurrenzfähig sein wollen gegenüber den Bayern“, haderte Reus. „Aber das Spiel heute hat leider wieder gezeigt, dass wir davon noch sehr, sehr weit weg sind.“

Dortmunder grübeln über die Auswirkungen der Pleite

Die große Frage nun: Wie wirkt sich das auf die Psyche aus? Schwindet der Glaube an die große Chance auf den Titel, obwohl der Rückstand auf die Bayern nur einen Punkt beträgt? „Das beschäftigt uns sicherlich die nächsten Tage, das ist doch klar“, meinte Zorc. „Wir müssen jetzt zusehen, dass wir nächsten Samstag gegen Mainz 05 wieder zurückkommen.“ Und Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, warnte: „Wir dürfen das nicht so lange mit uns herumschleppen.“

Ansonsten mühten sie sich alle, Optimismus auszustrahlen – so gut es eben ging: „Natürlich glaube ich, dass wir noch Meister werden können, weil es nur ein Punkt Rückstand ist“, sagte Reus. „Aber wenn wir so auftreten wie heute…“

Und dann sprach er den Satz lieber doch nicht zu Ende.