Sinsheim/Dortmund. BVB-Sportdirektor Michael Zorc rief nach dem Abschied von Trainer Peter Stöger die Stunde Null aus. Lucien Favre soll der Nachfolger werden.
Die Stationen der Abschiedstournee sind in etwa so unterschiedlich wie es die Leistungen der Fußballer von Borussia Dortmund in der gerade abgelaufenen Saison waren: Montag Zwickau, Donnerstag Herne, ab Sonntag dann ein paar Tage Los Angeles. Freundschaftsspiele. Letzte Auftritte für Peter Stöger, den scheidenden Trainer. Nach der 1:3-Niederlage bei der TSG Hoffenheim, mit der sich die vom Glück geküssten Dortmunder noch in die Champions League rumpelten, zitterten, quälten, machte er offiziell, was ohnehin erwartet worden war.
Ein Trainer als neuer Reiz beim BVB
„Dies war mein letztes Pflichtspiel für den BVB. Intern war es schon eine Weile klar, dass es in diese Richtung geht“, sagte Stöger und betonte die gute Zusammenarbeit mit Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. „Wir sind gemeinschaftlich zu der Auffassung gekommen, dass dem Verein ein neuer Reiz vielleicht ganz gut tut. Und ein neuer Reiz ist am einfachsten mit einem neuen Trainer zu setzen“, sagte Stöger und wirkte nach seinem halbjährigen Intermezzo erleichtert, dass das Ziel erreicht war und vor allem, dass er zukünftig nicht mehr Teil des Dortmunder Fußball-Betriebs sein wird, der sich höchsten Zielen verschreibt, aber so viele Probleme mit sich herumträgt.
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„Wir sind erleichtert, dass wir nach einer aus verschiedenen Gründen schwierigen und komplizierten Saison in der Champions League stehen“, sagt Zorc am Sonntag im Gespräch mit dieser Zeitung: „Diese Spielzeit war kein Ruhmesblatt, aber wir haben jetzt Planungssicherheit, mit der wir unsere Vorstellungen umsetzen können.“ Die Vorstellungen lauten: „Jetzt müssen wir einen Neustart hinlegen!“
Einen Neustart – am liebsten mit dem Trainer Lucien Favre. Der Schweizer kämpft mit OGC Nizza in der französischen Liga noch um den Einzug in die Europa League. Letztes Spiel am kommenden Wochenende. Bis dahin soll die Sache nicht offiziell werden. Beide Seiten sollen sich aber bereits auf einen Zweijahres-Vertrag plus eine Option auf ein weiteres Jahr geeinigt haben. Vor knapp 14 Tagen traf sich eine Dortmunder Delegation in Südfrankreich mit dem Trainer, zu dem der Kontakt nie abriss, seit Favre der Wunschkandidat schon im vergangenen Sommer war.
Damals kam er nicht aus seinem Vertrag heraus. Dieses Mal macht eine Ausstiegsklausel einen vorzeitigen Abschied möglich. Das schöne Leben an der Côte d’Azur würde Favre gegen die sportlich reizvollere Aufgabe eintauschen – und seine Frau die landschaftlich mutige Entscheidung mittragen.
Was Favre dann in Dortmund erwartet, wird nach und nach Konturen annehmen. Klar ist: Schon ab Juni tritt Sebastian Kehl den neu geschaffenen Posten als Leiter der Lizenzspieler-Abteilung an. Mit dem externen Berater Matthias Sammer finden schon wöchentliche Treffen statt. Sammer fuhr zudem dreieinhalb Stunden mit dem Auto, um die Partie in Hoffenheim live zu erleben.
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„Auch auf Spielerseite wird es den einen oder anderen Wechsel geben“, kündigt Zorc an – und untertreibt. Nach Informationen dieser Redaktion steht fast ein Drittel des Kaders zur Disposition. Heißt: Wenn werthaltige Angebote für das entsprechende Personal eintreffen, ist der BVB gesprächsbereit. Gemeint sind unter anderem: Abwehrchef Sokratis, mit dem Verhandlungen über einen neuen Vertrag kein Ergebnis zeitigen, Linksverteidiger Raphael Guerreiro, die Mittelfeldspieler Gonzalo Castro und Nuri Sahin sowie Weltmeister André Schürrle. Interesse besteht weiterhin an einer Verpflichtung des Bremers Thomas Delaney, der auf dem Platz als ausgesprochen wehrhaft gilt. Zwar bieten mehrere Premiere-League-Klubs mit, der BVB rechnet sich dennoch Chancen aus..
Mehr Augenmerk auf Werte beim BVB
„Wir werden das Augenmerk wieder verstärkt auf Werte wie Disziplin, Teamgedanken, Gemeinschaftsgefühl legen. Das war aufgrund der Vorfälle in dieser Saison nicht immer so einfach. Gewisse Werte muss man vorgeben und auch auf deren Einhaltung achten“, sagt Zorc. Der Sportdirektor spielt auf Ousmane Dembélé und Pierre-Emerick Aubameyang an, die sich im Laufe der Saison zu anderen Vereinen streikten. „Natürlich hatten auch wir in beiden Fällen den Reflex, den jeder gehabt hat: ‚Dem zeigen wir es jetzt!‘ Aber so einfach wie in der Theorie ist das bei einem börsennotierten Unternehmen nicht. Ich glaube, dass wir die Vorfälle letztlich bestmöglich im Sinne des Vereins gelöst haben. Aber es wirkt trotzdem in die Kabine hinein, wenn ein Spieler seinen Wechsel schon bei den Kollegen ankündigt.“
Die Mannschaft war in Lager gespalten, keine Einheit mehr. Daher wird jetzt alles auf Null gestellt. Und alles hinterfragt. Am besten fängt jeder bei sich selbst an. Hat die Vereinsführung auch Fehler gemacht? „Natürlich haben wir Fehler gemacht“, sagt Zorc: „Wenn man vor Weihnachten seinen Trainer entlässt, dann hast du selbstverständlich nicht richtig gelegen.“ Der neue Trainer im Sommer wird der vierte innerhalb von 14 Monaten beim BVB sein.