Essen. Krisengerede in Dortmund? In acht Jahren erreichte der BVB achtmal den Europapokal, davon siebenmal die Champions League. Ein Kommentar.

Kein Traditionsklub der Fußball-Bundesliga hat stümperhaftes Management und Überlebenswillen jahrelang so perfekt miteinander verbunden wie der Hamburger SV. Jetzt ist Schluss: Der HSV ist als letztes Gründungsmitglied der Liga abgestiegen. Das Mitleid hält sich bundesweit in Grenzen.

Über Jahre zeigte der Verein, wohin Größenwahn führt. Trainerwechsel im Dutzend, ständig neue Sportdirektoren, überbezahlte Profis im Kader — und dazu einen harten Kern von Ultra-Fans, denen Pyrotechnik wichtiger als der eigene Klub ist. Der HSV steht heute am Abgrund.

Die Abhängigkeit von einem Geldgeber, der ohne Fachkenntnis regelmäßig ins Tagesgeschäft regiert, lehrt die Revierklubs vor allem Faustisches: Die Seele des Vereins muss unverkäuflich bleiben. Vielleicht findet der HSV in der 2. Liga zu seinen Wurzeln zurück.

Es ist nicht so lange her, dass Borussia Dortmund am Abgrund stand. Dank kluger Transferpolitik von Michael Zorc und kaufmännischer Finesse von Hans-Joachim Watzke fand der BVB mit Trainer Jürgen Klopp mitten in seiner größten Krise zurück zu alter Stärke.

BVB verfügt über genügend Geldmittel

Dass die jetzt beendete Saison missraten ist: geschenkt. Auch der BVB verbrauchte zwei Trainer. Aber bei aller Kritik, dass Platz vier nur mit Ach und Krach erreicht wurde und Schalke sensationell acht Punkte Vorsprung hat, sollte man die Verhältnismäßigkeit wahren.

In acht Jahren erreichte Borussia Dortmund siebenmal die Champions League und einmal die Europa League. Nicht zu vergessen: zwei Meisterschaften und DFB-Pokalsiege. Krisengerede, schön und gut. Aber deswegen muss man nicht so tun, als sei man beim Hamburger SV.

Der BVB verfügt inzwischen nicht nur über genügend Geldmittel, um den Umbruch zu finanzieren. Die Nachwirkungen des Bus-Attentats hat ein Jahr lang die Branchengesetze mit Leistungsprinzip und Transferpolitik außer Kraft gesetzt. Das kann erst jetzt nachgeholt werden.

Die Auseinandersetzung mit Fangruppierungen, die Steine auf Gästefans werfen oder Montagsspiele boykottieren, defokussiert eine Vereinsführung. Und dann sprechen wir noch nicht über das Theater, das mit einer Trainerpersonalie wie Thomas Tuchel einherging.

Das alles kann und darf keine Ausrede sein. Der FC Schalke hat vorgemacht, wie ein Verein, der voriges Jahr Platz zehn belegte, plötzlich mit seinen bescheidenen spielerischen Mitteln, aber mit einer klaren Spielphilosophie Vizemeister werden kann. Mit einem guten Trainer halt.

Dieser Trainer wird beim BVB wohl Lucien Favre heißen. Seine Aufgabe ist nicht mehr nur, irgendwie in die Champions League zu kommen (wie sein Vorgänger Peter Stöger). Er muss diese Leidenschaft in der Mannschaft wecken, die Dortmund über Jahre ausgezeichnet hat.

Diese Erwartung darf man bei einem Verein wie Borussia Dortmund haben.

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