Dortmund/München. Ein Debakel mit Folgen für Borussia Dortmund: Das 0:6 beim FC Bayern München zeigt auf, wie dringend der BVB einen Umbruch im Sommer braucht.
Über die Ostertage wurden die Tore zugesperrt, Borussia Dortmund trainierte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es gab einiges aufzuarbeiten – und das in deutlichen Worten, die nicht für fremde Ohren bestimmt waren.
Denn das 0:6 (0:5) beim FC Bayern durch die Tore von Robert Lewandowski (5./44./87.), James Rodriguez (14.), Thomas Müller (23.) und Franck Ribery (45.+1) hat den gesamten Klub erschüttert – vor allem wegen der Art und Weise, wie das Debakel zustande kam.
Im Dortmunder Trikot liefen statt einer Mannschaft elf hilflose Individualisten auf: Gonzalo Castro gewann bis zu seiner Auswechslung nach 29 Minuten keinen einzigen Zweikampf. Mittelstürmer Michy Batshuayi hatte im ersten Durchgang ganze 13 Ballkontakte – fünf davon beim Anstoß. Und der Rest der Mannschaft war kaum besser.
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„So etwas passiert, wenn man die Grundtugenden komplett weglässt“, schimpfte Sportdirektor Michael Zorc, „wenn man die Zweikämpfe nicht nur nicht führt, sondern sie gar nicht erst sucht.“ Hätten sich die Bayern in der zweiten Halbzeit nicht für die Champions League geschont, das Ergebnis wäre noch deutlicher ausgefallen.
Die Position von Stöger beim BVB ist geschwächt
So lag Peter Stöger später sogar richtig, als er bilanzierte: „Wir sind mit anderthalb blauen Augen davongekommen.“ Und dass das Spiel seine „Position sicher nicht gestärkt“ hat, wie er später im ZDF einräumte. Bis zum Debakel von München war Stögers Bundesliga-Bilanz vorzeigbar, von zwölf Bundesligaspielen hatte er keines verloren. Aber: Gegen den Tabellenführer ließen die Dortmunder nicht zum ersten Mal ein spielerisches Konzept vermissen. Stöger gelingt es bislang nicht, das Potenzial des Kaders auszureizen und die Mannschaft an ihre Leistungsgrenze zu führen. „Mein Leben definiert sich nicht darüber, dass ich beim BVB an der Seitenlinie stehe“, ließ der Österreicher so vorsorglich wie vielsagend wissen – machte aber auch deutlich, dass seine Position nicht die einzige Baustelle sei: Jeder Stein müsse umgedreht werden, es seien „nicht nur Rädchen, es sind Räder, die man drehen muss“. Und auch damit hatte Stöger recht. In München würde in aller Deutlichkeit vorgeführt, wie dringend und wie umfassend der Kader renoviert werden muss.
Auch beim Blick auf die Gegenseite: Robert Lewandowski erzielte drei Tore für die Münchener, Mats Hummels verteidigte in überragender Manier – beides Spieler, die einst in Schwarz-Gelb aufliefen und nie gleichwertig ersetzt werden konnten. Nicht qualitativ und schon gar nicht als Persönlichkeit.
Matthias Sammer, der dabei helfen soll, dies künftig zu ändern, hat sich schon früher Gedanken um die perfekte Struktur einer Fußballmannschaft gemacht. Danach braucht eine gute Mannschaft eine gesunde Mischung aus Führungspersönlichkeiten, Mannschaftsspielern und Individualisten.
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Mannschaftsspieler hat der BVB genug, Individualisten nur wenige und Führungsspieler kaum noch – zumal der erste Kandidat für beide Rollen, Marco Reus, immer wieder verletzt ausfällt.
Der BVB-Kader braucht frisches Blut
Die wankelmütigen Leistungen haben viele Ursachen, wohl auch den Anschlag vor fast genau einem Jahr, den viele Spieler noch immer nicht verarbeitet haben. Doch im Ergebnissport Fußball ist für Rücksicht nur wenig Platz. Will sich der BVB nicht dauerhaft aus der deutschen und europäischen Spitze verabschieden, bleibt die Champions-League-Qualifikation Pflicht. Und will man dort bestehen, braucht der Kader frisches Blut: einen oder besser zwei pass-sichere Innenverteidiger, Alternativen für die defensiven Außenbahnen, einen defensivstarken und zweikampfstarken Akteur für das defensive Mittelfeld und einen treffsicheren Stürmer – das sind die Mindestanforderungen.
Das Problem: Der BVB hat zwar viel Geld eingenommen – aber nicht genug, um für all diese Positionen gehobene Klasse zu verpflichten. Er muss also Spieler abgeben. Viele Profis verdienen in Dortmund allerdings sehr gut, leisten aber aktuell zu wenig, um bei anderen Klubs Begehrlichkeiten zu wecken.