Dortmund. Pierre-Emerick Aubameyang stellt sich über die Mannschaft und will seinen Wechsel erzwingen. Was kann der BVB dagegen tun? Ein Kommentar.

Mehrfach habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass der Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang bei Borussia Dortmund zwar ein großartiger und völlig zu Recht hochbezahlter Fußballprofi ist. Aber in seiner Person erkennen wir auch die andere Seite des Geschäfts: Er ist ein Sölder. Ihm ist das Wohl des Vereins gleichgültig.

Am Freitagmorgen unterstellte das ZDF Morgenmagazin dem BVB eine Mitschuld an der vertrackten Situation in Dortmund. Man habe dem Spieler, aus dem Kontext übertragen, zu oft an der langen Leine gelassen. Das ist einerseits richtig. Andererseits: Es ging nicht anders.

Aubameyang beanspruchte seine Freiheiten (zum Beispiel Unpünktlichkeit und Ausflüge nach Paris), um - wie er den Verantwortlichen sagte - bei Laune zu bleiben. Gute Laune hat ja immer bedeutet: viele Tore. Und die hat Aubameyang fast immer erzielt. Im Fegefeuer der Eitelkeiten darf ein Verein einem Spieler nur so viele Freiheiten zugestehen, wie der Rest der Mannschaft gerade noch so toleriert. Und da kam es offensichtlich zum Bruch.

Aubameyang sieht sich oberhalb der Mannschaft

Ihr Stürmerstar verzichtete weitgehend auf Defensivarbeit, zog sich in ein Grüppchen zurück, das lieber Französisch und Englisch spricht als Deutsch, und machte mit dem laschen Umgang von Mannschaftsterminen deutlich, dass er sich nicht nur außerhalb, sondern oberhalb der Mannschaft sieht. Es ist auch wirklich nicht vorstellbar, dass er sich von einem Spielführer Marcel Schmelzer zurechtstutzen lässt.

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Aubameyang hat Dortmund immer als eine Durchgangsstation gesehen. Das ist auch nicht schlimm. Der BVB lockt mit dieser Attitüde, ein Ausbildungsklub zu sein, die hungrigen Jungstars nach Brackel. Und Aubameyang war genau das, als er 2013 kam: ein Jungstar - und nicht mehr. Erst der Jubel von über 80.000 Menschen im SIGNAL IDUNA PARK hob ihn und seine Tore auf den Level, den wir Star nennen. Er spielt spektakulär.

Was bei ihm falsch lief: Irgendwann zählten für ihn die Regeln des Mannschaftssports nicht mehr. In Dortmund schiebt man diese Schuld auf Ex-Trainer Thomas Tuchel; er sei mit Aubameyang zu nachgiebig gewesen. Das ist mir zu einfach. Ein Verein, der Regeln hat, hält die Grenzen unabhängig von seinem leitenden Personal ein. Man nennt das: Kultur. Offenbar war es damit nicht weit her.

Die Liste der Verfehlungen ist lang

Vor dem Auswärtsspiel bei Hertha BSC wurde Aubameyang erneut aus dem Kader gestrichen. Wie schon beim Heimspiel gegen VfL Wolfsburg eine Woche vorher. Die Liste seine Verfehlungen ist lang. Dahinter steckt, gar keine Frage, Methode. Er will weg und tut für die Freigabe offensichtlich alles.

Suspendierung? Da lacht er doch drüber. Seine Politik der kleinen Nadelstiche sieht Auszeiten wie jetzt zum Start der Rückrunde vor. Alle Welt soll sehen: Es geht nicht mehr bei Borussia Dortmund. Das Schöne für ihn: In der Pressekonferenz diese Woche machte Arsenal-Trainer Arsene Wenger nicht den Eindruck, als störte ihn die Disziplinlosigkeit. Er sieht die Trefferquote. Schlimmer noch: Aubameyangs Verhalten beschleunigt den Transfer womöglich noch. Der BVB: kann nichts machen. Er ist machtlos. Und das ist nur bedingt die Schuld des Vereins. Wenn den Spielern was nicht gefällt, gehen sie halt und erzwingen notfalls die Freigabe. So schlimm sind die Zeiten im Profifußball.

Vom Fall des Ousmane Dembélé gelernt

Im Sommer noch lernte Aubameyang aus dem Fall des Ousmane Dembélé: Du musst nur unnachgiebig und beharrlich bleiben, fast gemein und asozial - dann bekommst du deinen Willen schon. Dann ist alles nur noch eine Frage des Geldes. So verhält sich der Spieler seit Wochen. Ist das die Schuld des BVB? Sicher nicht. Aber der BVB zahlt jetzt die Zinsen aus dem Fall Dembele. Die Entwicklung zu stoppen, wird die größere Herausforderung, als den Fall Aubameyang Richtung Arsenal zum Abschluss zu bringen. Da sind noch andere Profis mit Ansprüchen.

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