Sinsheim. Hoffenheim-Chef Dietmar Hopp stellt im Interview klar: Julian Nagelsmann soll bis 2019 bei der TSG arbeiten und nicht im Sommer zum BVB wechseln.
Dietmar Hopp ist 77 Jahre alt und Milliardär, Mäzen des Bundesligisten TSG Hoffenheim und Präsident des renommierten Golfclubs Sankt Leon-Rot. Anfeindungen in Fußballstadien könnten dem Gründer des Software-Riesen SAP gleichgültig sein. Aber kaum kommt die Sprache auf die Hassplakate gegen ihn, zückt er sein Handy und zeigt Fotos von den Beleidigungen und Angriffen. „Widerlich“, sagt er und erzählt von erfolgreichen Klagen. So kämpferisch zeigt er sich vor dem Gastspiel am Samstag bei Borussia Dortmund (18.30 Uhr / Sky live) auch, wenn es um seinen Trainer Julian Nagelsmann geht.
Herr Hopp, wenn wir aus dem Westen zum Interview kommen, wissen Sie: Wir kommen an dem einen Thema nicht vorbei.
Dietmar Hopp: Lassen Sie mich raten: Das Thema fängt mit N an.
Eher mit J — und läuft auf dasselbe hinaus: Julian Nagelsmann. Können Sie überhaupt noch verhindern, dass er im Sommer 2018 zu Borussia Dortmund wechselt?
Dietmar Hopp: Julian weiß, dass wir darauf bestehen, dass der Vertrag, den wir mit ihm geschlossen haben, erfüllt wird. Den Vertrag haben wir im Februar 2016 abgeschlossen, als unsere Situation in der Bundesliga fast aussichtslos war und wir vor dem Abstieg standen, und sollte drei Saisons lang gehen. Ich gehe davon aus, dass er bis zum 30. Juni 2019 bei uns ist — am liebsten länger. Ich mache mir keine Illusionen. Wenn er weiterhin so erfolgreich ist, können wir ihn nicht länger halten. Aber bis zum 30. Juni 2019 bleibt er in Hoffenheim.
Haben Sie mit ihm darüber so deutlich gesprochen?
Dietmar Hopp: Er saß drei Meter weg von mir, als ich das bei der TSG-Jahreshauptversammlung sagte. Ich bin sicher er hat das verstanden und akzeptiert.
Hat er nicht angedeutet, dass er, was den Sommer 2018 betrifft, nochmals ein Gespräch führen möchte?
Dietmar Hopp: Vor gut einem Jahr gab es eine Vertragsverlängerung bis 2021. Es ist ja nicht so, dass wir ihn auf seinem Anfangsgehalt haben sitzen lassen. Wir haben die Konditionen leistungsorientiert angepasst und haben das gerne gemacht. Aber die Ausstiegsklausel für 2019 konnten wir nicht verhindern. Das abzustreiten, wäre lächerlich. Ich habe das auch nie gemacht.
Warum haben Sie überhaupt eine Ausstiegsklausel gemacht?
Dietmar Hopp: Wir hätten sie nicht gemacht, wenn sie innerhalb der Grundlaufzeit bis 2019 gewesen wäre. Bis dahin sollte der Vertrag unantastbar sein. Was danach kommt, ist ein Nice-to-have.
Vertrag hin oder her: Könnten Sie seine Bitte um eine vorzeitige Freigabe überhaupt abschlagen?
Dietmar Hopp: Wir müssen uns auch auf etwas verlassen können. Wir müssen langfristig einen Trainer aufbauen, der ihn halbwegs ersetzt. Das kann man nicht in einem halben Jahr. Gespräche würden natürlich die Geschäftsführung und die sportliche Leitung führen, aber ich wäre dann dabei und würde darauf bestehen, dass der Vertrag bis 2019 erfüllt wird.
Sind Sie glücklich darüber, wenn Julian Nagelsmann mit seinen Stadionbesuchen selbst die Spekulationen anheizt?
Dietmar Hopp: Dass er beim Dortmunder Spiel in Mainz auf der Tribüne saß, war seine Pflicht. Wenn er unseren nächsten Gegner nicht beobachtet hätte, wäre das fahrlässig gewesen. Dass er vor Wochen in München saß, im roten Mantel: Ach ja, so ist es eben. Natürlich wünschte ich mir, dass er so klar handeln würde, wie ich es eben gesagt habe. Ich denke auch: Er wird das noch tun.
Wenn Sie sagen, dass er seinen Vertrag bis 2019 erfüllen soll, klingt das nicht so, als ob Sie über die Vorgespräche seines Beraters mit dem BVB Bescheid wüssten. Es gibt einen Grund, warum der BVB den Vertrag mit Peter Stöger nur bis Saisonende laufen lässt.
Dietmar Hopp: Davon weiß ich nichts. Ich habe Herrn Kosicke immer als angenehmen, aufrichtigen und fairen Gesprächspartner erlebt.
Können Sie nachvollziehen, dass der BVB in der Karriere von Julian Nagelsmann der richtige nächste Schritt ist?
Dietmar Hopp: Aus Sicht von Julian würde ich es mit Ottmar Hitzfeld halten: Es wäre schon sehr früh. Mit Sicherheit hat er bei uns wichtige Erfahrungen gesammelt. Wir sind mehr als zufrieden mit ihm. Und es waren die Originalworte seines Beraters, dass die Zeit in Hoffenheim bis 2019 wertvoll für ihn ist. Darum bin ich überzeugt, dass er gerne bleibt. Julian weiß auch: Hoffenheim hat nicht nur ihm viel zu verdanken — sondern er auch Hoffenheim.
Was gefällt Ihnen persönlich so an Julian Nagelsmann als Trainer?
Dietmar Hopp: Er zeigt einen hohen Einsatz, er ist kreativ, hat immer wieder neue Ideen. Ich war richtig begeistert zum Beispiel, wie er die Jungs nach dem 0:3 in Hamburg mit einer völlig ungewöhnlichen Strategie umgestellt hat, nämlich defensiver. Der ist überragend, der Mann.
Das klingt jetzt wirklich so, als sei er nicht zu ersetzen.
Dietmar Hopp: Zu ersetzen ist jeder. Aber er ist vermutlich nicht gleichwertig zu ersetzen. Es sei denn, wir finden einen, der bislang völlig unentdeckt ähnliche Qualitäten hat.
Dietmar Hopp über Nachfolgekandidaten für Julian Nagelsmann
Es werden ja schon Namen gehandelt.
Dietmar Hopp: Ich halte es für unanständig, dass man zum Beispiel den Trainer von Sandhausen nennt. Wir sind gute Nachbarn. Vor diesem Klub muss man den Hut ziehen. Niemals würden wir in Sandhausen wildern. Völlig ausgeschlossen. Oder Kiel. Mit diesen Spekulationen kann ich auch nichts anfangen.
David Wagner wurde auch genannt. Der Trainer von Huddersfield in England.
Dietmar Hopp: David Wagner gefällt mir. Er war schon Trainer in Hoffenheim, wir kennen ihn. Wir waren traurig, als er gegangen ist und dann auch noch Jonas Hofmann mitgenommen hat.
Von David Wagner haben Sie eine gute Meinung?
Dietmar Hopp: Eine hervorragende Meinung! Mein Bruder hat einen engen Freund in Huddersfield. Der erzählt, wie großartig David Wagner dort arbeitet.
Bitte sehen Sie mir meine Penetranz nach. Was ich so in der Branche höre, wäre das perfekte Szenario wohl: Wagner kommt im Sommer nach Hoffenheim — und Nagelsmann darf für eine Rekordablöse von zehn Millionen Euro nach Dortmund. Alle würden ihr Gesicht wahren.
Dietmar Hopp: Davon weiß ich nichts. Meine Meinung habe ich ja klar gesagt. Aber ich würde vor dem den Hut ziehen, der bei uns auf die Idee gekommen ist, David Wagner zurückzuholen.
Da schwingt eine gewisse Sympathie für diese Lösung mit.
Dietmar Hopp: In dem von mir benannten Zeitrahmen.
Was an Hoffenheim auffällt: Sie bringen wunderbare Spieler und offenbar gute Trainer hervor — aber ihr Glück suchen die dann woanders. Süle und Rudy, jetzt Uth und Nagelsmann. Wie sehen Sie die Rolle von Hoffenheim in der Bundesliga?
Dietmar Hopp: Wir können uns nicht mit den großen Klubs vergleichen. Das fängt schon bei der Stadionkapazität an. Wir haben noch eine lange Wegstrecke vor uns, bis wir in eine andere Größenordnung kommen. Eine Komponente in unserem Erlösblock heißt: Transfer-Einnahmen. Mein Blick lag von Anfang an auf guter Jugendarbeit in Hoffenheim. Als wir mit Hansi Flick als Trainer in die Regionalliga aufstiegen, übertraf das schon meine Erwartungen. An Bundesliga hat damals kein Mensch gedacht.
Jetzt sind Sie aber dabei. Haben Sie keine Titelambitionen?
Dietmar Hopp: Wenn wir die hätten, würde ich sagen: Ich bin hier nicht mehr der richtige. Ich bin ein glühender Verfechter von Financial Fairplay. Gleichwohl ich zugeben muss: Die TSG Hoffenheim würde es nicht geben, wenn es die Regelung, dass man nur ausgibt, was man einnimmt, schon vor zehn Jahren gegeben hätte. Ich habe investiert in ein Trainingszentrum und eine Mannschaft, die mitspielen konnte, und habe jahrelang Verluste ausgeglichen. Aber ich wollte immer, dass der Verein auf eigene Beine kommt, und meinen Erben nicht den jährlichen Zuschuss zumuten. Seit 2012 habe ich nichts mehr einschießen müssen. Dafür müssen wir jedes Jahr im Schnitt einen Transferüberschuss von fünf bis zehn Millionen erzielen.
Darum dürfen Ihre Spieler wechseln?
Dietmar Hopp: Uns ist klar, dass Spieler gehen wollen. Wir achten darauf, die Verträge frühzeitig zu verlängern, am besten zwei Jahre vor Ablauf des Vertrags, damit wir nicht bei einem auslaufenden Vertrag leer ausgehen. Geht das nicht, soll der Spieler ein Jahr vor Vertragsende verkauft werden.
Dietmar Hopp über Financial Fairplay
Sie sind Milliardär. Sie könnten aus den Vollen schöpfen wie RB Leipzig und ambitionierter sein.
Dietmar Hopp: Das geht nicht. Financial Fairplay verhindert das. Wenn Leute auf den Tribünen meinen, ich würde mein Füllhorn über Hoffenheim ausschütten, dann täuschen sie sich. Ich bin gespannt, was mit Paris Saint Germain passiert. 400 Millionen haben die in zwei Spieler investiert. Das schreibt man auf vier Jahre ab. Das sind 100 Millionen pro Jahr auf zwei Spieler: Wie willst du das finanzieren? Klar sagt der Scheich: Das ist eine tolle Werbung für mich. Aber es ist nicht mehr glaubwürdig, wenn die Uefa nicht sagt, dass es angemessen bleiben muss. Für Hoffenheim kann ich nur sagen: Wir halten uns an die Regeln, und wenn wir die Saison einstellig abschließen, bin ich schon happy. Das ist was Tolles für die Region und für unsere Jugendarbeit.
Und RB Leipzig?
Dietmar Hopp: Die haben unwahrscheinlich viel Geld. Ich wünsche mir inständig, dass sie mit ihrer Konstruktion kein Problem bekommen. Sie machen gute Jugendarbeit und geben dem Osten eine fußballerische Perspektive. Wir aber haben das Geld nicht.
Auf den Tribünen werden Sie immer in eine Schublade mit RB Leipzig gesteckt.
Dietmar Hopp: Die Krakeeler auf den Tribünen wollen doch gar nicht wissen, wie es bei uns läuft.
Was ist für Sie Fußballkultur?
Dietmar Hopp: Kultur ist etwas Positives. Was wir in Hoffenheim machen, ist Fußballkultur: Junge Menschen ausbilden, nicht nur im Fußball. Dafür ist bei uns der von meiner Stiftung unterstützte Verein „Anpfiff ins Leben“ verantwortlich. Wir machen das auch im Golf, beim Handball, im Eishockey. Mehr als 3000 Kinder kommen in den Genuss dieser Initiative. Da gibt es nur dankbare Menschen. Dankbarkeit gibt es auch beim Fußball. Aber wenn einer am Boden liegt, und das Stadion ruft: „Steh auf, du Sau!“, dann ist das keine Fußballkultur.
Wie definieren Sie dann Fußballkultur?
Dietmar Hopp: Bestimmt nicht wie die, die sich so flegelhaft benehmen, dass man Menschen beleidigt und angreift. Was den Leipziger Fans auswärts passiert ist, ist ja noch schlimmer als bei uns. Es ist katastrophal. Die Beleidigungen, die ich erfahre, will ich auch nicht mehr tolerieren. Zehn Jahre lang habe ich gedacht: Naja, das flaut ab. Im Gegenteil. Es hat sich aufgeheizt.
Dietmar Hopp über die Anfeindungen gegen seine Person
Sind Klagen das probate Mittel, die Hasswelle gegen Sie in den Stadien zu stoppen?
Dietmar Hopp: Es gibt keine andere Möglichkeit mehr. Wenn ich eine Luxusyacht hätte, würde die das nicht stören. Die stört nur, dass da ein Verein relativ erfolgreich Fußball spielt und ihnen möglicherweise Konkurrenz macht. Ich habe nichts gegen den 1. FC Köln. Mir tun vor allem die Leute leid, die mit ihrem Klub mitfiebern und auch ihre klare Ablehnung gegen diese Beleidigungen aus den Reihen der eigenen Fans lautstark kundtun. Für die, die diesen Hass schüren habe ich kein Mitgefühl.
Wie kommt der Hass bei Ihrer Familie an?
Dietmar Hopp: Ich habe zwei Enkel, der eine ist acht, der andere sechs. Für die ist das nicht schön, die Plakate gegen mich im Fernsehen zu sehen. Auch meine Schwester, sie ist 88, ist fassungslos. Meine Frau meinte: Ich habe es dir immer schon gesagt — du hättest das mit Hoffenheim besser nicht gemacht.
Sie haben es nicht nötig, sich beleidigen zu lassen. Haben Sie mal an Rückzug gedacht?
Dietmar Hopp: Ich habe es nötig, der Jugend zu helfen. Das ist für mich ein Auftrag, sozial tätig zu sein. Wir bewegen im Jahr mehr als 10.000 Kinder bei der TSG.
Aber was sollen die Klagen konkret bringen? Ist das Symbolpolitik?
Dietmar Hopp: Ich bin nicht rachsüchtig. Man denkt ja zuerst, das sind alle perspektivlose Menschen, die ihren Frust loswerden wollen. Doch da sind wohl situierte Menschen darunter. Da ist zum Beispiel in Köln einer dabei, der arbeitet bei der Industrie- und Handelskammer. Wenn solche Leute vorbestraft sind und der Arbeitgeber weiß, dass sie sich so flegelhaft benehmen, werden sie keine Vorteile haben. Wer sich so verhält, muss auch Konsequenzen spüren und von der Gesellschaft seine Quittung kriegen.
Welche Reaktion erwarten Sie am Samstag in Dortmund?
Dietmar Hopp: In Dortmund hat der Hass stark nachgelassen. Auch weil Herr Watzke sehr besonnen war und eingegriffen hat. Aber in Köln ist das so eskaliert, dass es nicht mehr hinnehmbar war. Auch wenn die zu uns kommen: In Toiletten haben sie einen Brand gelegt — da wäre beinahe ein Mädchen erstickt.
Was dachten Sie, als Sie das Plakat mit dem Butler gesehen haben? Und das mit den Beleidigungen gegen Ihre Mutter?
Dietmar Hopp: Ich war angewidert.
Gibt es genügend Unterstützung aus der Bundesliga?
Dietmar Hopp: DFB und DFL können nur mit pauschalen Strafen reagieren, die aber nicht unbedingt sinnvoll sind. Man hat mir gesagt: Das müssen Sie dann selbst in die Hand nehmen. Darum gehe ich vor Gericht. Weil sonst nicht viel passiert. Ich habe mal einen von denen, der ein Plakat in der Hand hatte, nach Hoffenheim eingeladen. Er ist nie gekommen.
Hans-Joachim Watzke lobt ausdrücklich das gute Verhältnis mit Ihnen.
Dietmar Hopp: Mit Dortmund ist auch alles in Ordnung. Das Verhältnis ist entspannt. Es waren auch schon Kölner, die nach Dortmund gefahren sind, um für Ärger zu sorgen. Ich weiß nicht, was ich den Kölnern getan habe.
Erwarten Sie von Herrn Watzke, dass er Sie wegen Nagelsmann anruft?
Dietmar Hopp: Herr Watzke kann mich jederzeit anrufen. Aber ich denke: Er wird in dieser Sache nicht anrufen, weil er um unsere Sicht der Dinge weiß.