Dortmund. Bei Borussia Dortmund haben sie gemischte Gefühle beim Wiedersehen mit Bayern-Trainer Jupp Heynckes. Zehn Spiele gewann er in Dortmund.

Peter Bosz stutzt kurz. „K-Wort?“, fragt der niederländische Trainer. „Ach, Krise. In Holland ist K-Wort etwas Anderes, etwas Böses.“ Nämlich das, was im Deutschen das A-Wort wäre.

Dass das deutsche K-Wort auch nicht schön ist, lässt Bosz abperlen: Gelassen beantwortet er Fragen zur Dortmunder Krise und zur Kritik an seinem Spielsystem. Ob er unter Druck steht nach sechs Pflichtspielen mit nur einem Sieg? „Druck ist bei Dortmund immer da“, sagt Bosz. „Aber damit müssen die Spieler und ich umgehen können.“

Natürlich wächst der Druck angesichts der jüngsten Pleiten, zumal am Samstag der FC Bayern in der Bundesliga zu Gast ist (18.30 Uhr/Sky). Und mit ihm Jupp Heynckes – der Trainer, der in 54 Jahren Bundesliga so oft wie kein anderer in Dortmund gewonnen hat. Zehn Siegen stehen fünf Remis und nur drei Niederlagen gegenüber. Sein bislang letzter Erfolg mit den Bayern in Dortmund war ein 3:2 am 17. Mai 1991, es folgten Siege mit Schalke 04 und Bayer Leverkusen. Nur mit Frankfurt konnte Heynckes nie in Dortmund gewinnen, dafür sechsmal mit Mönchengladbach. Und als Spieler trug er 1978 fünf Treffer zum Gladbacher 12:0-Sieg gegen den BVB bei – bis heute dessen höchste Niederlage in der Liga.

Und auch das wohl schmerzhafteste Erlebnis der jüngeren Dortmunder Vergangenheit hat Heynckes zu verantworten: Der 2:1-Sieg im Champions-League-Finale 2013 in Wembley brachte den Bayern das Triple und war der krönende Abschluss für Heynckes’ Karriere – dachte man.

Die 10 Heynckes-Siege beim BVB

3. 6. 1981 BVB – Gladbach 0:3: In seiner zweiten Saison als Gladbach-Trainer geht es am letzten Spieltag um den 6. Platz, der die Teilnahme am internationalen Uefa-Cup bedeutet. Der BVB hat ihn, Gladbach will und bekommt ihn. Die Gastgeber sind der Anspannung nicht gewachsen, Bruns schießt die Gladbacher früh in Führung (15.). „Das erste Tor traf uns wie ein Keulenschlag“, gab BVB-Präsident Reinhard Rauball zu Protokoll. Lothar Matthäus (76.) und Winfried Schäfer (88.) machen alles klar. Heynckes atmete tief durch: „Ich habe noch nie unter einer solch großen Nervenbelastung gestanden.“
3. 6. 1981 BVB – Gladbach 0:3: In seiner zweiten Saison als Gladbach-Trainer geht es am letzten Spieltag um den 6. Platz, der die Teilnahme am internationalen Uefa-Cup bedeutet. Der BVB hat ihn, Gladbach will und bekommt ihn. Die Gastgeber sind der Anspannung nicht gewachsen, Bruns schießt die Gladbacher früh in Führung (15.). „Das erste Tor traf uns wie ein Keulenschlag“, gab BVB-Präsident Reinhard Rauball zu Protokoll. Lothar Matthäus (76.) und Winfried Schäfer (88.) machen alles klar. Heynckes atmete tief durch: „Ich habe noch nie unter einer solch großen Nervenbelastung gestanden.“ © imago sportfotodienst
12. 9. 1981 BVB – Gladbach 2:3: Auf der BVB-Bank sitzt der große Branko Zebec, der in der Pause (0:3) viel korrigieren muss. Wolfram Wuttke (33.) und Frank Mill (36., 38.) legen drei Tore vor. Manfred Burgsmüller (46.) und Rüdiger Abramczik (52.) verkürzen – mehr nicht.
12. 9. 1981 BVB – Gladbach 2:3: Auf der BVB-Bank sitzt der große Branko Zebec, der in der Pause (0:3) viel korrigieren muss. Wolfram Wuttke (33.) und Frank Mill (36., 38.) legen drei Tore vor. Manfred Burgsmüller (46.) und Rüdiger Abramczik (52.) verkürzen – mehr nicht. © imago/Wiechmann
4. 6. 1983 BVB – Gladbach 4:6: Wieder vermasselt Heynckes dem BVB den Uefa-Cup. Um Sechster zu werden, hätte er gewinnen müssen, für Gladbach geht es um nichts mehr. Und doch drehen die Gäste einen 1:3-Pausenrückstand in ein verrücktes 6:4. Noch in der 70. Minute schießt Burgsmüller das 4:3, aber Hans-Günter Bruns, Matthäus und Mill verderben Dortmund erneut die Rückkehr nach Europa.
4. 6. 1983 BVB – Gladbach 4:6: Wieder vermasselt Heynckes dem BVB den Uefa-Cup. Um Sechster zu werden, hätte er gewinnen müssen, für Gladbach geht es um nichts mehr. Und doch drehen die Gäste einen 1:3-Pausenrückstand in ein verrücktes 6:4. Noch in der 70. Minute schießt Burgsmüller das 4:3, aber Hans-Günter Bruns, Matthäus und Mill verderben Dortmund erneut die Rückkehr nach Europa. © imago sportfotodienst
7. 9. 1984 BVB – Gladbach 2:3: 31.000 Zuschauer sehen am 3. Spieltag den vierten Heynckes-Sieg im Westfalenstadion. Bernd Klotz bringt den BVB in Führung (9.), Mill (32., 40.) und Christian Hochstätter (63.) drehen die Partie. Jürgen Wegmanns 2:3 kommt zu spät (88.).
7. 9. 1984 BVB – Gladbach 2:3: 31.000 Zuschauer sehen am 3. Spieltag den vierten Heynckes-Sieg im Westfalenstadion. Bernd Klotz bringt den BVB in Führung (9.), Mill (32., 40.) und Christian Hochstätter (63.) drehen die Partie. Jürgen Wegmanns 2:3 kommt zu spät (88.). © imago sportfotodienst
1. 11. 1985 BVB – Gladbach 2:3: Pal Csernai ist jetzt BVB-Coach, sein Team Vorletzter, Gladbach Zweiter. Uli Borowka schießt das 0:1 (6.), das Marcel Raducanu (37.) ausgleicht. Wieder gelingen Mill zwei Tore (55., 72.), wieder reicht Wegmanns 2:3 nicht (84.).
1. 11. 1985 BVB – Gladbach 2:3: Pal Csernai ist jetzt BVB-Coach, sein Team Vorletzter, Gladbach Zweiter. Uli Borowka schießt das 0:1 (6.), das Marcel Raducanu (37.) ausgleicht. Wieder gelingen Mill zwei Tore (55., 72.), wieder reicht Wegmanns 2:3 nicht (84.). © IMAGO
30. 5. 1987 BVB – Gladbach 0:2: Vor seinem Wechsel nach München der sechste Heynckes-Sieg mit Gladbach. Wieder geht es um einen Uefa-Cup-Platz, der Dritte spielt gegen den Fünften und verliert. Tore: Hochstätter (14.) und Uwe Rahn (32.). Nach Europa kommen beide.
30. 5. 1987 BVB – Gladbach 0:2: Vor seinem Wechsel nach München der sechste Heynckes-Sieg mit Gladbach. Wieder geht es um einen Uefa-Cup-Platz, der Dritte spielt gegen den Fünften und verliert. Tore: Hochstätter (14.) und Uwe Rahn (32.). Nach Europa kommen beide. © imago sportfotodienst
1. 8. 1987 BVB – Bayern 1:3: Seine Bayern-Premiere darf Heynckes in Dortmund feiern, er siegt auch mit dem neuen Team. Udo Latteks System ändert er nicht: „Warum soll ich etwas ändern, was gut ist?“ Michael Rummenigge (35.) und Roland Wohlfarth (50.) legen vor, Mill, jetzt beim BVB, verkürzt (52.). Joker Lars Lunde entscheidet das Spiel (78.).
1. 8. 1987 BVB – Bayern 1:3: Seine Bayern-Premiere darf Heynckes in Dortmund feiern, er siegt auch mit dem neuen Team. Udo Latteks System ändert er nicht: „Warum soll ich etwas ändern, was gut ist?“ Michael Rummenigge (35.) und Roland Wohlfarth (50.) legen vor, Mill, jetzt beim BVB, verkürzt (52.). Joker Lars Lunde entscheidet das Spiel (78.).
17. 5. 1991 BVB – Bayern 2:3: Im Titelkampf mit Kaiserslautern braucht Bayern den Sieg. Trotz zweimaligen Rückstands glückt er. Tore von Gerhard Poschner (4.) und Überläufer Michael Rummenigge (55.) kontert der Meister durch Roland Grahammer  (45.), Brian Laudrup (62.) und Joker Christian Ziege (87.). Es ist eine der ersten Liveübertragungen der Bundesliga (auf Premiere).
17. 5. 1991 BVB – Bayern 2:3: Im Titelkampf mit Kaiserslautern braucht Bayern den Sieg. Trotz zweimaligen Rückstands glückt er. Tore von Gerhard Poschner (4.) und Überläufer Michael Rummenigge (55.) kontert der Meister durch Roland Grahammer (45.), Brian Laudrup (62.) und Joker Christian Ziege (87.). Es ist eine der ersten Liveübertragungen der Bundesliga (auf Premiere). © imago/WEREK
30. 1. 2004 BVB – Schalke 04 0:1: Nach seiner Rückkehr aus Spanien übernimmt Heynckes Borussias Erzrivalen. Der verschießt zwei Elfmeter, Frank Rost pariert gegen Jan Koller und Torsten Frings. Platzverweise auf beiden Seiten. In letzter Minute trifft Ebbe Sand.
30. 1. 2004 BVB – Schalke 04 0:1: Nach seiner Rückkehr aus Spanien übernimmt Heynckes Borussias Erzrivalen. Der verschießt zwei Elfmeter, Frank Rost pariert gegen Jan Koller und Torsten Frings. Platzverweise auf beiden Seiten. In letzter Minute trifft Ebbe Sand. © imago/Horstmüller
22. 8. 2010 BVB – Leverkusen 0:2: Wie 1987 verdirbt Heynckes dem BVB den Saisonstart. Tranquillo Barnetta (19.) und Renato Augusto (22.) entscheiden die Partie früh. Aber das 0:2 ist die Initialzündung für Borussias Lauf zur Meisterschaft.
22. 8. 2010 BVB – Leverkusen 0:2: Wie 1987 verdirbt Heynckes dem BVB den Saisonstart. Tranquillo Barnetta (19.) und Renato Augusto (22.) entscheiden die Partie früh. Aber das 0:2 ist die Initialzündung für Borussias Lauf zur Meisterschaft. © imago sportfotodienst
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Stattdessen übernahm der 72-Jährige nach dem 7. Spieltag und der Entlassung von Carlo Ancelotti erneut in München – und droht abermals zum Schreckgespenst für Dortmund zu werden. Denn seitdem ist der BVB von Tabellenspitze mit fünf Punkten Vorsprung auf die Bayern zurückgefallen auf Platz zwei mit drei Punkten Rückstand.

Rückbesinnung auf die alten Werte

Warum sind die Bayern auf einmal unter Heynckes erfolgreich? „Er hat da wieder Ruhe reingebracht und wenn Bayern München Ruhe hat, ist das nie ein gutes Zeichen“, sagt BVB-Profi Nuri Sahin. „Sie haben sich vor allem wieder auf die alten Werte zurückbesonnen“, meint Bosz. „Sie spielen meist mit den selben Spielern – und zwar jenen, die auch in den vergangenen Jahren gespielt haben.“ Ähnlich sieht es der frühere Bayern-Spieler Dietmar Hamann: „Er spielt mit den Weltmeistern Jerome Boateng und Mats Hummels in der Abwehr und Martinez davor“, sagt der Sky-Experte. „Du brauchst dieses Gerüst, daran wachsen auch die anderen.“

Dass Rechtsverteidiger Joshua Kimmich mit Magenverstimmung fehlt, dürfte die Defensive nicht nachhaltig schwächen. Unter Heynckes kassierten die Bayern in sechs Pflichtspielen nur zwei Gegentore, der BVB dagegen elf – was Kritik am System des Trainers aufkommen ließ.

Hamann aber sieht andere Ursachen: „Vor dem zweiten Gegentor in Hannover etwa sind bei einem Zweikampf drei Spieler ausgespielt. Das hat nichts mit dem System zu tun, da müssen die Spieler Verantwortung übernehmen.“

Spieler wie Pierre-Emerick Aubameyang, der vor seinem Duell mit Bayern-Torjäger Robert Lewandowski eine Flaute erlebt und seit vier Spielen ohne Treffer ist. „Alle Topstümer haben mal eine Phase, in der sie nicht treffen“, bleibt Bosz auch hier gelassen. „Die beste Medizin ist ein Tor.“ Und ein Sieg. Dann wäre der BVB Tabellenführer – und das K-Wort erst einmal vergessen.