Dortmund. So wie BVB-Profi Mats Hummels ein Bayer in Dortmund ist, so könnte man Christian Nerlinger als Dortmunder in Bayern bezeichnen. Nerlinger, der heute als Sportdirektor und Nachfolger von Uli Hoeneß anreist, wurde in der Westfalenmetropole geboren und spielte als Profi beim BVB.
Dass Nerlinger, obwohl in Dortmund geboren, ein Bayer ist, ist im Gespräch unüberhörbar. Immer wieder klingt der markante Dialekt durch. Dass er in Dortmund geboren wurde, war auch Zufall. Papa Helmut, ein Münchener, spielte in den 70er Jahren beim BVB und kehrte später in die bayerische Landeshauptstadt zurück. Sohn Christian wechselte, nach Jahren beim FC Bayern, 1998 in den Ruhrpott. Seine drei Jahre mit 59 Liga-Spielen waren von Verletzungen geprägt. „Zehenbruch, Bandscheibenvorfall, Leistenbruch, Kreuzbandriss”, hat Nerlinger aus seiner BVB-Krankenakte in Erinnerung, die für zwei Profi-Karrieren reicht. Trotzdem hat er positive Erinnerungen an Dortmund, wo er Nationalspieler wurde. „Für meine Persönlichkeit war es wichtig, aus München rauszukommen, um erwachsen zu werden. Und die Wohnqualität war gut.” Das hören die Dortmunder mit Wohlwollen von einem wetterverwöhnten Münchener.
Dass der 36-Jährige „gerne zurückkehrt” hängt auch „mit dem Stadion, den 80 000 Zuschauern und der Atmosphäre zusammen”. Dort sitzt Nerlinger heute erstmals als Sportdirektor der Bayern mit Verantwortung für Lizenzspieler, Transfers, Junioren und Scouting auf der Bank. Und ist auch hier Nachfolger von Uli Hoeneß, der seit Saisonbeginn auf der Tribüne errötet.
In München arbeiten Nerlinger und Hoeneß eng zusammen. Und zwar ganz eng. „Büro an Büro”, erklärt Nerlinger. „Es macht viel Spaß, es ist unbezahlbar, wie er mich ins Boot genommen hat. Uli lebt seit 30 Jahren den FC Bayern, zeigt Leidenschaft, hat keine Ruhe.” Und auch der gelobte Uli Hoeneß findet für seinen Ex-Profi lobende Worte: „Wenn ich ihn arbeiten sehe, werde ich an meine Anfangszeit erinnert.”
Ähnlichkeiten also zwischen den beiden, die sich in ihrer Außendarstellung so unterscheiden: Hoeneß ist Gründer und Vorsitzender der „Abteilung Attacke”. Nerlinger gehört dagegen zur „Einheit Erklärung”. Er wirkt in sich ruhend, lässt sich nicht provozieren oder aus der Reserve locken. Aber er ist selbstbewusst. „Dürfen Sie ihren Trainer Louis van Gaal duzen?” lautet die Frage mit Anspielung, denn van Gaals Töchter dürfen es nicht. „Ja”, sagt Nerlinger. „Er mich aber auch.”
Wenn der neue Bayern-Sportdirektor aus dem Büro auf die Bank wechselt, sind die Ähnlichkeiten mit Hoeneß indes unübersehbar. Nerlinger schreit, fiebert mit. Und unter dem Scheitel des Ex-Profis färbt sich der Kopf auch schnell rot. Auf der Bayern-Bank wird Nerlinger heute einen prominenten Sitznachbarn haben. Van Gaal hat Franck Ribery, „eine Waffe” (Nerlinger), nur als Ersatz eingeplant. Ribery ist zumindest dabei. Miroslav Klose reist gar nicht an. Der Trainer verordnete dem Stürmer, der sich „nicht hundertprozentig fit” fühlt, ein Aufbauprogramm.