Dortmund. Mats Hummels, 20 Jahre jung, hat schon in der F-Jugend beim FC Bayern München gespielt. Der Durchbruch in der Bundesliga aber gelang ihm bei Borussia Dortmund. An diesem Samstag kommen die Bayern nach Dortmund - für Hummels ein besonderer Tag. Peter Müller sprach mit dem Defensivstrategen.
Beim letzten Heimspiel gegen die Bayern, beim 1:1 vor einem Jahr, haben Sie sich als 19-Jähriger gleich mal mit Weltmeister Luca Toni angelegt. Sie haben ihm Fallsucht vorgeworfen – er hatte keine Chance. Muss man so frech sein, um sich behaupten zu können?
Mats Hummels: Wenn man zu viel darüber nachdenkt, wie erfolgreich gegnerische Stürmer schon waren, flößt einem das viel zu viel Respekt ein.
Ist ein Spiel gegen die Bayern für Sie mittlerweile ein Spiel wie jedes andere?
Hummels: Auf keinen Fall. Ich werde mich so schnell nicht daran gewöhnen können, gegen Bayern München zu spielen, das war vor Borussia Dortmund mein einziger Verein. Es wird auf lange Sicht etwas besonderes bleiben – zumal Bayern der Topverein in Deutschland ist.
Topverein, gutes Stichwort. Ist Holger Badstuber ein Glückspilz? Er ist auch ein junger Innenverteidiger wie Sie, er kam auch aus der eigenen Amateurmannschaft, aber er spielt jetzt in diesem Topverein. Sie mussten wechseln, um spielen zu können.
Hummels: Er ist ein richtig guter Verteidiger, und er hat einen Trainer, der auf ihn setzt. Bei mir war der Trainer (Felix Magath, d. Red.) damals der Meinung, dass es für mich noch nicht reichte. Ich trauere aber keiner verpassten Chance nach.
Also keine Verärgerung, weil Sie jetzt vielleicht auch bei den Bayern spielen könnten, wenn sie dort geblieben wären?
Hummels: Nein, im Gegenteil, ich habe mich ganz bewusst für Borussia Dortmund entschieden.
Und das, obwohl Karl-Heinz Rummenigge vorher gesagt hatte: Wir holen Mats Hummels zurück.
Hummels: Ja, ich habe hier eine ganz andere Wertschätzung erfahren, auch in der Mannschaft. Bei den Bayern war das anders, da war ich halt der kleine Junge, der bei den Großen mitmachen durfte. Hier in Dortmund war ich auch bei den Fans schon früh anerkannt, und wenn diese Südtribüne deinen Namen ruft, dann beeinflusst das so eine Entscheidung erheblich. Dann weiß man, dass man hier richtig ist.
Es fällt auf, dass Sie für Ihr Alter enorm abgeklärt spielen. Das kann man nicht lernen, oder?
Hummels: Das wird mir öfter attestiert, mir selbst ist das gar nicht so bewusst.
Sie wirken, als hätten sie sich unter Kontrolle. Alles sieht überlegt aus.
Hummels: Das schmeichelt mir, aber ich habe immer schon so gespielt. Ich war früher langsamer als die meisten anderen Jugendspieler, da musste ich versuchen, andere Lösungen zu finden.
Sie haben sich im letzten Winter erneut schwer am Sprunggelenk verletzt, mussten operiert werden und eine halbjährige Pause einlegen. Wie haben Sie diesen Rückschlag durchgestanden und den Frust bewältigt?
Hummels: Die ersten Tage waren sehr hart. Aber dann habe ich sehr früh daran gearbeitet, dass ich wieder auf den Platz komme, und jetzt ist das Thema deshalb auch durch für mich.
Ihr erstes komplettes Spiel nach der Zwangspause war gleich das EM-Finale der U 21. Und Sie haben fehlerfrei gespielt.
Hummels: Vor dem Finale war ich überdimensional aufgeregt. Aber ich habe mich total gepuscht, habe mir gedacht: Jetzt musst du alles raushauen, was geht.
Sind Sie selbstkritisch?
Hummels: Bei mir läuft ein Spiel immer noch zwei Tage im Kopf weiter, ich schaue mir die Spiele auch noch einmal an. Früher hat mir meine Mutter, die beim Bayrischen Rundfunk arbeitet, die Bänder geschickt, inzwischen habe ich hier bei Borussia die Möglichkeiten, die Aufzeichnungen zu bekommen. Ich frage mich immer: Wo kann ich noch besser sein? Ich glaube, das ist ein guter Weg.
Und wenn Sie keine Wege mehr erkennen? Von wem holen Sie sich dann Rat?
Hummels: Ich rede nach jedem Spiel mit meinen Eltern über meine Leistung. Beide haben großes Fußballfachwissen, mein Vater arbeitet ja noch als Scout für die Jugendabteilung des FC Bayern. Er kritisiert mich auch sehr direkt.
Ist Ihre Flexibilität, Innenverteidiger und vor der Abwehr spielen zu können, ein Vorteil? Oder ist es ärgerlich, dass man verschoben werden kann?
Hummels: Flexibilität kann man nicht negativ auslegen. Sie bietet mehr Einsatzmöglichkeiten. Natürlich spielt dann der eine oder andere nicht dort, wo er gerne spielen würde. Aber es gibt inzwischen viele Bundesligaspieler, die auf hohem Niveau mehrere Positionen bekleiden können.
Ich kann Ihnen den Vergleich nicht ersparen, obwohl Sie ihn sicher kennen: Der junge Christoph Metzelder klang genauso vernünftig wie Sie.
Hummels: Das ist ein großer Spieler, er hat an Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen und spielt jetzt für Real Madrid. Wenn man seine fußballerische Karriere und auch seine Persönlichkeitsentwicklung verfolgt, ist es natürlich alles andere als schlecht, mit ihm verglichen zu werden.
Sie sind seit diesem Sommer immerhin auch schon U-21-Europameister.
Hummels: Ja, Europameister bleibt man sein Leben lang, auch wenn es – in Anführungszeichen – nur der U-21-Titel ist. Die gesamte Zeit war großartig.
Bei der neuen U 21 hakt es noch. Sie haben zwar in der vergangenen Woche Ihre ersten beiden Tore geschossen, aber gegen Tschechien gab es einen Rückschlag.
Hummels: Die Mannschaft ist neu formiert, gegen San Marino haben wir die Leute noch begeistern können. Gegen Tschechien hat sich dann erwiesen, dass wir noch mehr an uns arbeiten müssen. Wir können aus eigener Kraft noch den ersten Platz schaffen.
Haben Sie schon die Nationalmannschaft im Blick?
Hummels: Ich bin voll darauf fokussiert, mir in Dortmund meinen Stammplatz zurück zu erarbeiten, möglichst in der Innenverteidigung. Wenn mir das gelingt und ich dann auch in der U 21 über einen längeren Zeitraum gute Leistungen zeige, kommt das Thema vielleicht von allein auf.
Zumal im Gegensatz zu früher mittlerweile auch jungen Verteidigern Wertschätzung entgegengebracht wird. Serdar Tasci ist schon Nationalspieler, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Holger Badstuber und eben auch Mats Hummels sind wichtige Kräfte in ihren Vereinen.
Hummels: Das Vertrauen in junge Spieler wird bei den meisten Trainern zunehmend größer. Die meisten rechtfertigen das aber auch. Ich denke, Jerome Boateng wird der nächste sein, der noch in diesem Jahr in die A-Nationalmannschaft kommt.
In dieser Woche gab es für Sie ein dickes Lob von DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. Er ist davon überzeugt, dass Sie Nationalspieler werden.
Hummels: Das ist für mich eine Riesen-Ehre, wenn Matthias Sammer so etwas sagt. Da gibt es wenig, was einem mehr schmeicheln könnte. Ich werde allerdings nicht Nationalspieler dadurch, dass er es prophezeit. Ich werde alles dafür tun, dass er vielleicht irgendwann Recht behalten wird.
Sammer sagt auch, es sei wichtig, dass Sie sich nicht zu sehr unter Druck setzen.
Hummels: Ich denke, er meint damit, dass ich nicht verzweifeln soll, auch wenn ich bisher in dieser Saison noch keinen Stammplatz habe. Unter Druck setzte ich mich insofern, dass ich versuche, mich immer unter Spannung zu halten. Aber ich mache mich dabei nicht verrückt.