Dortmund. Mit dem 1:1 sind Borussia Dortmund und der VfB Stuttgart zufrieden. Nur der Torhüter färbt die Atmosphäre giftgrün. Gegen ihn und Neven Subotic, seinen BVB-Konkurrenten im Ellenbogengefecht, ermittelt jetzt der DFB.
Die Bundesliga wird ärmer sein, wenn die Lehmann-Brothers ihre Karriere zum Saisonschluss beenden. Der eine Lehmann ist nämlich noch immer ein herausragender Torhüter, und der andere ist ein begnadetes Boheitalent. Letzterer Lehmann hat auf seiner Abschiedstournee gerade den letzten Auftritt in Dortmund hinter sich gebracht und alles dafür getan, dass man ihn da, wo er von 1999 bis 2003 fest engagiert war, in schlechter Erinnerung behalten wird. Auf das Spiel zwischen der Borussia und dem VfB Stuttgart hatte das nicht viel mehr Einfluss als ein Schmetterlingsschlag in Gelsenkirchen, weil Schiedsrichter Helmut Fleischer sich Sekundenschlaf erlaubte. Aber Lehmann zwo kann auch aus einem 1:1, das alle irgendwie zufrieden stellt, ein Drama altgriechischen Zuschnitts gestalten.
Entwicklung nicht aufzuhalten
Das nennt man Kunst. Um sie auf die Bühne zu bringen, braucht es Jens Lehmann, der (zum Beispiel) Neven Subotic einen trockenen Hieb verpasst, und wenn dann Subotic dem Torhüter anschließend reaktionsschnell auf die Lippe prügelt, ist die Entwicklung hin zum Furchtbaren nicht aufzuhalten. Giftgrün leuchtete das Trikot Lehmanns, als er den staunenden Journalisten vorhielt, trotz ihrer technischen Sehhilfen von Blindheit erfasst zu sein. „Volles Rohr“ habe ihm der Innenverteidiger doch „einen mitgegeben“, so volles Rohr, wie es ihm „bisher noch nicht passiert“ sei in seiner Laufbahn. Er habe glatt um seine Zähne gebangt.
Da heult das Publikum. Allerdings auf. Beim griechischen Drama soll sich aus dem Furchtbaren so etwas wie eine Katharsis, eine Reinigung der Seele ergeben, im Fall Lehmann gegen Subotic und umgekehrt ermittelt jetzt der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes. Sollte hinterlistiges Geschwätz als Bewertungskriterium für die Situation hinzugezogen werden, erwartet den Torhüter eine brutale Abstrafung. Weil das nicht wahrscheinlich ist, hat Hans-Joachim Watzke, der BVB-Geschäftsführer, am Sonntag im Doppelpass des DSF zum Dolch gegriffen und clever Selbstjustiz geübt: „Dass die Zähne lockerer werden, könnte auch am Alter liegen.”
Um seine Zähne gefürchtet
Als der bald 40-jährige Lehmann um seine Zähne fürchtete, schrieb die Partie bereits die 43. Minute. Für einen Aufreger hatte jedoch schon vor dem Anpfiff der Aufstellungsbogen gesorgt. Dem war zu entnehmen, dass Stuttgarts Trainer die Stammkräfte Serdar Tasci, Timo Gebhart und Pavel Progrebnjak auf der Bank platziert hatte. Markus Babbel bemühte sich darum, diese Entscheidung als Beweis seines Vertrauens in die Jugend darzustellen, und der Treffer zum 1:1 von Georg Niedermeier in der 47. Minute bestätigte ihn.
VfB-Manager Horst Heldt schmunzelte allerdings wie der schlaue Det von den Mainzelmännchen, als er auf das Programm seines Klubs hinwies. Mittwoch werde es für die Schaffe-schaffe-Schwaben im Champions-League-Qualifikationspiel gegen Timisoara „ökonomisch wichtig“. Da müsse man trotz des 2:0 im Hinspiel „höllisch aufpassen“, und deshalb sei es wohl nachvollziehbar, wenn man „Leuten eine Pause bietet“.
Taktieren kam zur rechten Zeit
Für den BVB kam das auf Nachhaltigkeit ausgerichtete personelle Taktieren des Gegners wahrscheinlich zur rechten Zeit. Vier Tore hatte man in Hamburg kassiert, und beim Feierkick gegen Real Madrid war man noch einmal mit fünf Treffern beschenkt worden. „Ich kann uns nicht völlig davon freisprechen, dass uns das durchaus ein bisschen beeindruckt hat unter der Woche“, erklärte BVB-Trainer Jürgen Klopp. In einer solchen Phase der Verunsicherung, müsse eine Elf erst wieder „mit dem ABC anfangen“, assistierte Sportdirektor Michael Zorc. Und das hat die Mannschaft getan. Sie hat sich hineingekämpft ins Spiel, und nachdem Nelson Valdez durch Lehmanns Beine hindurch in der 27. Minute zum 1:0 getroffen hatte, demonstrierte sie auch, dass Qualität der Beine mit der Gesundheit der Köpfe eng verbunden ist.
Klopp hat also trotz eines „So-la-la”-Ergebnisses (Zorc) und eines nicht perfekten Saisonstarts noch immer vor allem mit Luxusproblemen zu ringen. Mats Hummels glänzte als Vertreter des in der vierten Minute verletzt ausgeschiedenen Tinga auf der Sechserposition. Was passiert, wenn Sebastian Kehl zurückkehrt? Wen stellt der Trainer auf, wenn Tinga fix genesen sollte? Lediglich Stürmer Lucas Barrios ist noch nicht in Westfalen angekommen. Dafür aber, endlich, Valdez, der Top-Torjäger, mit zwei Treffern.