Essen. Tatsachenentscheidungen schließen Ungerechtigkeiten ein. Es wird Zeit, bei Jens Lehmann genauer hinzuschauen. Ein Kommentar.
Es ist ein Fall, in dem gleich mehrere Personen zu weit gegangen sind, am Ende aber alle davongekommen sind: Der heimtückische Provokateur Jens Lehmann, der plumpe Revanche-Täter Neven Subotic, der sich in Widersprüche verstrickende Schiedsrichter Helmut Fleischer und auch der unbeherrschte BVB-Sportdirektor Michael Zorc, der sich mindestens in der Wortwahl vergriff, als er von einer „Ungeheuerlichkeit” sprach, weil der DFB-Kontrollausschuss mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf das „Trommeln der Medien” reagiert habe.
Indem er sich gestern nach Auswertung der TV-Bilder und der Schiri-Aussage auf eine „nicht mehr angreifbare Tatsachenentscheidung” berufen konnte, war der Kontrollausschuss formaljuristisch aus dem Schneider. Fragen bleiben dennoch. Zum Beispiel, ob es üblich ist, dass Referees eine von ihnen gar nicht richtig wahrgenommene Szene „auf Verdacht” (wie Fleischer einräumte) mit Freistoß ahnden.
Was bleibt, ist ein Gefühl der Ohnmacht. Aber das Prinzip der Tatsachenentscheidung, das im Fußball aus gutem Grund (um juristische Nachspiele zu verhindern) eingeführt wurde, schließt nun einmal Ungerechtigkeiten mit ein.
Eine Lehre sollten jedoch vor allem die Schiedsrichter aus dem vorliegenden Fall ziehen: bei Jens Lehmann endlich besonders sorgfältig hinzuschauen. War es doch bereits zum gefühlten 78. Mal, dass der frühere Nationaltorwart auf hinterhältige Weise einen Gegenspieler provozierte. Sein Vorgänger im Nationaltor, Oliver Kahn, war bekanntlich auch kein Kind von Traurigkeit, kämpfte aber wenigstens mit offenem Visier.