Dortmund. Der langjährige BVB-Kapitän Sebastian Kehl lobt den Fußball unter Thomas Tuchel. Im Interview verrät er, wie die Karriere nach der Karriere anläuft.

Auch wenn Sebastian Kehl in den vergangenen Monaten räumlich einige Tausend Urlaubskilometer zwischen sich und seiner Vergangenheit als Fußballprofi gelegt hat, kann der langjährige Kapitän von Borussia Dortmund die erfolgreiche Zeit bei Schwarzgelb nicht so leicht hinter sich lassen. Im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund blickt er durch eine Glasscheibe, hinter der sein Trikot vom Champions-League-Finale 2013 und die Binde, die er jahrelang um den Arm getragen hat, gelagert sind. „Hätte ich noch ein paar Pokale mehr gewonnen“, sagt der 35-Jährige, „wären es auch noch ein paar Exponate mehr geworden.“

Herr Kehl, es hätte bei Ihrem Karriereausklang im Mai in der Tat noch eine Trophäe hinzukommen können. Haben Sie die Niederlage im DFB-Pokalfinale gegen Wolfsburg inzwischen gut verdaut?

Sebastian Kehl: Sie schwirrte mir natürlich noch ab und an im Kopf herum. Es wäre ein Sahnehäubchen gewesen – auf meiner persönlichen Karriere und für den Verein nach einem turbulenten Jahr. Das Märchen wäre am Ende zu groß gewesen, das wir geschrieben hätten.

Sind haben in den vergangenen Monaten Nordamerika bereist, waren auf Kuba und in Indien. Sind Sie schon in Ihrem neuen Leben angekommen?

Sebastian Kehl: Ich wollte den Fußball hinter mir lassen und trotzdem glücklich sein: Ich glaube, es wäre mir deutlich schwerer gefallen, wenn ich in Dortmund geblieben wäre und vom ersten Tag an die Entwicklung des BVB verfolgt hätte. Dann hätte ich doch vermutlich mehr Wehmut empfunden. Ich wollte Abstand, habe während der Reisen nicht daran gedacht, was in Deutschland ist. Am Ende habe ich sogar ein wenig die Zeit vergessen, wusste nicht, ob es Montag oder Dienstag war. Das hat mir sehr gut getan. Aber natürlich werde ich dem Fußball immer verbunden bleiben.

Was hat sich für Sie geändert?

Kehl plant keinen Rücktritt vom Rücktritt

An einen Rücktritt vom Rücktritt denkt Sebastian Kehl nicht. Er hat aber noch die Möglichkeit, ein letztes Mal die Fußballschuhe für Borussia Dortmund zu schnüren: Der BVB hat dem 35-Jährigen ein Abschiedsspiel angeboten – ob und wann es dazu kommt, weiß Kehl aber noch nicht. „Ich habe keine konkreten Planungen“, sagt der dreifache Deutsche Meister (2002, 2011, 2012) und einmalige DFB-Pokalsieger (2012) mit dem BVB, aber „es wäre sicherlich nochmal ein schöner Moment, in dieses Stadion einzulaufen.“

Sebastian Kehl: Der Rhythmus. An Samstagen lag der Fokus nicht mehr auf der Bundesliga, es war nur ein weiterer Wochentag. Das auf meiner Reise zu spüren und diese Leichtigkeit mitzunehmen ist etwas, was ich in dieser Form überhaupt nicht kannte und mir deshalb viel Freude bereitet hat. Viele Menschen haben mir gesagt, dass sich auch Dinge an mir verändert hätten – man selbst ist aber nie dazu in der Lage, das vollständig zu reflektieren und vor allem objektiv zu betrachten. Ich fühle mich gut, bin sehr glücklich und weiterhin davon überzeugt, dass es der richtige Zeitpunkt für mich war aufzuhören.

Kehl: "Henrikh Mkhitaryan spielt eine fantastische Saison" 

Dabei begeistert die Borussia doch gerade wieder.

Sebastian Kehl: Die Jungs spielen einen fantastischen Fußball, haben sich in der Liga wieder ganz nach vorne katapultiert und machen einen konstanten Eindruck. Trotz der Niederlage zum Hinrundenabschluss gegen Köln kann man mit der Entwicklung in allen drei Wettbewerben zufrieden sein. Es war klar, dass die Zeit nach Jürgen Klopp nicht einfach werden würde, aber sie haben es hervorragend gemeistert.

War die Trennung vom Trainer im vergangenen Sommer das Beste, was Dortmund passieren konnte?

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Sebastian Kehl: Das zu behaupten wäre ungerecht, Jürgen hat beim BVB eine fantastische Zeit mitgestaltet und war maßgeblich daran beteiligt, dass wir wieder so erfolgreich wurden. Aber manche Dinge im Leben haben ihre Zeit, und vielleicht war jetzt der Zeitpunkt gekommen, um zu sagen, ein Wechsel tut ganz gut.

Zumal sich der Nachfolger Thomas Tuchel blendend eingeführt hat.

Sebastian Kehl: Ich habe mit ihm vor der Saison mal ein Gespräch geführt. Da hatte ich schon das Gefühl, dass er einen klaren Plan hat und insgesamt eine tolle Idee, wie er den Fußball wieder nach vorne bringen möchte. Ich glaube, mit einigen Veränderungen innerhalb der Mannschaft und ein paar taktischen Dingen hat er das gut hinbekommen. Die Qualität war immer da. Ich bin froh, dass die Jungs zeigen, was in dem Verein steckt. Da, wo sie stehen, gehört der BVB auch hin.

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Beinahe unheimlich, wie Pierre-Emerick Aubameyang gerade trifft.

Sebastian Kehl: Nicht nur er, auch Henrikh Mkhitaryan spielt eine fantastische Saison. Der BVB hat im vorderen Bereich weiter enorme Qualität, 47 geschossene Tore sind überragend. Ein paar Gegentore noch weniger und dann läuft es in dieser Saison in die richtige Richtung.

Kehl will auch nach der aktiven Karriere im Fußball bleiben 

Welche Richtung schlagen Sie denn ein? Sie haben gerade bei der Uefa ein Sportmanagement-Studium begonnen. Muss es zwingend der Fußball sein, wenn Sie in den Sport zurückkehren?

Sebastian Kehl: Es gibt viele Möglichkeiten um den Fußball herum. Aber das ist schon der Bereich, auf den ich mich fokussieren werde. Da werde ich versuchen, die Erfahrung und Qualitäten, die ich gesammelt habe, mit einzubringen. Ich glaube, es wäre fahrlässig, das erst einmal zu vergeuden. Was sich daraus entwickelt und wie der Weg weitergeht, weiß ich heute aber noch nicht.

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Ihr Studium endet 2017 – suchen Sie erst danach konkret nach einer Einstiegsmöglichkeit?

Sebastian Kehl: So lange werde ich nicht warten. Es wird sich in der Zeit sicherlich etwas ergeben. Das Studium würde mich dabei nicht so sehr einschränken, das kann ich dann auch begleitend machen.

Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc ist mit 53 Jahren zu jung, um seinen Posten freizumachen, aufgrund der Erfolge steht seine Arbeit sowieso nicht zur Debatte.

Sebastian Kehl: Das stimmt (lacht, d. Red.). Aber es gibt ja auch noch andere Dinge, die interessant erscheinen. Ich freue mich jetzt erst einmal auf Weihnachten, im Januar oder Februar weiß man dann, wohin die Reise geht.