Dortmund. . Der BVB bestreitet beim HSV das erste Bundesligaspiel nach den Terrortagen. BVB-Coach Thomas Tuchel fällt es nicht leicht, in den Alltag überzugehen.

Videoanalysen gehören bei Profisportlern meist nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen ihres beruflichen Alltags. Man bekommt häufig Fehler vorgeführt, natürlich mit der Intention, diese abzustellen. Gelingt dies jedoch nicht, wird der Ton des Trainers schärfer. Thomas Tuchel hat eine sanfte Stimme, kann sie gleichwohl bei gegebenem Anlass dem Maß seiner Empörung anpassen. Dies müssen die Bundesligakicker von Borussia Dortmund vor ihrer Partie beim Hamburger SV (Freitag, 20.30 Uhr/ live in unserem Ticker) allerdings nicht fürchten. „Man bekommt ja gerade ganz brutal vor Augen geführt, dass eine Videoanalyse nur nebensächlich ist“, sagt Tuchel.

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Die Schwarzgelben sind in der Freitagabendbegegnung des 13. Spieltags dazu bestimmt, im Hamburger Volkspark eine Art Testballon starten zu lassen: Wie schnell kann das Bundesliga-Business nach den verstörenden Terrorereignissen der vergangenen Tage wieder den Normalbetrieb aufnehmen? Vermitteln die zusätzlichen Kontrollen ein Gefühl von Sicherheit – auf dem Rasen wie auf den Rängen?

Tuchel nennt die Betroffenheit und die Nähe der Angst eine neue Kategorie. „Es fühlt sich anders an“, betont der BVB-Coach, „es ist aber wichtig, dass der Spieltag stattfindet, denn nur über die Wiederholung von sicheren Spielen können die Menschen das schneller verdrängen und sich durch Fußball als Unterhaltung ablenken lassen.“

Tuchel und BVB vor HSV gewarnt

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Einfluss auf den psychologischen Zustand seiner Akteure kann der 42-Jährige eh nicht nehmen. Schließlich ist es ein Unterschied, ob man sich als Spieler in den letzten Tagen in Paris und Hannover oder auf dem Trainingsgelände in Dortmund-Brackel aufgehalten hat. Tuchel will den drei Nationalspielern Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Matthias Ginter keine besonderen Ratschläge erteilen, „ich habe selbst mehr Fragen als Antworten zu diesem Thema“. Und für alle, die räumlich und mental mehr Distanz zu den Horrortagen hatten, erklärt Henrikh Mkhitaryan stellvertretend: „Ich will mich jetzt auf Fußball fokussieren. Es ist nicht unser Job, den Terrorismus zu bekämpfen.“

Laut Tuchel bestehe die Kunst der Ablenkung auch darin, „unseren Beruf ernst zu nehmen“. Und der sieht im letzten Abschnitt der Hinrunde einen Gegner vor, der dem BVB in den letzten Jahren häufig Unbehagen bereitet hat. „Der HSV wird versuchen, aus der Außenseiterrolle das Bestmögliche zu machen“, sagt der Trainer. Mit Ausnahme des VfL Wolfsburg (5. Dezember) wartet auf die Borussia in der Bundesliga bis Weihnachten kein Kracher mehr. Der wieder genesene Marco Reus will schon in der Hansestadt dazu beitragen, Platz zwei hinter den Bayern abzusichern. Oder wie Henrikh Mkhitaryan es formuliert: „Es ist wichtig, diesen bisherigen Weg weiterzugehen.“

Tuchel muss mit Pfeifkonzert rechnen

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Auch Thomas Tuchel ist froh, diese Entwicklung des BVB mitbestreiten zu können. Bevor ihn die Dortmunder als Nachfolger von Jürgen Klopp im Frühjahr unter Vertrag nahmen, stand der Fußballlehrer in Verhandlungen mit dem HSV. Dazu habe er Gespräche geführt, die handelnden Protagonisten kennengelernt. „So eine Findungsphase ist aber auch von vielen Wellentälern geprägt und dauert über einen längeren Zeitraum“, erklärt Tuchel, warum er sich für Schwarzgelb entschieden hat, „und manchmal hat man eben das Gefühl: Je mehr Zeit vergeht, desto größer können auch die Zweifel werden“. Obwohl er sich auf das Wiedersehen mit den HSV-Verantwortlichen freue, muss Tuchel natürlich auch mit einem Pfeifkonzert der heimischen Fans rechnen.

Wobei: Das wäre doch schon wieder ein gutes Stück Bundesliga-Alltag.