Bad Ragaz. BVB-Sportdirektor Michael Zorc verknüpft viele Hoffnungen mit der neuen Saison - was nicht zuletzt an Trainer Thomas Tuchel liegt. Ein Interview.
Ungewohnt früh beginnt für Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund die neue Saison. Das liegt an der Qualifikation zur Europa League. Für Dortmunds Manager Michael Zorc geht es in der kommenden Spielzeit um einen Neustart des BVB - verbunden mit Hoffnungen und Erwartungen.
Herr Zorc, sagen Ihnen die Namen Boris Hüttenbrenner und Joachim Standfest etwas?
Michael Zorc: Natürlich. Den Wolfsberger AC habe ich vergangene Woche gesehen, weil wir uns das Rückspiel zwischen Wolfsberg und Saligorsk zusammen live im Hotel im Trainingslager angeschaut haben.
Welche Erkenntnisse konnten Sie vom Gegner Wolfsberger AC (Donnerstag, 21.05 Uhr, live Sport1 und in unserem Ticker) in der Europa-League-Qualifikation gewinnen?
Zorc: Wolfsberg ist sehr souverän weitergekommen. Die Mannschaft schaltet schnell von Defensive auf Offensive um, so können sie gefährlich werden. Wolfsberg war in der vergangenen Saison so eine Art Überraschungsmannschaft in Österreich, sie hat die ersten sechs Saisonspiele gewonnen und zwei Mal gegen Red Bull Salzburg. Aber wir sind der Favorit und dieser Rolle wollen wir gerecht werden.
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Nach vier Jahren mit Real Madrid, Arsenal London und Manchester City: Wie schwer fällt es dem BVB, sich gedanklich auf einen Klub wie RZ Pellets Wolfsberger AC einzustellen?
Zorc: Das werden wir sehen. Aber es ist doch wie im normalen Leben: Das alles ist kein Wunschkonzert. Aber wer den Wettbewerb oder die Gegner geringschätzt, macht schon den ersten Fehler. Es ist unser erklärtes Ziel und unser Anspruch, international vertreten zu sein. Das ist auch für uns ein lukrativer Wettbewerb, von daher ist die Marschrichtung klar. Am Ende brauchen wir auch Ergebnisse.
Bis zur Winterpause könnte der BVB schon 30 Spiele absolvieren müssen.
Zorc: Das sind genau zwei mehr als der Tabellenvierte hat, der in die Champions-League-Qualifikation muss. Problematisch ist lediglich, dass die beiden ersten Spiele so früh kommen. Wir haben den Kader darauf ausgelegt, der ist ja nicht zu klein. Besonders wichtig ist aber, dass wir unsere Spieler im Gegensatz zu großen Teilen der vergangenen Saison von Verletzungen verschont bleiben und ihre Form über einen längeren Zeitraum entwickeln können. Marco Reus und Ilkay Gündogan haben den WM-Titel mit der Nationalmannschaft verpasst, ihnen ganz besonders wünsche ich, dass sie gesund bleiben. Ich habe mal nachgeschaut: Wir hatten zwölf, dreizehn Spieler, die sechs Wochen oder länger gefehlt haben. Das können wir nicht auffangen.
Sind so viele Verletzungen ausschließlich auf Pech zurückzuführen?
Zorc: Natürlich braucht man das Glück, von äußeren Einflüssen verschont zu bleiben. Wenn dir einer in die Füße grätscht, dann hilft Prävention nicht. Trotzdem arbeiten wir natürlich an dem Thema. Wir brauchen mehr Robustheit, arbeiten extrem präventiv und werden versuchen, Spieler erst dann auch zu bringen, wenn sie in der entsprechenden Verfassung sind. Das war letztes Jahr nicht immer einfach, weil so viele Spieler weggebrochen sind, dass man immer Kompromisse machen musste. Wir hoffen, dass wir die in diesem Jahr nicht machen müssen.
Wann haben Sie mit der vergangenen Saison abschließen können?
Zorc: Das ist ein Prozess. Man drückt ja nicht auf einen Knopf und stellt fest: jetzt ist alles verarbeitet. Ich war ehrlich gesagt froh, als es zuende war, weil wir uns auf die neue Situation einlassen konnten.
Wie erleben Sie Thomas Tuchel in den ersten Wochen der gemeinsamen Zusammenarbeit?
Zorc: Thomas arbeitet sehr akribisch, detailversessen, ist dabei aber kommunikativ und offen. Dadurch hat er selbst das eine oder andere Vorurteil selbst widerlegt. Er ist der erste und der letzte auf dem Platz, setzt neue Schwerpunkte in der Trainingsarbeit und abseits des Rasens, zum Beispiel bei der Ernährung. Die Mannschaft ist absolut aufgeschlossen, diese Impulse aufzunehmen und umzusetzen.
Finden Sie es manchmal übertrieben, dass der Trainer sich auch noch um die Rasenpflege kümmert? Deckt er vor dem Essen auch den Tisch?
Zorc: (lacht) Nein, nein. Der Rasen ist die Grundlage des Fußballs, dort soll der Ball rollen. Wenn er da mal ein Stück neu einsetzt, das jemand herausgegrätscht hat, dann ist das ganz normal. Manche Sachen werden eben derzeit auch überhöht, weil es schön plakativ ist.
Sie haben es vorhin angesprochen: Der Kader ist nicht zu klein, eher im Gegenteil. Wer darf den Verein verlassen?
Zorc: Wir haben noch einige Wochen Zeit. Der Trainer lernt die Mannschaft gerade richtig kennen und die Spieler bekommen Gefühl dafür, wo sie stehen und welche Perspektive sie haben. Das eine oder andere kann sich noch ergeben, wobei die Grundstruktur der Mannschaft sich nicht großartig verändern wird.
So denkt BVB-Sportdirektor Michael Zorc über Kevin Großkreutz und Roman Weidenfeller
Kevin Großkreutz hat seine Zukunft beim BVB selbst in Frage gestellt.
Zorc: Kevin ist ein Spieler, der sich total mit unserem Klub identifiziert. Wenn es einen Änderungswunsch gibt, dann wird er zu uns kommen und wir werden das ganz offen besprechen.
Sind Sie überrascht, dass Roman Weidenfeller noch da ist? Es war ja gemeinhin spekuliert worden, er könne als möglicher Reservist zu einem atmosphärischen Problemfall werden.
Zorc: Überhaupt nicht. Roman ist seit 13 Jahren bei uns und ein echter Borusse. Er hat in der Vergangenheit immer seinen positiven Einfluss in unsere Mannschaft gegeben, genauso auch in der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft.