Dortmund. . Borussia Dortmund erzwingt gegen Hoffenheim den 3:2 Triumph mit Herz, Wille und Abenteuerlust - und will nun unbedingt ins Pokalfinale in Berlin.

Manchmal ist es ja wirklich hübsch im Leben, wie sich die Dinge fügen. Es war ziemlich genau Mitternacht, als Sebastian Kehl mit einem kleinen Köfferchen am langen Arm aus dem Stadion von Borussia Dortmund entschwand. Es war ein großer Abend gewesen für den 35-Jährigen. Ein großer Abend in den Osterferien, was die Geschehnisse noch ein bisschen wertvoller machte.

Denn der kleine Luis, Kehls Sohn (7), konnte dem Spektakel im Stadion auf diese Weise bedenkenlos beiwohnen. Er konnte sehen, wie sein Papa, von Beruf Fußballer, nach 107 Minuten eines inbrünstig geführten DFB-Pokal-Viertelfinals gegen 1899 Hoffenheim den Ball zum 3:2-Sieg ins Tor jagte. Wie er auf die Knie sank und von den jubelnden Kollegen fast erdrückt wurde. Wie das tobende Stadion Dezibelbereiche ansteuerte, die sonst nur an besten Tagen der jüngeren Vereinsgeschichte erreicht wurden. Schwarz-Gelb drehte wieder im roten Bereich. Zumindest an diesem Abend.

Drittes Halbfinale in vier Jahren

„Heute ist ein sehr guter Tag für alle BVB-Fans“, sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp nach der spannenden Spätvorstellung mit Überlänge, an deren Ende die ­Borussia zum dritten Mal in den vergangenen vier Jahren als ­Pokal-Halbfinalist feststand. Weiterhin besteht also die Hoffnung, dass durch den Besuch des Final-Berlins am Ende der Saison auch ein paar freundlichere Farben gewählt werden dürfen, um irgendwann ein Bild von dieser grauen Saison zu malen. „Das“, sagte Klopp nach dem Triumph noch, „tut uns allen gut.“

Der Sieg, natürlich, aber noch viel mehr sein Zustandekommen. Bei weitem nicht makellos kamen die Borussen daher, aber sie nahmen die Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten auf die unterhaltsamste Art und Weise. Die Mannschaft steckte die verletzungsbedingten Ausfälle der hochgeschätzten Nationalspieler Marco Reus und Mats Hummels weg, sie raffte sich nach dem schlimmen Fehler des Torschützen Neven Subotic und dem daraus resultierenden 1:2 in der zweiten Halbzeit zu einem begeisternden Spiel auf, das so viel von dem aufwies, was Schwarz-Gelb in den vergangenen Jahren so groß gemacht hat: Herz, Wille, Abenteuerlust.

Erstes Pokaltor für Kehl

„Ihr entscheidet heute, wie Neven sich nach dem Spiel fühlen wird“, hatte Klopp seiner Mannschaft in der Halbzeit gesagt – und Sturm geerntet. Wann immer Dortmund mit diesem bedingungslosen Draufgängertum gegen alle Widerstände kämpft, wird mindestens ein kleines Spektakel daraus. Und Helden geboren. Mindestens für den Moment, manchmal für länger.

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„Schön, dass Sebastian heute der Held sein darf“, meinte Klopp über den fulminanten Treffer seines früheren Kapitäns und scherzte: „Wir arbeiten jetzt seit sieben Jahren zusammen, aber ich wusste nicht, dass er so was kann.“ Es ist ja auch durchaus eine feinsinnige Fügung des Schicksals, dass Dortmund ein Pokaltor benötigt und es ausgerechnet Kehl ist, der es erzielt. In mehr als dreizehn Jahren hat er in diesem Wettbewerb kein einziges Mal für den BVB getroffen.

Höchstens neun Spiel bis zu Kehls Karriereende

Es ist seine letzte Saison als Berufs-Fußballer, höchstens neun Spiele sind es noch bis zum Ende seiner Karriere, in der er nie der große Torschütze war. Jener Umstand sorgt immer wieder für Missstimmung im Hause Kehl. Luis ist Papas größter Kritiker. Er will Tore sehen. Lieber zwei als eines. „Mal sehen, was ich heute noch für einen Kommentar einstecken werde“, sagt Sebastian Kehl schmunzelnd, als er mit seinem Rollkoffer von dannen zieht.

In seiner Karriere war die Nummer 5 häufig verletzt. Er hat ganze Saisons verpasst, aber im Herbst seiner Karriere ist er für seine Beharrlichkeit längst mit Titeln belohnt worden. Einen letzten gibt es dank seines Tores noch zu gewinnen: Am 30. Mai steigt das DFB-Pokalfinale in Berlin. Vielleicht mit dem BVB, vielleicht mit Kehl. Sein letztes Spiel „und dann den Pokal hochrecken – das wäre ein schönes Ziel“, sagt er. Ferien sind dann keine, aber Wochenende. Luis könnte also zuschauen. Wenn es sich fügt, wie es sich fügen könnte.