Bremen. Zum Abschluss der Hinrunde setzte es für Borussia Dortmund in Bremen die zehnte Saison-Niederlage. Nun könnte der BVB sogar als Tabellenletzter überwintern.
45 Jahre lang war Klaus-Dieter Fischer für Werder Bremen tätig, und vor seinem letzten Bundesliga-Spiel als Geschäftsführer von Werder Bremen wurde er gefragt, was er sich für den Ruhestand wünsche. Die Antwort war so anspruchsvoll wie bescheiden: “Dass Werder ein Leben lang in der Bundesliga spielt.” Kein Mensch hätte vor Saisonbeginn daran geglaubt, aber es passt ins Bild, dass Borussia Dortmund zu Fischers Abschiedsspiel zu Gast war. Werder, Letzter, gegen den BVB, Drittletzter: Mehr Kellerduell ging kaum, und wer es verlieren würde, dem würde ein langer Winter bevorstehen. Am Ende erwischte es den BVB, der nach schwacher erster Halbzeit in Bremen 1:2 (0:1) verlor und in der Rückrunde tatsächlich vor allem zuerst um den Klassenerhalt spielen muss.
Und es begann für die Borussen so, wie es nun gar nicht beginnen sollte, nicht beginnen durfte: Nach nur drei Minuten erwischten die Bremer, die überraschend selbstbewusst, aber auch so gallig loslegten, wie ein Tabellenletzter loslegen muss, den BVB zum ersten Mal ungeordnet. Im Rücken von Mats Hummels war Linksverteidiger Santiago Garcia entwischt, der den jungen Stürmer David Selke bediente. Der schlenzte, mutterseelenallein vor Mitch Langerak im Dortmunder Kasten, den Ball von halblinks ins rechte Eck: 1:0 für Werder, für den BVB ein einziger Albtraumstart.
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Zu viel Hacke, Spitze
Was nun? Der BVB, in einem 4-1-4-1 mit Ciro Immobile als einziger Spitze und erstmals in dieser Saison mit Oliver Kirch für den angeschlagenen Bender in der Startelf, war geschockt. Die einstige Leichtigkeit, mit der sich das Team in einen Rausch spielen konnte, ist weg, und da, wo vor allem Ilkay Gündogan es mit Hacke und Spitze versuchte, war es nicht angebracht.
Werder, in den Zweikämpfen bissiger, hatte danach alles im Griff, obwohl das Team von der Substanz her nicht ansatzweise mit dem BVB zu vergleichen ist und mit David Selke und Melvyn Lorenzen einen Bubi-Sturm aufs Feld schickte. Dortmund hatte vor der Pause dann zwar mehr Spielanteile, patzte aber immer wieder im Aufbau und wirkte einfach viel zu verunsichert, um Werder ernsthaft in Schwierigkeiten zu bringen. So muss es wohl auch Trainer Jürgen Klopp empfunden haben, dessen Gesten am Spielfeldrand zwischen Aufmunterung und Verzweiflung angesichts vieler Missverständnisse und Fehler schwankten.
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Es dauerte eine halbe Stunde, bis der BVB mit seinen hohen Bällen von rechts einmal richtig gefährlich wurde, aber im Keller ist es für Dortmund offenbar wie verhext: Aubameyangs mit dem richtigen Timing geschlagener Flankenball landete bei Ciro Immobile, doch der köpfte Werders Verteidiger Lukimya an - Chance vertan.
Patzer von Hummels
Werder überließ dem BVB zwar weiter die Initiative, geriet aber bis zur Pause nicht ernsthaft in Gefahr. Beim BVB war nahezu jede Aktion davon geprägt, dass die Elf mit dem Absturz in den Keller nicht zurecht kommt. Rhythmus- oder Tempowechsel, Mut, zumindest Selbstbewusstsein, Ideen? Bei fast allen Fehlanzeige. Im Gegenteil, mit langen Bällen hebelte Bremen die verunsicherte Dortmunder Abwehr, in der auch Mats Hummels patzte, immer wieder aus, so dass Keeper Mitch Langerak in der 43. Minute gegen Lorenzen klären musste, den Finn Bartels steil geschickt hatte. Fazit zur Pause: Werders Führung verdient, der BVB ein Schatten seiner selbst.
Jürgen Klopp reagierte, brachte zur Pause Shinji Kagawa für den in Bremen arg indisponierten Sebastian Kehl, stellte im MIttelfeld um, beorderte Aubameyang zu Immobile in die Spitze und hoffte auf Besserung. Zumindest kam Dortmund griffiger zurück aufs Feld, was auch bitter nötig war, da Bremen nach wie vor mit Herz und Leidenschaft um jeden Ball fightete.
Sechs Minuten nach Wiederanpfiff dann Glück für Werder: Fin Bartels fälschte einen Immobile-Schuss ab, der knapp vorbei ging. Und nach 56 Minuten stand Kagawa nach Aubameyang-Flanke frei, doch der Japaner köpfte weit am Bremer Gehäuse vorbei.
Kagawa vergibt Chance zum 2:2
Und dann schlug Werder, das einfach immer noch die größere Leidenschaft und Zweikampfstärke in die Partie warf, wieder zu: Erst musste noch Mats Hummels in seiner bis dahin besten Szene klären, nachdem der eingewechselte Felix Kroos nach innen gepasst hatte, aber dann patzte ausgerechnet wieder mal der Weltmeister: Hummels ließ sich vom jungen Selke wie ein Anfänger verladen, dessen Pass brauchte der mitgelaufene Fin Bartels nur noch zum 2:0 einschieben (62.).
Der Fangschuss für den BVB? Es wäre fast noch schlimmer gekommen, aber Selke stolperte den Ball kurz danach aus drei Metern vorbei, das war Werders ganz dicke Chance zum 3:0 und zur Entscheidung (68.). Und praktisch im Gegenzug brachte sich Dortmund zurück ins Spiel. Ecke Gündogan, Flugkopfball Hummels, der senen Bock vor dem 0:2 damit wieder ausglich: Statt 0:3 nur noch 1:2 aus Sicht des BVB (69.).
Eigentlich der Startschuss, um die Partie zu drehen. Der BVB drückte jetzt, Werder kämpfte gegen den Schock, statt 3:0 nur 2:1 zu führen, Klopp brachte noch Blaszczykowski für Piszczek. Und das 2:2 hätte fallen können, eigentlich müssen, als Kagawa in der 79. Minute frei zum Schuss kam, doch der Japaner jagte den Ball hoch, hoch über den Kasten. Danach musste Dortmund aufmachen, Werder hatte mehr Raum, traf aber in der 89. Minute durch Fin Bartels nur den Innenpfosten.
Am Ende siegte die größere Bremer Leidenschaft über das größere Potenzial der Borussia. Aber es ist im Abstiegskampf vieles reine Nervensache. Und vor allem da sieht es nach dieser neuen Niederlage für Dortmund im Moment erschreckend finster aus.