Warschau. In 18 Vergleichen zuvor ist der DFB nie als Verlierer vom Platz gegangen. Trotz des überzeugenden Debüts von Karim Bellarabi fiel die Mannschaft von Bundestrainer Löw am Samstagabend vor allem durch fehlende Kaltschnäuzigkeit bei vielen Torchancen auf. Nun muss das Team am Dienstag gegen Irland gewinnen.
“Teraz Niemcy” - jetzt Deutschland. Zwar guckt Robert Lewandowski auf dem Stadionmagazin zum EM-Qualifikationsspiel der Polen gegen den Weltmeister nicht annähernd so energisch wie Uncle Sam in gleicher Pose, aber der ausgestreckte Finger in Richtung des Fotografen sollte wohl die Entschlossenheit des Gastgebers demonstrieren, es der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw so richtig zeigen zu wollen. Es wird nicht allein das 7:0 zum Auftakt in Gibralter gewesen sei, das den Polen enormes Vertrauen in die eigenen Stärken geschenkt hat, weshalb Verbandspräsident Zbigniew Boniek im Vorwort des Stadionhefts auch wortgewaltig ankündigte: “Heute ist nicht die Zeit für Gratulationen, es ist Zeit für einen fairen Kampf.” Und den nutzten die Polen, um im 19. Vergleich mit Deutschland erstmals mit 2:0 (0:0) als Sieger vom Platz zu gehen. Arkadiusz Milik (51. Minute) und Sebastian Mila (88.) versetzten die heimischen Fans in einen wahren Rausch, der den DFB vor dem Duell mit Irland am Dienstag in Gelsenkirchen (20.45, im Live-Ticker) in Zugzwang bringt.
Bellarabi mit starkem Debüt
Im Nationalstadion von Warschau feierte Karim Bellarabi sein Debüt im DFB-Trikot. Auf den Leverkusener hatte Löw schon vorab einen Lobgesang angestimmt: “Er erkennt freie Räume und hat die Fähigkeit, sich über Doppelpässe zu lösen - das macht er sehr gut.” Thomas Müller stellte der Bundestrainer in die Spitze, hinter den beiden Sechsern Toni Kroos und Christoph Kramer bildeten wie erwartet Jerome Boateng und Mats Hummels die Innenverteidigung. “Wir haben eine Achse mit Manuel Neuer, Jerome Boateng und Mats Hummels in der Innenverteidigung, dazu Toni Kroos als Bindeglied und Mario Gätze - das ist eine Achse von beeindruckender Qualität”, machte sich Löw daher keine Sorgen, was die Besetzung der Außenverteidiger anging: Rechts durfte diesmal Stuttgarts Antonio Rüdiger seine Visitenkarte abgeben. Gleiches gilt ja eigentlich auch noch für den Dortmunder Erik Durm, obwohl dieser sich ja schon Weltmeister nennen darf.
Ohne Übertreibung war der 73. Spieler, den Joachim Löw in seiner Zeit als Bundestrainer zu einem Nationalspieler gemacht hat, in der ersten Halbzeit auch der Mann der Partie: Bellarabi überzeugte nicht nur durch seine Bissigkeit im Rückwärtsgang, die in zahlreichen Ballgewinnen resultierte. Auch in der druckvollen Schlussphase der ersten 45 Minuten war der Neu-Nationalspieler an allen gefährlichen Aktionen beteiligt: Erst verpasste sein Abschluss aus spitzem Winkel links nach Vorlage von Mario Götze nur knapp den langen Pfosten (38.), dann war der aussichtsreich gestartete Bellarabi beim Kroos-Zuspiel hauchdünn im Abseits (41.), ehe ein kleiner Schlenker zu viel Zeit kostete, um den Ball links vom Fünfmeterraum vor Polens Schlussmann Wojciech Szczesny noch mit dem nötigen Druck aufs Tor zu bringen (43.). Da sich aber auch Thomas Müller bei seinem Alleingang abdrängen ließ, blieb es bei einer torlosen Begegnung.
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Die Gefahr, dass es im Kasten von Manuel Neuer einschlagen könnte, bestand weitgehend nicht. Zwar narrte vor allem der frühere Leverkusener Arkadiusz Milik das deutsche Mittelfeld einige Male beim schnellen Umschaltspiel, doch ernsthaft brachten die durchaus widerborstigen Polen um Robert Lewandowski Neuer nicht in Verlegenheit. Das lag auch daran, dass die beiden Außenverteidiger Rüdiger und Durm nach kurzer Schwächephase zu Beginn eine ordentliche Arbeit verrichteten, und Mats Hummels an der Seite von Boateng seinen internationalen Spielmodus eingeschaltet hatte - während es beim BVB in der Bundesliga ja nicht gerade rosig läuft, lässt sich die Borussia international nichts zu Schaden kommen.
Podolski trifft die Latte
Der von Boniek angekündigte Kampf wurde es dann tatsächlich nach dem Seitenwechsel. Dass der DFB das Chancenübergewicht aufgrund fehlender Präzision und Kaltschnäuzigkeit im Abschluss nicht in Tore ummünzte, rächte sich bei Polens erstem guten Angriff: Da das Mittelfeld nicht nachgerückt war, landete Durms Kopfballabwehr bei Lukasz Piszczek. Mit seinem Pass fand der Dortmunder Miliks Kopf, der zum 1:0 (51.) traf, weil Boateng zu weit weg stand und Neuer bei seinem Ausflug ins Leere segelte. Die Antwort des Löw-Teams ließ nicht lange auf sich warten: Götze (53.) nach feiner Bellarabi-Vorarbeit und Schürrle (55.) fanden zunächst jedoch jeweils über der rechten Seite in Arsenal-Keeper Szczesny ihren Meister. Der Weltmeister zeigte sich weiterhin unkonzentriert im Abschluss: Schürrles ungenauer Pass verhinderte den Ausgleich in aussichtsreichem Überzahlspiel (59.), auch Bellarabi (67.) konnte Szeczesny nicht überwinden. Während die Polen bei Gegenzügen reihenweise ins Abseits rannten, lief den Deutschen die Zeit davon.
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Löw brachte neue Kräfte ins Team: Draxler und Podolski kamen für Kramer sowie Schürrle. Erneut war es Debütant Bellarabi, der Szczesny aus 18 Metern prüfte. Podolski fügte sich gleich gut ein, drosch den Ball zehn Minuten vor dem Schluss volley aus zehn Metern ans Quergebälk. Welch bizarre Situation: Die frenetischen polnischen Fans feierten den in Gleiwitz geborenen Podolski dafür - nicht aus Häme, sondern aus Verehrung für den Weltmeister. Noch schlimmer: Kurz vor dem Ende erhöhte Sebastian Mila auf 2:0 (88.) - die erste deutsche Niederlage gegen Polen war unter Dach und Fach.