Madrid. Beim Triple-Sieger FC Bayern München war die Stimmung nach der 0:1-Niederlage im Halbfinale der Champions League bei Real Madrid gedämpft. Während die Münchener im Santiago Bernabeu Tiki-Taka bis zur Ermüdung spielten, zeigten die Königlichen, wie effektiver Fußball aussieht.
Cristiano Ronaldo trägt in dieser Nacht kein Gel in den Haaren. Er trägt Haare im Gel, als er mit einem mit Goldschmuck besetzten Köfferchen aus der Kabine von Real Madrid tritt. Der Stürmerstar ist verschlossen wie eine Truhe, deren Schlüssel man weggeworfen hat. Wortlos geht er nach dem 1:0-Sieg gegen den FC Bayern München im Halbfinal-Hinspiel der Champions League durch die Katakomben des Bernabeu-Stadions, dann verschluckt ihn die Dunkelheit von Madrid.
Ronaldo braucht lange in der Kabine, die Bayern sind längst weg. In ihrem Fünf-Sterne-Hotel im Zentrum der Start wartet das Mitternachts-Dinner. Die Kronleuchter im Saal Albeniz sind herunter gedimmt, Strahler an den Wänden sorgen für sanftes Rot. Es ist das Rot des FC Bayern. In der Lobby vor dem Saal ein Aufgebot von Sicherheitsleuten, das reichen würde, um ein Land wie Andorra zu verteidigen. Im Saal Karl-Heinz Rummenigge am Mikrofon.
Der Vorstandsvorsitzende der Bayern, eigentlich ein nüchterner Mensch, bemüht sich um Emotionen. Beim Rückspiel am kommenden Dienstag in München, so versichert er, “brennt der Baum. Real Madrid wird sich wie in der Hölle fühlen.”
Bayern mit 73 Prozent Ballbesitz
Die Stimmung im Saal lockert Rummenigge damit nicht auf. Die Kellner lenken von der gedämpften Stimmung ab, als sie das Essen bringen. Den Rotwein, ein Tempranillo aus dem Rioja-Anbaugebiet, lassen die Bayern-Stars unberührt. Sie verschwinden früh in ihre Zimmer.
Vorstand und Edelfans, die für ein paar hundert Euro das Bankett mitbuchen können, bleiben sitzen. Nun werden die Kellner den Tempranillo los, und irgendwann herrscht im Saal die Meinung: Real hat sich mutlos hinten rein gestellt, Bayern hat dominiert, hat nur vergessen, die Tore zu schießen. Deshalb: Kopf hoch für das Rückspiel.
Eine Statistik der Uefa stützt diese These: Die Bayern hatten demnach 73 Prozent Ballbesitz. Mittelfeldmann Toni Kroos kam in den 90 Minuten auf 134 Ballkontakte, Ronaldo bei Real gerade mal auf 15 davon.
Demnach kann man das Spiel so interpretieren, wie es weit nach Mitternacht fast jeder im Bankettsaal versucht. Man kann aber auch alles ganz anders sehen.
Tiki-Taka bis zur Ermüdung
Nämlich so: Die Bayern zelebrierten ihr Kurz-Pass Tiki-Taka bis zur Ermüdung. Sie schoben sich den Ball in Höhe der Mitellinie hin und her und her und hin. Nur der Steilpass in den Angriff, mit dem Tiki-Taka irgendwann Tempo aufnehmen soll, fehlte im Bernabeu-Stadion. Ein bisschen Pass muss sein. Aber zuviel davon ist auch nicht gut.
Real demonstrierte dagegen, wie effektiver Fußball aussieht. Er hat Tempo, er lebt von Anspielen in die Spitze und vom sofortigen Torschuss. An dieser Stelle lässt sich die Statistik mit Inhalt füllen. Dann erscheint das Zahlenwerk in einem anderen Licht. Toni Kroos brachte es bei 134 Ballkontakten auf keinen gefährlichen Torschuss, bei Ronaldo waren es dagegen gleich drei Schüsse aufs Tor. Bei jedem davon hielten die 4000 Bayern-Fans unter den 80.000 Zuschauern auf der vierten Etage der steilen Tribünen den Atem an.
Normalerweise funktioniert das Spiel der Bayern, doch seit Wochen fällt die linke Angriffsseite durch Qualitätsverlust auf. Außenstürmer Franck Ribery, der mit seinen verrückt-genialen Ideen im Januar noch als Mitfavorit auf den Titel “Weltfußballer des Jahres” galt, steckt in der Krise. Die verlorene Wahl - ausgerechnet gegen den neuen Weltfußballer Ronaldo - und eine Operation am Gesäßmuskel im Februar haben ihn offensichtlich aus der Bahn geworfen.
Ribery möchte darüber nicht öffentlich sprechen. Er zieht sich seit seinem Gerichtsprozess in seiner Heimat Frankreich lieber zurück. Seinen 31. Geburtstag feierte er kürzlich im indischen Restaurant Namaste im bayrischen Städtchen Murnau am Staffelsee nur im kleinsten Kreis.
Am Flughafen in Madrid wirkte Ribery am Donnerstagvormittag allerdings schon wieder entspannter als noch beim Mitternachts-Bankett. Gemeinsam mit Mario Götze kümmerte er sich am Einsteige-Gate um ein Baby von Bekannten, das im Flughafenlärm weinend im Kinderwagen saß.
Ob er aber seine Form bis zum Rückspiel wiederfindet, damit neben Arjen Robben auf der rechten Angriffsseite der Bayern auch links wieder Alarm herrscht? In der Mannschaft glauben sie an Ribery. “Er ist einer, der Spiele mit einer einzigen Idee entscheiden kann”, sagt Kapitän Philipp Lahm über den Franzosen. “Genau das wird er auch wieder zeigen.”
Das Rückspiel am Dienstag wäre ein guter Moment dafür.
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