Madrid. Für Pep Guardiola ist das Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und Bayern München auch eine Begegnung mit der eigenen Vergangenheit: Als Trainer des FC Barcelona lieferte er sich packende Duelle mit den Madrilenen - inzwischen aber hat er den FC Bayern zu einem Trainer-Verein gemacht.
Als die Bayern mit ihrer Sondermaschine in Madrid gelandet sind, rollt das Flugzeug und rollt und rollt und rollt. Irgendwann stoppt es mitten auf dem Flugfeld. Die Stars des deutschen Fußball-Meisters FC Bayern München müssen über eine eilig heran geschleppte Treppe aussteigen und in einen Bus klettern. Der rollt und rollt und rollt den Weg wieder zurück und hält vor einer eigentlich längst ausrangierten Ankunftshalle. Die Polizisten schauen grimmig, es riecht muffig, und das Gepäckband gehört zu den langsamsten Gepäckbändern Europas.
Willkommen beim Halbfinal-Hinspiel der Champions League bei Real Madrid am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF und im Live-Ticker).
Wer sich die Flughafen-Schikane ausgedacht hat? Real Madrid? Oder doch Jose Mourinho? Mourinho ist so eine Art Lieblingsfeind von Pep Guardiola. Im Hauptberuf war Mourinho früher Trainer von Real Madrid, mittlerweile arbeitet er als Coach des FC Chelsea und ist mit seinem Team schon einen Tag vor den Bayern in Madrid gelandet: Er spielt mit den Engländern das zweite Halbfinale gegen Atletico.
Nach dem Aufstehen rasiert, zum Mittagessen mit Dreitagebart
Schließlich rumpeln die Koffer doch noch vom Band. Mittelfeldspieler Mario Götze, der in seiner Zeit bei Borussia Dortmund auf Reisen noch große gelbe Kopfhörer trug, trägt als Bayer nun große rote Kopfhörer. Und dann bahnt sich der ebenfalls natürlich rote Bayern-Bus endlich den Weg durch die Vororte Madrids zum Fünf-Sterne-Hotel des Teams im Zentrum. An der Rezeption liegt eine aufgeschlagene Zeitung, man sieht ein großes Foto von Mourinho. Sicher nur ein Versehen, Guardiola geht lächelnd darüber hinweg.
Neuer trainiert mit Team beim Abschlusstraining
Fußball-Nationaltorhüter Manuel Neuer ist wie erwartet am Dienstagabend beim Abschlusstraining des FC Bayern München im Bernabeu-Stadion aufgelaufen. Einen Tag vor dem Halbfinal-Hinspiel der Champions League startete Neuer mit den Teamkollegen in Madrid das Programm. Nur die ersten 20 Minuten der Einheit von Trainer Pep Guardiola waren öffentlich. Neuer war zuletzt wegen Wadenproblemen ausgefallen und hatte am Wochenende das Balltraining wieder aufgenommen. Durch die Genesung des Schlussmanns kann Guardiola gegen Real Madrid auf alle Stars seines Kaders außer dem verletzten Thiago zurückgreifen.
Der Spanier ist zurück in seiner Heimat. Er hat eine spanische Seele, er ist ein Charmeur, er steht auf, als die Dolmetscherin erscheint. Und er sieht auch nach der vierstündigen Reise perfekt aus. Wenn er sich nach dem Aufstehen rasiert, kommt er zum Mittagessen schon wieder mit einem Dreitagebart. Weiß der Teufel, wie er das macht.
Guardiola macht die Ansagen und bestimmt die Launen
Aber er vollbringt auch wichtigere Dinge: Er hat in wenigen Monaten das Rollenbild des Trainers bei den Bayern verändert. Früher - seit den Zeiten von Beckenbauer, Müller und Maier - brauchte der FC Bayern lediglich einen Trainer, der die Stars irgendwie bei Laune hält. Fertig! Guardiola hält niemanden bei Laune, Guardiola macht die Ansagen und bestimmt die Launen. Und noch verblüffender ist, dass es alle Bayern gut finden. Motto: Darf’s ein bisschen er sein? Der FC Bayern ist längst eine Trainer-Mannschaft geworden.
Ein Beispiel: An diesem Nachmittag in Madrid soll Kapitän Philipp Lahm die Frage beantworten: “Spielen Sie gegen Real im Mittelfeld oder in der Abwehr?” Lahm sagt: “Ich weiß es nicht, der Trainer wird es mir vor dem Spiel mitteilen.”
Lahm wirkt darüber weder verärgert noch genervt. Guardiola hat die Bayern einfach neu erfunden. Er liest die Spiele auf dem Rasen wie andere ein Kinderbuch, zieht die richtigen Schlüsse und ändert Taktiken im Handumdrehen. Sein Co-Trainer Hermann Gerland nennt diese Gabe: “Genial!” Guardiola muss das niemand sagen, er weiß es. Trotzdem ist er auf dem Teppich geblieben, allerdings kann der Teppich jetzt fliegen.
Sein Selbstbewusstsein ist groß wie ein Hochhaus
Ob er sich denn wünsche, dass der angeschlagene Real-Star Cristiano Ronaldo am Mittwoch auf der Bank sitzt? “Nein”, antwortet Guardiola, “in einem Halbfinale sollen doch die besten Spieler auf dem Rasen stehen.” Sein Selbstbewusstsein ist groß wie ein Hochhaus. Was stört es ihn, wenn ein Ronaldo wirbelt, als würde er von einem Zehnjährigen an der Playstation gesteuert.
Guardiola hat mit seinen Profis darüber gesprochen, und er hat Gegenmaßnahmen trainieren lassen. Sollen sie halt kommen die Ronaldos, die Mourinhos und der Rest der Fußballwelt. Guardiola will ins Finale, er ist mit seiner Mannschaft vorbereitet. Auf alles!
Wäre vielleicht nur schön, wenn vor dem nächsten großen Spiel das Gepäckband besser funktionieren würde.