Essen. . Rot-Weiss Essen gegen den MSV Duisburg: Das war mal Bundesliga-Fußball. Jetzt ist es ein Halbfinale im Niederrhein-Pokal, das 20 000 Fans sehen wollen und damit erstmals das Stadion Essen bis auf den letzten Platz füllen.

Uwe Harttgen ist ein kluger Kopf. Er hat erfolgreich Fußball gespielt, mit Werder Bremen ist er Deutscher Meister geworden, mit Werder Bremen hat er 1994 in Berlin das Finale um den DFB-Pokal gewonnen, auch wenn er damals auf der Bank saß. Ach ja: mit 3:1 gegen Rot-Weiss Essen übrigens.

Damit ist man in der Geschichte von heute: Harttgen, der später Psychologie studiert und seinen Doktor-Titel gebaut hat, ist seit ein paar Wochen sportlicher Leiter bei den Rot-Weissen. Harttgen weiß also seinen Kopf zu nutzen, und doch erlaubt er sich einen Traum: RWE wieder dahin zu bringen, wo es schon einmal gewesen ist.

Da trifft es sich, dass Essen an diesem Dienstag im Halbfinale des Niederrhein-Pokals gegen den MSV Duisburg spielt. Denn Duisburg war auch schon ganz oben, und auch in Duisburg sitzt mit Manager Ivo Grlic einer wie Uwe Harttgen, der seinen Verein zurück nach oben bringen will. Das Pokalspiel wird ein bisschen an die besten Zeiten beider Vereine erinnern, weil sich 20 000 Fans angesagt haben. Und es soll für die Ruhr-Rivalen der Startschuss in eine bessere Zukunft sein.

Grlic sagt: „Wir gewinnen“

Die Gegenwart verlangt einem nämlich einiges ab. Den Fans beider Vereine sowieso, aber auch all’ denen, die den Zeiten nachtrauern, als sich samstags in der Bundesliga noch RWE und der MSV gegenüber standen und nicht Hoffenheim und Wolfsburg.

„Für unsere Tradition kann man sich leider wenig kaufen“, sagt Ivo Grlic dazu lediglich, „wir wissen, dass wir unheimlich viel arbeiten müssen, um zurück nach oben zu kommen. Aber ich glaube fest an den Satz, dass Menschen, die hart arbeiten, belohnt werden.“

Grlic weiß, wovon er spricht. Er ist vor dem Halbfinale nach Essen gekommen, und alles, was er von Harttgen über Rot-Weiß hört, kann er so oder ähnlich vom MSV erzählen. Beide Vereine waren einst auf Augenhöhe mit Schalke und Dortmund, beide verloren irgendwann den Anschluss und stürzten schließlich ab. Aber beide haben schmucke neue Stadien, das Essener wird an diesem Dienstag zum ersten Mal ausverkauft sein.

Niederrheinpokal, das klingt nach Amateur-Fußball, das klingt mehr nach dem anderen Halbfinale, in dem mit dem KFC Uerdingen noch so ein gefallener Engel spielt, übrigens beim TV Jahn Hiesfeld. Wer’s nicht weiß: Hiesfeld ist ein Stadtteil von Dinslaken, der Verein immerhin Oberligist.

Einzug in den DFB-Pokal winkt

Der Sieger von Essen aber wird im Niederrhein-Finale stehen, und wenn er dann Uerdingen oder Hiesfeld schlägt, nimmt er am nächsten DFB-Pokal teil, diesem Wettbewerb zum Träumen: Man könnte ja die Bayern als Gegner ziehen, oder Schalke oder den BVB. „Pokal“, sagt Uwe Harttgen in Erinnerung an 1994, „ist eine Sucht. Du willst zurück ins Finale. Immer wieder.“

Zukunftsmusik. Im Liga-Alltag büßen beide Vereine für die Sünden der Vergangenheit. Der MSV rutschte nach seinem Lizenzentzug in die 3. Liga ab, RWE hatte es vorher schon in die Viertklassigkeit verschlagen. Ein Treppenwitz angesichts des Potenzials beider Vereine, angesichts von Duisburgs fünf- und Essens hohen vierstelligen Zuschauerzahlen. „Das Spiel klingt doch mindestens nach zweiter Liga“, sagt Harttgen, und Grlic nickt: „Dahin wollen wir in den nächsten zwei bis drei Jahren zurück.“

MSV schlägt sich achtbar in Liga drei

Es wird kein leichter Weg. Der MSV, der im Sommer nach dem Lizenzentzug in Windeseile eine neue Mannschaft aus dem Boden stampfen musste, hält sich dafür in der 3. Liga achtbar. „Platz sechs ist unter diesen Umständen eine tolle Sache“, sagt Grlic, aber er spürt die Ungeduld im Umfeld: „Wenn du jetzt Sechster wirst, denken viele, im nächsten Jahr musst du aufsteigen.“ Nun nickt Harttgen, weil die Geduld in Essen auch noch nie eine große Tugend war: „Du brauchst Beharrlichkeit, um zurück zu kommen, Beharrlichkeit und Überzeugung.“

Und vielleicht einen Sieg über den alten Rivalen. Wer an diesem Dienstag gewinnt, kommt den großen Fleischtöpfen näher. Er macht seine Fans besonders glücklich, und er poliert sein Image auf: 20 000 Fans sind eine fast erstligareife Kulisse, außerdem überträgt Sport1 das Spiel um 18.35 Uhr live.

„Und wir“, sagt Ivo Grlic, „wollen gewinnen. Punkt.“ Da lächelt Uwe Harttgen. Und denkt bestimmt an 1994.